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Heinrich Friedrich Ferdinand Schmid: Der Kampf der lutherischen Kirche um Luthers Lehre vom Abendmahl im Reformationszeitalter. Im Zusammenhang mit der gesamten Lehrentwicklung dieser Zeit.

dass die Reformirten selbst früh angefangen hatten, sich der Härten der Zwinglischen Lehre zu entschlagen, sie behaupten aber, Luthers Lehre vom Abendmahl habe in keinem der zu seiner Zeit entstandenen Bekenntnisse ihren vollen Ausdruck gefunden, sondern sei durch die Auffassung, welche Melanchthon vom Abendmahl hatte, temperirt worden und der Melanchthonische Typus sei für lange in der lutherischen Kirche der herrschende geblieben. Erst die Concordienformel habe die Lehre Luthers in ihrer ganzen Schärfe geltend gemacht.

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 Diese Ansicht findet sich früh bei reformirten Schriftstellern ausgesprochen, am ausführlichsten bei Hospinian in seiner historia sacramentaria und seiner concordia discors. Er behauptet: schon die Augustana von 1530 lehre nicht die manducatio oralis und noch weniger die Ubiquität des Leibes Christi,[1] die Reformirten könnten sich also dieses Bekenntniss recht wohl aneignen.[2] Auch die Apologie der A. C., behauptet er, spreche nicht zu Gunsten der manducatio oralis,[3] und selbst die Schmalkaldischen Artikel seien nicht gegen die Zwinglianer, sondern gegen die Ubiquitisten gerichtet.[4] Alle diese Bekenntnisse also enthielten nicht genau und ganz die Lehre Luthers, sondern vielmehr die Melanchthons. Das sei auch Luthern nicht entgangen, er habe es sich aber bei Melanchthon gefallen lassen, habe dagegen den alten Groll gegen die Schweizer nicht so weit überwinden können, dass er zu ihnen, deren Lehre doch mit der Melanchthons übereinstimmte, die gleiche Stellung eingenommen hätte.[5] Es sei also, behauptet Hospinian weiter, Einigkeit zwischen den Reformirten und Lutheranern erzielt gewesen und


  1. Hospinian, hist. sacr. II, 93 a u. b.
  2. Ibid. 94 b. 96 a.
  3. Ibid. 120 b.
  4. Ibid. 156 a.
  5. Ibid. 196 a. Cum Lutherus Philippum a se in controversia coenae dominicae dissentientem non modo tulerit, sed etiam coluerit, non injuria quaeritur, cum Philippum sibi repugnantem domi inque eadem cathedra amice complexus sit, Helvetios autem longe remotos tanta vehementia impugnarit? Cur Philippum cum Helvetiis facientem in collegii et fraternitatis communione perpetuo retinuerit ac tutatus sit, Helvetios autem in fraternitatis conjunctionem recipere noluerit? Quid hic aliud causae subesse quis diceret, quam privatum adversus Helvetios odium? quid? quam immane contentionis studium et propriae gloriae immoderatum amorem?
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Heinrich Friedrich Ferdinand Schmid: Der Kampf der lutherischen Kirche um Luthers Lehre vom Abendmahl im Reformationszeitalter. Im Zusammenhang mit der gesamten Lehrentwicklung dieser Zeit.. J. C. Hinrichs’sche Buchhandlung, Leipzig 1868, Seite 3. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Kampf_der_lutherischen_Kirche_um_Luthers_Lehre_vom_Abendmahl.pdf/27&oldid=- (Version vom 1.10.2017)