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Heinrich Friedrich Ferdinand Schmid: Der Kampf der lutherischen Kirche um Luthers Lehre vom Abendmahl im Reformationszeitalter. Im Zusammenhang mit der gesamten Lehrentwicklung dieser Zeit.

wissen, dass es das calvinische sei. Das konnte in der damaligen Zeit auch ganz gut geschehen, denn die reformirten Theologen pflegten nicht so wie es in lutherischen Kreisen Luthern gegenüber geschah, ihre Uebereinstimmung mit Zwingli oder Calvin zu betonen, sondern von ihrer Lehre zu sagen, sie sei die schriftgemässe. So glaubte denn auch der Kurfürst, die Lehre, welche ihm doch aus den calvinischen Kreisen zugekommen war, aus der heiligen Schrift geschöpft zu haben, und darauf legte er auch so grossen Werth, dass er bei Gelegenheit ausdrücklich hervorhob, er habe Calvins Schriften gar nicht gelesen.[1]

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  1. In einem Brief an seinen Schwiegersohn Johann Friedrich d. d. 24. Oct. 1559 schreibt Friedrich: „ .. das schreib ich aber deren ursach halb nit, das ich Zwinglium oder jemants der irrigen oder verfürerischen lehrer vertheidingen wolle Dan ich muss mit grundt der Wahrheit bekennen, (wie ich davon oben gemelt), dass ich Zwingli schrifften nit gelesen ...“ (Kluckhohn p. 26). Derselbe sagt aber von der späteren Zeit Friedrichs p. 68: „Zwar Zwingli’s und Calvin’s Arbeiten vermied er zu lesen und obwohl Calvin ihm eine seiner Schriften widmete (mon. Piet. p. 292), wurde doch keine Verbindung zwischen beiden angeknüpft. Anfangs mag den Kurfürsten ein gewisses Vorurtheil, das auch ihm gegen Calvin eingepflanzt worden war, abgehalten haben; später aber kam es ihm, wie es scheint, darauf an, denjenigen, die ihn als einen Anhänger des Genfer Reformators verketzerten, seine Unbekanntschaft mit dessen Schriften entgegen halten zu können.“
     Kluckhohn (p. 62 sq.) erklärt den Uebergang Friedrichs zum Calvinismus etwas anders, er datirt ihn vom Naumburger Fürstentag an. Dieser habe den Kurfürsten zu der Entdeckung geführt, dass die Augsb. Conf. in ihrer ursprünglichen Gestalt vom Abendmahl des Herrn „papistisch“ lehrte. Dadurch sei die Autorität, welche jene Bekenntnissschrift für ihn hatte, erschüttert worden, und habe er noch entschiedener als früher sich auf die heil. Schrift als die einzig untrügliche Norm des Glaubens hingewiesen gesehen. Das sei die erste Stufe zu einem ächt reformirten Standpunkt gewesen. Jene Entdeckung habe aber für den Kurfürsten noch eine weitere Bedeutung gehabt. Sie habe ihm bewiesen, dass die grossen Reformatoren, Melanchthon nicht minder als Luther, sogar in den wichtigsten Lehren nur allmählig zur Erkenntniss der Wahrheit vorgedrungen, und selbst da noch in Irrthum befangen gewesen wären, als sie das Evangelium schon in seiner Reinheit hergestellt zu haben glaubten. Von da an habe er sich entschiedener dem Einfluss von Männern hingegeben, welche die reformirte Richtung vertraten, habe er sich mit den Schriften der Reformatoren Frankreichs und der Schweiz näher bekannt gemacht, und sei er, je mehr er das reformirte Lehrsystem [223]
Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Friedrich Ferdinand Schmid: Der Kampf der lutherischen Kirche um Luthers Lehre vom Abendmahl im Reformationszeitalter. Im Zusammenhang mit der gesamten Lehrentwicklung dieser Zeit.. J. C. Hinrichs’sche Buchhandlung, Leipzig 1868, Seite 222. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Kampf_der_lutherischen_Kirche_um_Luthers_Lehre_vom_Abendmahl.pdf/246&oldid=- (Version vom 1.10.2017)