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Heinrich Friedrich Ferdinand Schmid: Der Kampf der lutherischen Kirche um Luthers Lehre vom Abendmahl im Reformationszeitalter. Im Zusammenhang mit der gesamten Lehrentwicklung dieser Zeit.


 Er liess sich darum auf die Frage, ob er reformirt oder lutherisch sei, gar nicht ein, wie sehr er aber reformirt geworden war, beweisen die Aenderungen, die er in den kirchlichen Ordnungen vornahm und beweist der von ihm approbirte Heidelberger Catechismus. Man sollte nun freilich erwarten, dass der Kurfürst, nachdem er zu solcher Ueberzeugung gekommen war, auch eingesehen und bekannt hätte, dass er sich von der lutherischen Kirche abgewendet habe, aber das hatte er eben mit den Reformirten gemein oder vielmehr von ihnen sich angeeignet, dass er die historische Berechtigung, welche das lutherische Bekenntniss doch schon gewonnen hatte, nicht anerkannte, und das, was ihm das Schriftgemässe schien, zur einzigen Norm machte. Bei der Stellung, welche die Fürsten sich damals zuwiesen, konnte er es dann auch für sein Recht, ja für seine


    geprüft habe, von der Schriftgemässheit desselben überzeugt worden.“ Wir können dieser Erklärung des Uebertritts des Kurfürsten nicht beistimmen. Wollten wir auch annehmen, dass der Kurfürst um diese Zeit die Wahrnehmung zu machen geglaubt hat, dass die Augsb. Conf. in ihrer ursprünglichen Gestalt vom Abendmahl des Herrn papistisch lehrte, so würde diese Wahrnehmung den Glauben des Kurfürsten an die Autorität der Augsb. Conf. und in weiterer Folge an die Autorität der lutherischen Reformatoren gewiss nicht so erschüttert haben, dass er jetzt zu den Schriften der Reformirten sich gewendet hätte, wenn er nicht zuvor schon in der Abendmahlslehre ihnen näher gestanden wäre, als dem Lutherthum. Ueber sie dachte er von Anfang an Melanchthonisch, und vom Melanchthonianismus glitt er dann ab zum calvinischen Bekenntniss, wie das bei so Vielen damals der Fall war. Dass aber die Vorgänge während des Naumburger Fürstentags den Anstoss zur Entscheidung für den Kurfürsten gaben, nehmen wir mit Kluckhohn an. Der Kurfürst konnte da schon sich zur Unterschrift der Augustana nur unter der Bedingung bereit erklären, dass es ihm gestattet war, die Abendmahlslehre so zu deuten, wie es auf Grund der Ausgabe von 1540 zulässig war, wurde aber schon in Naumburg inne, dass es Fürsten gab, welche seine Auslegung des Abendmahls für eine unlutherische erklärten. Als dann aber das ganze Werk des Naumburger Fürstentags an dem Widerspruch des Herzogs Johann Friedrich von Sachsen scheiterte, musste er erkennen, dass er mit den lutherischen Ständen nicht mehr auf gleichem Boden des Bekenntnisses stehe. Damit war das Band zwischen ihm und ihnen zerrissen, und nahm er nun keinen Anstand mehr, sich den Reformirten näher zu stellen, und nun auch jene Aenderungen im Cultus vorzunehmen, welche der Kirche seines Landes ein reformirtes Gepräge gaben.

Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Friedrich Ferdinand Schmid: Der Kampf der lutherischen Kirche um Luthers Lehre vom Abendmahl im Reformationszeitalter. Im Zusammenhang mit der gesamten Lehrentwicklung dieser Zeit.. J. C. Hinrichs’sche Buchhandlung, Leipzig 1868, Seite 223. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Kampf_der_lutherischen_Kirche_um_Luthers_Lehre_vom_Abendmahl.pdf/247&oldid=- (Version vom 1.10.2017)