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Heinrich Friedrich Ferdinand Schmid: Der Kampf der lutherischen Kirche um Luthers Lehre vom Abendmahl im Reformationszeitalter. Im Zusammenhang mit der gesamten Lehrentwicklung dieser Zeit.

und Reformirten in Vieler Augen ausgeglichen oder doch auf dem Weg der Ausgleichung begriffen schienen. Auch liegen keine Anzeichen vor, dass er der Lehre, welche unter Lutheranern und Reformirten streitig war, näher nachgegangen wäre, und bis zum Jahr 1559 von den Erörterungen, welche darüber zwischen beiden Theilen gepflogen wurden, Notiz genommen hätte. Sein Standpunkt scheint der Melanchthonische gewesen zu sein. Von diesem damals in weiten Kreisen herrschenden Melanchthonianismus sagt Kluckhohn[1] richtig: dass derselbe mit dem Calvinismus zusammengefallen sei, wäre nur einzelnen Theologen klar gewesen, diese aber hätten es nicht wagen dürfen, sich offen zur reformirten Abendmahlslehre zu bekennen. „Die Masse der Menschen war und blieb lutherisch, und lutherisch fassten sie die diplomatischen Formeln, in denen Melanchthon sich gern bewegte. Sie würden sich erschreckt von ihm abgewendet haben, wenn sie seine Vermittlungstheologie als Calvinismus erkannt hätten. Galt doch der Calvinismus, den man lange nicht einmal vom Zwinglianismus zu unterscheiden vermochte, noch allgemein als eine verwerfliche Irrlehre..“ Auf diesem Standpunkt stehend war Friedrich auch ganz mit dem Frankfurter Recess von 1558 einverstanden. Er hielt ihn für gut lutherisch, weil darin die Irrlehre Zwinglis ausdrücklich verworfen, und die wesentliche Gegenwart Christi im Abendmahl betont war. Was Kluckhohn aus dieser Zeit mittheilt,[2] ist recht geeignet, uns den Standpunkt und die Sinnesweise Friedrichs klar zu machen. Er missbilligte es, dass sein Schwiegersohn, Johann Friedrich der Mittlere, die Unterschrift des Frankfurter Recesses von der Bedingung abhängig gemacht hatte, dass die Sekten und Rotten, vor allem die Zwinglianer, ausdrücklich verdammt würden, aber er lehnte es doch ab, seinen Schwiegersohn in Augsburg auf jede Weise zur nachträglichen Unterzeichnung des Frankfurter Recesses zu bewegen, denn, sagte er, der Frankfurter Recess sei kein Evangelium, das jeder gutheissen oder unterschreiben müsse, und er wisse deshalb in den, der Einrede dawider habe, nicht zu dringen. Das wurde ihm aber mit Unrecht als Lauheit


  1. Kluckhohn ibid. p. 8 sq.
  2. Kluckhohn p. 12–16.
Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Friedrich Ferdinand Schmid: Der Kampf der lutherischen Kirche um Luthers Lehre vom Abendmahl im Reformationszeitalter. Im Zusammenhang mit der gesamten Lehrentwicklung dieser Zeit.. J. C. Hinrichs’sche Buchhandlung, Leipzig 1868, Seite 218. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Kampf_der_lutherischen_Kirche_um_Luthers_Lehre_vom_Abendmahl.pdf/242&oldid=- (Version vom 1.10.2017)