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sein – noch keine prinzipielle Gegnerschaft des H. gegen die hasmonäische Familie folgern, sondern damals dürfte er noch durchaus die in seiner Heirat uns entgegentretende Politik, sich der Verbindung mit den Hasmonäern als Stütze seiner Herrschaft zu bedienen, befolgt haben (so auch Reville 2. Bd. 222). Denn mag er auch Hyrkanos aus der parthischen Gefangenschaft vornehmlich deshalb freigebeten haben, damit die Parther bei ihrem Kampfe gegen Rom und dessen Freunde diesen nicht als Prätendenten gebrauchen könnten (bell. Iud. I 433f.; ant. Iud. XV 11–21f.[1], so spricht die besonders ehrenvolle Behandlung, die er dem Zurückgekehrten angedeihen ließ (ant. Iud. XV 21), doch unbedingt dagegen, daß nur Mißtrauen oder gar Hinterlist den König geleitet hat. Diese Behandlung scheint mir sogar ein sicheres Zeichen [RE:37] für die soeben gekennzeichnete Politik zu sein. Aber auch sein schließliches Nachgeben gegenüber den hasmonäischen Ansprüchen in der Hohenpriesterfrage darf man wenigstens zu einem Teil wohl mit dieser Politik in Verbindung bringen.[2]

Seine Schwiegermutter, die sehr kluge Alexandra, die wegen der Zurücksetzung ihres Sohnes gegen H. sehr erbittert war – erst seit dieser Zeit dürfte ihre scharfe Gegnerschaft gegen ihren Schwiegersohn datieren – hatte sich nämlich an Kleopatra gewandt, um diese und durch sie Antonius für die Kandidatur des Aristobulos zu interessieren. [40] Antonius scheinen die Klagen der Alexandra nicht sehr willkommen gewesen zu sein (ant. Iud. XV 25), doch hat Kleopatra allem Anschein nach ihn schließlich für den jungen Hasmonäer einzunehmen verstanden. Die hierbei Alexandra zugeschriebene weitere Rolle, wonach sie auf Rat des Q. Dellius, um die Sinnenlust des Antonius zu reizen, ihre beiden sehr schönen Kinder hätte malen lassen und die Bilder dem Triumvirn zugeschickt habe (ant. Iud. XV 26f.), ist freilich legendär. Denn daß sie, die Jüdin, sich zu einer derartigen Übertretung des Gesetzes habe bestimmen lassen, erscheint ausgeschlossen (schon Wellhausen 318, 2 zweifelt. Im bell. Iud. I 439 findet sich denn auch eine andere Version: hier wird allein Mariamme von ihren Gegnern beschuldigt, sie habe sich für Antonius malen lassen, eine Beschuldigung, die sicher erfunden sein dürfte; aus ihr hat sich wohl schließlich die obige Erzählung herausentwickelt). Gibt man die Bildererzählung preis, dann darf man natürlich die sich aus ihr ergebenden Folgen (ant. Iud. XV 28ff.) auch nicht als historische Tatsachen betrachten; so dürfen wir das Verlangen des Antonius, den Jüngling bei sich zu haben, nicht verwerten, da dieses ja erst durch das Bild geweckt sein soll, und ferner auch nicht die Furcht des H., daß dieses Zusammensein, [RE:38] infolge der Sinnenlust des Römers, unangenehme Weiterungen für ihn haben könne (s. auch den unglaubhaften Abschluß der ganzen Episode ant. Iud. XV 30f.[3]. Man darf also, da wir über das Verhalten des Antonius gegenüber dem jungen Hasmonäer nicht klar sehen können, die sogar gegen das Gesetz verstoßende Absetzung Ananels und Aristobulos’ zum Hohenpriester, Ereignisse, die man entweder Anfang 36 oder gegen Ende dieses Jahres bezw. Anfang 35 v. Chr. anzusetzen hat[4], nicht


  1. Die Lage des Hyrkanos bei den Parthern wird zumeist verkannt. Von sich aus hätte er über die Rückkehr in die Heimat nicht entscheiden können, da er bis zuletzt trotz aller ihm gewährten Freiheiten parthischer Staatsgefangener gewesen ist, s. § 14. 18f. 21. Es scheint allerdings daneben auch im Altertum bereits die entgegengesetzte Auffassung bestanden zu haben und gleichfalls bei Josephus vorzuliegen.
  2. Vielleicht darf man auch die erste Heirat seines Bruders Pheroras als ein Anzeichen dieser Politik in Anspruch nehmen. Denn man kann die Angabe im bell. Iud. I 483 (sie steht in einem als Einlage in die chronologische Darstellung zu fassenden Abschnitt, der Ereignisse aus den 30er und 20er Jahren nachholt, s. S. 133 Anm.) kaum anders fassen, als daß die erste Frau des Pheroras, die dieser in den 30er Jahren geheiratet hatte, eine Schwester der Mariamme gewesen ist, so daß uns hier ein weiterer Versuch einer engeren Verbindung mit den Hasmonäern vorliegen würde. Die Zeit ergibt sich vor allem aus einem Vergleich von § 483/4 mit 486; insofern kann unter ἰδία γυνή nur Mariamme zu verstehen sein, und die Bezeichnung der Verbindung des Pheroras als einer ‚βασιλικὸς γάμος‘ paßt auch eigentlich nur auf eine Hochzeit mit einer Schwester von ihr und nicht auf die mit einer Schwester der anderen Frauen des H. Allerdings müßte man nach ant. Iud. XV 23 annehmen, daß Alexandra nur zwei Kinder gehabt hat; aber die Ungenauigkeit an dieser Stelle kann sehr wohl daher herrühren, daß hier nur die historisch wichtig gewordenen Kinder genannt sind. Oder kann man etwa annehmen, daß die zweite Tochter der Alexandra aus einer zweiten Ehe entsprossen ist? Dann wären die Angaben a. a. O. ganz korrekt.
  3. Man darf übrigens auch nicht, wie es immer wieder geschieht, im Anschluß an § 31 als Grund für die Ernennung anführen und so die Auffassung, die der Darstellung bei Josephus zugrunde liegt, stützen, daß H. durch sie den Aristobulos an Judäa habe fesseln wollen, da das Verlassen des Landes dem Hohenpriester verboten gewesen sei. Denn mag auch selbst ein solches Verbot bestanden haben, so war es jedenfalls damals schon oft übertreten worden; die hasmonäischen Hohenpriester hatten sich nicht daran gehalten (s. z. B. die Teilnahme des Johannes Hyrkanos an dem Partherfeldzuge des Königs Antiochos VIII (VII) Sidetes oder die Reise Aristobulos’ II. zu Pompeius nach Damaskus oder die Hyrkanos’ II. zu Antonius nach Antiochien.
  4. Für die Chronologie s. außer Schürer I³ 362 auch Kromayer Hermes XXIX 572ff. Der eine Grund Schürers für seinen Ansatz der Ernennung, Anfang 35, die Bilder seien an Antonius nach Ägypten geschickt worden (bell. Iud. I 439), fällt mit der ganzen Bildererzählung; insofern scheidet auch ein scheinbar sicherer terminus post quem aus, nämlich Antonius’ ägyptischer Aufenthalt 36/5 v. Chr. Ein wirklich sicherer terminus post quem für die Ernennung ist dagegen der Winter 37/6 v. Chr., da erst in diesem Kleopatra und Antonius sich wieder vereinten, also auch erst von Alexandra angegangen sein können. WS: Die auf der nächsten Seite fortgesetzte Anmerkung wurde hier vervollständigt Es scheint mir nun nichts Zwingendes entgegenzustehen, die Ernennung des Aristobulos bald darauf etwa ins zeitige Frühjahr oder gegen Schluß des Winters 36 v. Chr. anzusetzen (die zu große Jugend des Aristobulos für das hohepriesterliche Amt, die H. bei der späteren Ernennung für die dereinstige Nichtwahl im J. 37 v. Chr. geltend macht [ant. Iud. XV 34], besteht doch auch noch im J. 35 v. Chr., und die Altersangaben: 16 und 17 Jahre für die Zeit vor bezw. die der Ernennung lassen sich auch sehr wohl mit den früheren Jahreszahlen vereinen. Da Aristobulos nur ein Laubhüttenfest als Hoherpriester mitgemacht hat und sein Tod bald darauf eingetreten ist [ant. Iud. XV 50. 53; s. auch bell. Iud. I 437], so muß sein Amtsantritt, zumal er etwa ein Jahr lang fungiert haben soll [ant. Iud. XV 56], in den Beginn oder ganz an das Ende eines Jahres gesetzt werden). Der Tod der Aristobulos fiele im Falle der früheren Datierung Ende 36 v. Chr. (er wäre dann noch nicht 18 Jahre alt gewesen, vgl. ant. Iud. XV 56), und die Verantwortung des H. vor Antonius im syrischen Laodikeia wegen der Ermordung des Jünglings in das J. 35 v. Chr.; Antonius ist in diesem Jahre tatsächlich sogar zweimal in Syrien gewesen, einmal ganz zu Beginn des Jahres zusammen mit Kleopatra (Kromayer a. a. O. 577) und dann noch ein zweitesmal allein, etwa im Sommer (Plut. Ant. 53. Cass. Dio XLIX 33, 3). In dem später erdichteten Schreiben des H. aus Laodikeia (ant. Iud. XV 74ff.; s. S. 3 *) wird auch die Anwesenheit der Kleopatra bei Antonius vorausgesetzt. Es wäre jedoch bedenklich, auf diese Angabe zu viel zu vertrauen und deshalb die Vorladung des H. in den ersten Aufenthalt, d. h. in den Beginn des J. 35 v. Chr. zu setzen (bei Plut. Ant. 53 wird denn auch ein anderer Ort für das Zusammentreffen des Antonius und der Kleopatra genannt). Die bisher übliche Chronologie: Ernennung ,Anfang 35 v. Chr.‘ (da die Bildergeschichte als chronologisches Moment ausscheidet, wäre auch Ende 36 v. Chr. möglich), Tod ,Ende 35 v. Chr.‘, H. in Laodikeia ,34 v. Chr.‘ ist natürlich nicht unmöglich, doch ist bei ihr immerhin zu beachten, daß im J. 34 v. Chr. Kleopatra nicht mit Antonius in Syrien geweilt hat, und daß sich dieser damals anscheinend in Syrien nicht länger aufgehalten, sondern es nur ganz eilends passiert hat (Kromayer a. a. O. 574). Auf die Angabe in ant. Iud. XV 80 ‚παραπέμψας ὁ βασιλεὺς Ἀντώνιον ἐπὶ Πάρθους‘ (nach Laodikeia) darf man nicht zu viel geben; denn die Angabe eines Krieges gegen die Parther stimmt ebensowenig für 34 wie für 35 v. Chr. In dem erstgenannten Jahre ist der Feldzug zur Bestrafung Armeniens unternommen worden, im zweiten war ein Feldzug zwar geplant, wurde aber schließlich nicht ausgeführt.
Empfohlene Zitierweise:
Walter Otto: Herodes. Beiträge zur Geschichte des letzten jüdischen Königshauses. Metzler, Stuttgart 1913, Seite 39. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Otto_Herodes.djvu/040&oldid=- (Version vom 1.8.2018)