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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)


„Wahrhaftig, ich schmeichle nicht.“

„Es ist sehr dreist, mich mit solchem Anliegen zu behelligen.“

„Ich weiß es ja, Hoheit, aber wohin sollte ich denn sonst? Es wäre mir sehr leid um den Cavaliere di Fabbris, wenn er da etwa in Schlingen geriethe –“

„Das ist seine Sache,“ unterbrach Erminia nahezu heftig.

Angela ließ den Kopf sinken. „Verzeihung, Hoheit!“ Zwei schwere Tropfen rannen aus ihren Wimpern.

Die Aristokratin stand betroffen. „Was ist das? Du weinst? Sollte die Verwegenheit, mit der Du Dich zu mir gedrängt, wohl gar einen tieferen Grund haben? Du liebst den Cavaliere Fabbris?“

Die Fioraja sah unschuldig auf. „O nein! Ja, wenn ich eine Fürstin wäre und kein so häßlich Ding!“

„Du bist nicht häßlich.“

„Nicht?“ Angela strahlte plötzlich. „Wenn Eure Hoheit mir das sagt, muß es wahr sein. Ach, wie mich das freut! Ich habe immer gedacht, ich wäre kaum zum Ansehen.“

Erminia mußte lächeln. „Mädchen, Du gefällst mir.“ Angela klaschte außer sich in die Hände. „Ich meine,“ fuhr die Sprecherin erläuternd fort, „Dein Wesen sagt mir zu. Meine Kammerfrau ist betagt; hättest Du Lust, in meinen Dienst zu treten?“

Angela erstarrte fast. „Hoheit – solch Glück – ich?“

„Ja oder nein.“

„Ja, ja, mit tausend Freuden!“

„Wann kannst Du zu mir kommen?“

„Sobald Sie befehlen. Noch heut, noch heut!“

„Du bist Blumenhändlerin; kannst Du Dein Geschäft so ohne Weiteres aufgeben?“

„O, ich werde selig sein, wenn ich nicht mehr mit dem Korb auszugehen brauche. Glauben Sie nur, Hoheit, Unsereins hat manchmal recht rohe Behandlung zu erdulden. Nicht jeder Herr geht mit uns um wie der Lieutenant di Fabbris. Ach, und meine Eltern, wie werden die jubeln, wenn ich im Palast Bevilacqua im Dienst sein werde!“

Sie klatschte von Neuem in die Hände und hüpfte auf dem Flecke, wo sie stand, in die Höhe. Die vornehme junge Dame war bei ihrem Antrag im Grunde nur vom Eigennutz geleitet gewesen; jetzt erkannte sie zu ihrer Freude, daß sie unbewußt ein gutes Werk gethan. Angela wurde entlassen, um im elterlichen Hause ihre Sachen zu ordnen.

(Fortsetzung folgt.)




Literaturbriefe an eine Dame.

Von Rudolf von Gottschall.

XXII.

Der Christmarkt, verehrte Freundin ist auch ein Büchermarkt, und unter den Lichtern des Christbaums versammeln sich die Heerschaaren der schönen Literatur im Paradeanzug. Sie werden auch einige dieser eleganten Musenkinder auf Ihren Weihnachtstisch legen, und es wird von ihnen geistiges Licht und geistige Wärme ausstrahlen in den baltischen Winter, der über die frierende Ostsee seine Schneewolken jagt.

Freilich, viele dieser zierlichen, geschmackvollen und prächtig ausgestatteten Weihnachtsbücher gehören deshalb doch nicht zu den geistigen Leuchten; es giebt auch viele schön eingebundene Maculatur, und die Ritter des Geistes in bescheidener Hülle erfahren dagegen unverdiente Zurücksetzung. Das Christkind erfreut sich, wie alle Kinder, an dem äußeren Glanz und Schimmer, und wo sich dieser dem innern Werth gesellt, da werden alle Ansprüche befriedigt. Ein illustrirter Schiller ist gewiß ein schönes Weihnachtsgeschenk, und man muß es der Hallberger’schen Buchhandlung zum Verdienst anrechnen, daß sie diese Gabe dem Christkind an die Hand gegeben hat. Dasselbe gilt von dem Prachtwerk „Aegypten“, das der gelehrte und phantasievolle Georg Ebers herausgiebt. Ist es doch diesem Autor gelungen, Aegypten mit seinen Prinzessinnen und Sphinxen in Deutschland Mode zu machen – das altersgraue Aegypten und die modernen Toilettentische: wer hätte das geglaubt? Der Nilschlamm hat sich befruchtend erwiesen auch für den deutschen Buchhandel.

Ein anderes Prachtwerk: die „Germania“ von Johannes Scherr mit ihren Geschichtsbildern, mit dem Text im schlag- und schwunghaften Stil, den dieser Autor beherrscht, dann die italienischen Kunstdenkmäler, von Ernst Eckstein, einem kundigen und geschmackvollen Interpreten, herausgegeben, werden gewiß auch auf vielen Weihnachtstischen eine Stätte finden.

Daneben die Anthologien und die großen poetischen Albums! Seitdem das Düsseldorfer „Künstleralbum“ schlafen gegangen ist, haben wir nur eines, das in gleichem Stil gehalten ist, das von Albert Traeger herausgegebene „Deutsche Kunst in Bild und Lied“. Auch in diesem Jahr ist es erschienen, und Sie, verehrte Freundin, werden es mit Vergnügen durchblättern. In den Zeichnungen freilich überwiegt das Genrebild, wie dies schon im Düsseldorfer Album der Fall war. Kinder, zahme und wilde Thiere, Scenen aus dem Salon- und Volksleben: das löst sich ab in bunter Reihe; dazwischen landschaftliche Veduten und Studien, ein Schloß an der Mosel, der Golf von Neapel und ähnliche Bilder. Nur ein Schlachtbild von geschichtlichem Interesse findet sich unter ihnen, der Tod des Prinzen Louis Ferdinand, dieses genialen preußischen Prinzen, der im Treffen bei Saalfeld fiel. Moritz Blankarts, ein Künstler, der abwechselnd Pinsel und Feder führt, hat das Bild gezeichnet. Bei den poetischen Geschwadern, die unter dem Commando von Albert Traeger in’s Feld rücken, finden sich einige Veteranen, aber auch viele neu angeworbene Truppen; Sie werden unter den jüngeren Kräften manches hübsche Talent begrüßen. Die älteren Lyriker haben nicht immer ihren guten Tag; bisweilen schläft auch Homer. Hermann Lingg hat ein Gedicht: „Shakespeare“ beigesteuert, das an Unverständlichkeit nichts zu wünschen übrig läßt; selbst die Verse sind unmöglich. Geibel und Bodenstedt fehlen: der letztere hat bereits transatlantischen Boden betreten. Mirza-Schaffy im Westen – es ist etwas Neues; zwei Welten sollen dem Dichter huldigen. Hamerling in unserem Album bietet ansprechende Gedichte, ebenso der Herausgeber selbst und viele Andere. Sie werden finden, daß unsere jüngste Lyrik im Ganzen keinen leidenschaftlichen Zug hat und nicht auf’s Große gerichtet ist; das stille Empfinden und der Klang und Hauch des innigen Liedes überwiegt. Die Politik wird mehr oder weniger Tabu für unsere Poeten, und in der That, sie hat den begeisternden Schwung verloren: sollen sie die Zölle und Steuern und das Reichseisenbahnwesen in Verse bringen?

Der Roman und die Novelle erscheinen in der Regel nicht „mit Goldschnitt“, in jener für den Weihnachtstisch besonders courfähigen Tracht; aber die Werke beliebter Autoren finden dennoch ein Plätzchen auf demselben. Wie viele Freytag’sche „Ahnen“ haben bereits unter den grünen Zweigen des für fromme Zwecke entwurzelten Tannenbäumchens den Enkeln gewinkt! Diesmal wird hier kein neuer Ahn gebettet: kein Ingo und Imo; auch verlieren die edlen deutschen Jünglinge von Band zu Band ihren sagenhaften Reiz. Doch auf einige Werke unserer erzählenden Literatur, verehrte Freundin, möchte ich Sie hinweisen, auf einige neu auftauchende Talente, die zum Theil unter den Fahnen der „Gartenlaube“ sich ihre Sporen verdient haben.

Zwar der phantasievollen Mutter phantasievolle Tochter, Wilhelmine von Hillern, ist Ihnen schon lange bekannt: die Lust zu fabuliren hat sie von der Mutter geerbt; nur hatte diese eine Bühnenphantasie, die Alles in Scenen und Acten, im Lichte der Prosceniumlampen vor sich sah, während die Phantasie der Tochter mehr die Illustrationen der Romancapitel im Auge hat, doch ist diese selbstschöpferisch, während sich die Mutter an andere Schöpfungen anlehnte. Die neueste Erzählung von Wilhelmine von Hillern „Und sie kommt doch“ ist ein Pendant zu dem Roman „Homo sum“ von Georg Ebers; beide behandeln den Sieg des Menschlichen über die Askese. Ich weiß, verehrte Freundin, es ist so wenig Ihr Geschmack wie der meinige – das sich peinigende Büßerthum. Und wenn das Licht unseres Jahrhunderts auf diese Scenen fällt, so erscheinen sie doppelt grell und das Gefühl beleidigend. Und doch haben wir Philosophen, deren Lehren zuletzt darauf hinauskommen, daß wir dem Beispiel des Eremiten am Sinai oder selbst demjenigen des Mönchs vom Kloster Marienberg Folge leisten sollen. Dieser Mönch ist nicht blos

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 834. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_834.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)