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Heinrich Friedrich Ferdinand Schmid: Der Kampf der lutherischen Kirche um Luthers Lehre vom Abendmahl im Reformationszeitalter. Im Zusammenhang mit der gesamten Lehrentwicklung dieser Zeit.

dessen Abendmahlslehre geäussert habe. Hat er das gethan, so muss er zu Calvin eine ähnliche Stellung eingenommen haben, wie er eine Zeitlang nach Annahme jener zu der Lehre der anderen Schweizer eingenommen hat, denn ganz einig mit Calvin kann er sich in der Abendmahlslehre nie gewusst haben. Hat Luther aber wirklich bei Calvin die noch bestehende Differenz übersehen in der Ueberzeugung, dass er im Grundwesentlichen mit ihm einverstanden sei, so läge darin ein indirecter Beweis dafür, dass er die gleiche Stellung auch eine Zeitlang zu den anderen Schweizern eingenommen hat. Indessen die dafür beigebrachten Beweise sind zu schwach. Es sind nemlich die, dass Luther einmal (am 14. Oct. 1539) an Bucer geschrieben hat: Salutatis Sturmium et J. Calvinum reverenter, quorum libellos cum singulari voluptate legi; dann dass Luther (1545) günstige Aeusserungen über Calvins Schrift de Coena gethan habe. Hospinian (II, 178) erzählt, Luther habe, als der Buchhändler Moritz Golschius ihm eine lateinische Uebersetzung der Schrift de Coena gegeben habe, das darin enthaltene Urtheil über Zwinglis, Oekolampads und seine Lehre gelesen und sei in die Worte ausgebrochen: „non inepte judicat iste scriptor. Atque ego quidem, quae mea sunt agnosco. Helvetii si idem facerent, et sua quoque scrio agnoscerent et retractarent, jam pax esset in hac controversia.“

 Was nun die erste Aeusserung anlangt, welche sich nur auf die institutio Calvins beziehen kann, so folgt aus ihr doch gar zu wenig. Luther las sie in der Zeit, in welcher er die Concordie noch im Gang glaubte, las sie also mit denselben Augen, mit denen er das Schweizer Bekenntniss und die declaratio gelesen hatte. Und nicht viel anders verhält es sich mit der anderen Aeusserung. Wer sind da die homines fide dignissimi, auf deren Zeugniss sich Hospinian beruft? Hospinian hat die Erzählung Pezels ausführlicher Erzählung vom Sacramentsstreit (Bremen 1600) entlehnt, einem Gewährsmann,[1] dem man doch nicht so unbedingt glauben kann.


  1. So behauptet wenigstens Gieseler III, 2, 171. Anm. 43, wo er auch den Irrthum Ebrards (II,476) berichtigt, als ob Calvin selbst die Aeusserung Luthers erzählt habe. cf. Henry, das Leben J. Calvins II, 199.
Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Friedrich Ferdinand Schmid: Der Kampf der lutherischen Kirche um Luthers Lehre vom Abendmahl im Reformationszeitalter. Im Zusammenhang mit der gesamten Lehrentwicklung dieser Zeit.. J. C. Hinrichs’sche Buchhandlung, Leipzig 1868, Seite 52. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Kampf_der_lutherischen_Kirche_um_Luthers_Lehre_vom_Abendmahl.pdf/76&oldid=- (Version vom 1.10.2017)