RE:Damaskos 1

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Hauptstadt Syriens
Band IV,2 (1901) S. 20422048
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Damaskos. 1) Die Hauptstadt Syriens (Gen. 14, 15 u. o. im Alt. Test. I Makk. 11, 62. 12, 32. Act. 9, 2ff. II Kor. 11, 32 u. a. im N. Test. Strab. XVI 755. 756. Ptolem. V 15, 9. 22. VIII 20. Berosus FHG II 509. Nicol. Dam. frg. 30. 31, FHG III 373. Porphyr. FHG III 710. 713. Poseidon. FHG III 276. Joseph. ant. IX 252ff. XI 317. XVIII 153f. u. o.; bell. Iud. oft; vita 27. Iustin. XXXVI 2, 1f. Mela I 62. Plin. n. h. V 66. 74. 88. 89. XXXVI 61. XXXVII 143 u. ö. Theophr. h. pl. III 15, 3. Curt. III 8, 12. IV 1, 1. Flor. III 5. Ammian. XIV 8, 9. Arrian. anab. III 11, 15. Polyaen. IV 5. Diodor. XVII 32, 3. XIX 100, 5. XL 2. Hierocl. 717. Not. dign. or. XI 20. Iulian. ep. ad Serap. 24. Malal. Chron. XI 132. Euseb. Onom. ed. Lagarde 249, 30 = 114, 21f. u. o. Euseb. Chron. ed. Schoene I 251. 260. Tertull. c. Marc. III 13. Damascius in Phot. bibl. 348. Tab. Peut. Steph. Byz. Geop. X 39f. Isid. orig. IX 2, 3. XV 1, 15).

D. mit seinem Gartenland war eine grosse Oase am Rand der Steppe. Sobald der Barada die Schlucht des Antilibanos verlässt und in die Ebene kommt, beginnt die segenspendende Kraft seines Wassers der Ebene, die er durchfliesst, dem ager Damascenus, sich mitzuteilen. In sieben Armen spaltet sich der Fluss, die sich über die Ebene hin verteilen und so einen Platz schaffen, welcher, wie kein anderer Syriens, von der Natur als Stätte menschlicher Siedlungen begünstigt ist. Auf drei Seiten fassen Berge die Ebene von D. ein: im Norden die Ausläufer des Antilibanus, die sich nach Nordosten hinziehen; unmittelbar über der Stadt erhebt sich hier im Nordwesten der Dschebel Ḳâsjûn. Im Westen begrenzt sie der Hermon, im Süden die vulcanischen Hügelrücken des Dschebel Aswad und Dschebel el-Mâniʿ, jenseits welcher im Süden die Hauranebene beginnt. Der westliche Teil der Ebene, das grosse Gartenland, in welchem die Stadt liegt und das auf ihrer Süd- und Ostseite sich etwa drei Stunden weit ausdehnt, trägt den Namen el-Ghûṭa, der östliche Teil den Namen el-Merdsch. Ihr Ende findet sie ca. 6 Stunden östlich von D., bei den sog. Wiesenseen, deren grösster die Bahret el-Atebe ist. Aus den Gebirgsschluchten des Antilibanus strömen eine Anzahl Bäche in die Ghûṭa herunter; ausser dem schon genannten Barada (s. Chrysorrhoas Nr. 8) im Norden der Ebene sind zu nennen der Nahr Barbar und der Nahr el-Aʿwadsch (letzterer der Pharphar des alten Testaments, II Reg. 5, 12) im Süden der Ebene. Alle diese Bäche verlaufen sich im Osten in den Wiesenseen, die im Frühjahr und Sommer ziemlich viel Wasser haben, im Herbst und Winter aber nur als Steppensümpfe bezeichnet werden können. Dank diesem Überfluss an Wasser ist die nächste Umgebung von D. ausserordentlich fruchtbar, sie ist ein grosser, grüner Garten mit Pappeln, Wallnüssen, Aprikosen, Granaten, Mandeln und anderen Bäumen, sowie Weinreben, die sich in gewaltigen Ranken von Baum zu Baum schlingen. Ein solcher [2043] Garten ist das Ideal des Orientalen zu allen Zeiten gewesen. Er nennt deshalb heute noch die Stadt ein ‚Paradies‘, die ‚Perle des Orients‘, und was dergleichen Bilder mehr sind. Aber auch die Alten bewunderten die Fruchtbarkeit der Gegend (Strab. XVI 756. Plin. n. h. V 74) und die vieler Gärten um die Stadt her (Flor. a. a. O. per nemora illa odorata, per turis et balsami silvas). Plinius (n. h. XIII 51. 54. XV 43) rühmt die schönen Damascener Pflaumen und die grossen Terebinthen; letztere lobt auch Theophrast (a. a. O.); Poseidonios (a. a. O.) preist den Wein, der derselbe sei wie in Chalybon (s. d.).

In dieser Lage liegt das Geheimnis der Bedeutung, welche die Stadt durch die Jahrhunderte hindurch gehabt hat, und ihrer Lebenskraft. So oft sie auch erobert und verwüstet worden ist, ist sie doch immer wieder neu erstanden. Das macht, dass ihre Fruchtbarkeit unverwüstlich ist, so lange die unversieglichen Wassermengen des Barada sie durchströmen. Und damit verbindet sich die Lage am Rand der Wüste, an dem Punkt, wo die grossen natürlichen Handelsstrassen sich kreuzen, welche die Wüste mit der Cultur, das Abendland mit dem Morgenland verbinden. Für alle die Karawanen, die von Nordsyrien nach Arabien, vom Euphrat zum Nil, vom persischen Meer zum Mittelmeer ziehen, ist D. zu allen Zeiten der gegebene grosse Haltepunkt gewesen; und so ist es zur Sammelstelle, zum Mittelpunkt des ganzen Handels im Orient geworden. Erst der Suezcanal hat diesem Landhandel den Todesstreich gegeben, und seitdem geht D. von Jahr zu Jahr zurück. Doch bleibt ihm immer noch die Bedeutung des grossen Marktes für die Steppe Innersyriens und ihre Bewohner; sie ist damit stets und noch heute der gegebene Mittelpunkt für Syrien und die Hauptstadt für alle Beherrscher des syrischen Reiches.

Wir verstehen so, dass der Ursprung von D. in die älteste Zeit hinaufreichen muss (Joseph. ant. I 145 = Genesis 10, 22. Ammian. a. a. O.). Eine Menge von Mythen über ihren Ursprung und die Bedeutung ihres Namens sind bei Juden, Christen und Muhammedanern verbreitet gewesen (Damascius a. a. O. Euseb. Onom. 181, 78. 190, 22. 202, 65 = 5, 6. 41, 19 u. o. Steph. Byz. Isid. a. a. O.). Die Sage bringt die Stadt auch in Verbindung mit Abraham, der König von D. gewesen sein soll (Iustin. a. a. O. Nicol. Damasc. bei Joseph. ant. I 159f. Genesis 14, 15. 15, 2). Nach der Meinung des Propheten Amos ist die Stadt gegründet von Leuten (Aramäern), welche aus Kir hergekommen sind; aber wo er dieses Land selbst sich denkt, wissen wir nicht (Amos 9, 7). Die Liste der eroberten palästinensischen Städte von Thutmosis III. nennt D. als Ti-mas-ḳu (16. Jhdt. v. Chr.); Ausgangs des 15. Jhdts. wird die Stadt in den Tell-Amarna-Briefen als Ti-masch-gi erwähnt. Ende des 13. Jhdts. kam Ramses III. mit diesen Gegenden in feindliche Berührung, eine Liste aus seiner Zeit nennt die Stadt Ti-ra-maski (Müller Asien und Europa 227). Die Einsetzung des r in den Namen ist vielleicht auf aramäischem Einfluss zurückzuführen; dann haben wir darin ein Zeugnis dafür, dass schon in dieser frühen Zeit die Aramäer in jenen Gegenden sassen. Die doppelte Form des Namens begegnet [2044] uns auch in der biblischen Überlieferung, die Form mit r findet sich in den späteren Schriften (I Chron. 18, 5. II Chron. 28, 5), und ist dann die herrschende Form im Aramäischen. Steph. Byz. kennt ebenfalls beide Formen.

In ein helleres Licht der Geschichte tritt D. vom 11. Jhdt. an, seit die Berührungen mit dem israelitischen Staat zahlreicher werden. In dieser Zeit jedenfalls sind jene Gegenden bereits seit langem im Besitz der Aramäer, und D. ist der Mittelpunkt eines aramäischen Reiches, welches sich rasch zum mächtigsten Staat Syriens entwickelte (vgl. auch Art. Syria). Wenn das alte Testament (II Sam. 8, 5ff.) erzählt, dass David nach dem Sieg über dieses Aramäerreich auch D. unterworfen und in ihr Gebiet einen jüdischen Statthalter mit Garnison gelegt habe, so ist das zum mindesten nicht von Dauer gewesen. Denn sofort nachher (I Reg. 11, 23ff.) und für die Folgezeit finden wir D. als selbständiges Reich unter einem Usurpator Reṣon. Seinem Nachfolger gelang es, D. zum mächtigsten Staat in Syrien zu machen. Naturgemäss konnte das nicht ohne Conflict mit dem benachbarten Reich Israel abgehen. Die beiden grössten Reiche jener Gegenden, die beide aneinander stiessen, mussten immer wieder in Streit geraten. D. musste seine Macht nach Westen zum Meer vorzuschieben suchen. Da sperrte ihm Israel den Weg. Die grosse Handelsstrasse von D. zur Küste, die via maris des Mittelalters, führte durch israelitisches Gebiet, und Israels König hatte es in der Hand, den Handel von D. so gut wie ganz vom Meere abzuschliessen. Die Spaltung von Israel in ein Nord- und Südreich war das Glück für D. Sie schwächte diese Staaten, und so finden wir bald das kleine Juda wenigstens in einer gewissen Abhängigkeit von D. (I Reg. 15, 18ff.). Die Kriege zwischen D. und dem israelitischen Reich setzten sich dann fort, meist mit Erfolg für D., das unter Biridri (ca. 885–844) den Höhepunkt seiner Macht erstieg. Von Israel erzwingen sich die Damascener das Recht, in der israelitischen Hauptstadt Samaria Handelsquartiere anzulegen (I Reg. 20, 34. Nic. Dam. frg. 31, FHG III 373f.). Erst der israelitische König Ahab kämpfte wieder mit Erfolg gegen die Syrer, aber auch ihm gelang es nicht vollständig, ihr Joch abzuschütteln. In der Schlacht von Karkar 854 musste er nach den assyrischen Denkmälern Biridri Heeresfolge gegen die Assyrer leisten.

An Assyrien hatte nunmehr das Aramäerreich den überlegenen Gegner gefunden. Auch für die Assyrer war es eine Lebensfrage, nach Westen zum Meer freien Zugang zu haben, also den Staat zu unterwerfen, welcher den Weg zu den phoinikischen Häfen beherrschte, nämlich D. Die ersten Angriffe freilich waren erfolglos; die fünf Züge, welche Salmanassar II. gegen D. in den Jahren 854–839 machte, waren keine Siege, eher Niederlagen für die Assyrer. Die Aramäer konnten gerade damals unter Haṣael (ca. 844–804?) wieder mit grosser Kraft gegen Israel sich wenden und auch Juda unterwerfen. Erst unter Haṣaels Nachfolger Mari trat der Umschwung ein. Rammanirari III. machte 803 D. tributpflichtig, und nun konnte sich Israel unter Jerobeam II. wieder unabhängig machen. Eine Reihe weiterer Einfälle [2045] der Assyrer unter Salmanassar III. nach Westen (in den J. 773–755) brach die Macht von D. immer mehr, bis endlich unter Maris Nachfolger Reṣin die Stadt von Tiglat-Pileser belagert und erobert wurde. Die ganze Umgebung wurde verwüstet, die Gärten und Bäume zerstört, die Bevölkerung deportiert und das Land zur assyrischen Provinz gemacht. D. hatte seine politische Rolle auf lange hinaus nun ausgespielt; es verschwindet auch für längere Zeit fast gänzlich aus der Litteratur.

Die Stadt selbst scheint sich rasch erholt zu haben. Schon Ezechiel (27, 18) nennt sie als bedeutende Handelsstadt. In der Perserzeit ist sie wieder zu vollem Glanz erblüht. Strabon (a. a. O.) nennt sie πόλις ἀξιόλογος, σχεδόν τι καὶ ἐπιφανεστάτη τῶν ταύτῃ κατὰ τὰ Περσικά. Dareios brachte vor der Schlacht von Issus seine Familie und seine Schätze dort in Sicherheit. Aber durch Verrat kam D. nach der Schlacht in die Hände des Parmenion (Curt. a. a. O. Arrian. a. a. O. Polyaen. IV 5. Diodor. XVII 32). Von da an gehörte sie zum Reiche Alexanders d. Gr., der dort auch Münzen prägen liess (L. Müller Numismatique d’Alexandre le Grand 287f. pl. 1338–1346).

Nach dem Tode Alexanders wechselte die Stadt mehrfach die Herren. Im J. 320 bemächtigte sich Ptolemaios I. Syriens und wohl auch der Stadt D.; 314 wurde ihm Syrien und Palästina wieder von Antigonos genommen (Diod. XIX 100, 5). Dann war sie abermals im Besitz des Ptolemaios II. Philadelphos (283–247; Porphyr. a. a. O.), welchem Antiochos I. (280–262) sie wieder entriss (Polyaen. IV 15). Als dann 246 v. Chr. Seleukos II. fast ganz Syrien an Ptolemaios III. verlor, wurde D. wahrscheinlich nur belagert, nicht erobert und 242/1 von Seleukos entsetzt (Euseb. Chron. ed. Schoene I 251 armen. Text, nach der Übersetzung Petermanns, vgl. Schürer Gesch. d. jüd. Volkes³ III 117 Anm. 199). Bei der Teilung des syrischen Reiches im J. 111 v. Chr. fiel D. mit der Südhälfte an Antiochos IX. Kyzikenos und wurde dessen Hauptstadt, von wo aus er sein Reich Phoinikien und Koilesyrien regierte (Euseb. Chron. ed. Schoene I 260). Ebenso war es Hauptstadt des Reiches des Demetrios Eukairos, des vierten Sohnes des Antiochos VIII. Grypos, der mit Hülfe des Ptolemaios Lathuros dort König wurde (Joseph. ant. XIII 370). Ihm folgte ca. 87 v. Chr. Antiochos XII. Dionysos, ebenfalls ein Sohn des Antiochos Grypos, als König von D. (Joseph. Ant. XIII. 387ff.). Ihm suchte sein Bruder Philippos die Stadt wegzunehmen, aber ohne Erfolg. Aber schon nach kurzer Zeit, 85 v. Chr., fiel er in der Schlacht gegen den Nabataeerkönig Aretas (wahrscheinlich der dritte seines Namens, s. Aretas Nr. 3), welchen die Damaskener herbeigerufen hatten aus Hass gegen Ptolemaios Mennaios (Joseph. Ant. XIII 292; bell. Iud. I 103). D. blieb nun im Besitz der Araber; Aretas liess dort Bronzemünzen mit griechischer Inschrift prägen (Eckhel III 330). Da aus dem J. 243 seleuc. = 70/69 v. Chr. autonome Stadtmünzen vorhanden sind (Mionnet Suppl. VIII 193. De Saulcy a. a. O. 31 nr. 9), so muss sich die Stadt wieder eine Zeit lang von Aretas freigemacht haben. Dazu stimmt, dass von der Herrschaft [2046] des Aretas gar nichts erwähnt wird in dem Bericht des Josephus über den Zug Aristobuls nach D., welchen er angeblich um Ptolemaios Mennaios zu schützen unternahm (ant. XIII 418; bell. Iud. I 115). Im J. 66 liess Pompeius die Stadt durch seine Legaten Lollius und Metellus besetzen (Joseph. ant. XIV 27ff.; bell. Iud. I 127); im J. 64 kam er dann selbst dorthin und empfing dort die Gesandten und Geschenke der benachbarten Könige (Flor. a. a. O. Joseph. ant. XIV 33; bell. Iud. I 131).

D. gehörte nun zur römischen Provinz Syria. Nach Plinius (n. h. V 74) und Ptolemaios (V 15, 22) war sie eine Stadt der Dekapolis; auffallend ist, dass Josephus sie nicht als solche nennt, vielmehr Skythopolis als die grösste Stadt der Dekapolis bezeichnet (s. Art. Dekapolis). Aus der Zeit des Cassius (44–42 v. Chr.) wird uns der Name des römischen Befehlshabers von D., Fabius, genannt (Joseph. ant. XIV 295. 297; bell. Iud. I 236. 239). Im J. 38 gab Antonius Koilesyrien und einen Teil von Iudaea und Arabien an Kleopatra (Joseph. ant. XV 79. 91ff.; bell. Iud. I 359ff.). Die Königin selbst kam nach D. (Joseph. ant. XV 96; bell. Iud. I 362), und es finden sich aus den J. 275. 276. 280 seleuc. = 37. 36. 32 v. Chr. Münzen von D. mit dem Bilde der Kleopatra (Mionnet a. a. O. V 285. De Saulcy 30ff.). Dann besuchte der jüngere Herodes in D. den Sextus Caesar und erhielt von ihm Koilesyrien (im engeren Sinn). D. selbst gehörte nicht zu seinem Gebiet; trotzdem erwies er sich sehr wohlwollend gegen die Stadt und baute ihr ein Theater und ein Gymnasium (Joseph. bell. Iud. I 422). Wie ausgedehnt damals das Gebiet von D. war, zeigt der Umstand, dass unter Tiberius die Damaskener einen Grenzstreit mit den Sidoniern hatten; beider Gebiete grenzten also aneinander (Joseph. ant. XVIII 153f.). Eine Zeit lang kam die Stadt dann wieder an Aretas. Wir haben römische Kaisermünzen aus D. nur von Augustus und Tiberius und dann wieder vom neunten Jahr Neros an, aber keine von Caligula, Claudius und aus den ersten Jahren Neros. Das ist nicht Zufall, sondern (vgl. Schürer a. a. O.) ist mit der Thatsache zusammenzustellen, dass nach dem Bericht des Apostels Paulus D. damals, als er von dort floh (wahrscheinlich unter Caligula), nicht unter dem römischen Statthalter, sondern unter einem Ethnarchen des Königs Aretas stand. Vorübergehend hat also dieser Araberfürst die Stadt wieder in seinem Besitz gehabt. Wie er dazu gekommen, ob durch Waffengewalt oder durch kaiserliche Gunst, wissen wir nicht: das letztere ist nach v. Gutschmid (bei Euting Nabat. Inschriften 85, vgl. Schürer a. a. O.) das Wahrscheinlichere. Wie lange die Stadt in seinem Besitz blieb, ist ebenso wenig bekannt; jedenfalls stand sie von Nero an wieder unter den Römern. Beim Ausbruch des jüdischen Kriegs war dort eine ausserordentlich starke jüdische Colonie (auch durch das Neue Testament wird eine solche bezeugt, vgl. Act. 9, 2. II Korinth. 11, 32); nach Josephus sollen nicht weniger als 10 000 Juden damals dort umgebracht worden sein (bell. Iud. II 559ff. VII 368). Seit Hadrian trägt die Stadt auf den Münzen den Titel μητρόπολις; seit Severus Alexander ist sie römische [2047] Colonie (De Saulcy a. a. O. 37ff. 43. Mionnet V 283ff.). Im 2. Jhdt. bei der veränderten Provincialeinteilung gehört sie zu Phoenicia, dessen eigentliche Hauptstadt sie war, wenn auch Emesa die Würde einer Metropole der Provinz hatte (Ammian. Marc. a. a. O.). Bei der weiteren Zerstücklung der Provinzen, wie sie seit Diocletian begann, blieb D. bei Phoenice ad Libanum (Hauptstadt Emesa), während das Küstenland als Phoenice maritima losgetrennt wurde. Diese ganze Zeit hindurch scheint D. eine blühende Stadt mit grossem Handel und Verkehr geblieben zu sein. Diocletian legte dort grosse Waffenmagazine und Waffenfabriken an (Malala Chron. a. a. O.; vgl. Not. dign. a. a. O.). Möglicherweise geht der Ruhm der Damaskener Waffenschmiede bis auf diese Zeit zurück. Zur Zeit Iulians galt sie als eine der schönsten Städte; der Kaiser selbst nennt sie ἑῴας ἁπάσης ὀφθαλμόν (Iul. a. a. O.).

Auch unter den Byzantinern behielt die Stadt ihre Bedeutung als Grenzwacht gegen die Wüste. Sie wurde Sitz eines christlichen Bischofs, der dem Range nach der zweite im Patriarchat von Antiochien war. Eine Reihe der Bischöfe sind uns bekannt. Theodorus, der die heidnischen Tempel in Syrien zerstörte, verwandelte auch den grossen Tempel von D. in eine Kirche, und Iustinian baute dort eine neue Kirche. In den Kämpfen der Byzantiner und Perser hatte die Stadt viel zu leiden. Unter Heraclius (610–641) wurde der grosse Teil der Bewohner von D. nach Persien in die Sclaverei weggeführt.

Mit dem Islam begann für D. die dritte und glänzendste Periode seiner Geschichte. Nach der Schlacht am Iarmuk, in welcher die Macht der Byzantiner gebrochen wurde, fiel D. in die Hände der Araber unter Abu Ubeida und Châlid Ibn Welîd. Mit den Christen verfuhren dieselben glimpflich; der Besitz von 15 Moscheen wurde ihnen verbrieft. Muʿâwija (661–679) und seine Nachkommen, die Omaijaden, verlegten den Sitz des Chalifats nach D. Welîd (705–715) erbaute in D. an Stelle der alten Johanneskirche eine grossartige Moschee, welche von den arabischen Schriftstellern als Weltwunder gepriesen wird. Es war für D. ein harter Schlag, als im J. 750 die Abassiden den Schwerpunkt des Reiches von D. weg nach Bagdad in das Stromland des Euphrat und Tigris verlegten. In den folgenden Jahrhunderten hatte D. in den häufigen Unruhen und Kriegen viel zu leiden und wechselte mehrmals die Herrscher. Die Kreuzfahrer machten mehrfache vergebliche Versuche, die Stadt zu gewinnen; D. hielt alle Belagerungen aus. Dagegen musste es sich 1260 den Mongolen unter Hûlagû ergeben, fiel aber im gleichen Jahr noch an die Mamluken zurück. 1399 konnte D. sich nur durch schweren Tribut an Timur Tamerlan von der Plünderung loskaufen; damals wurden die berühmten Schwertschmiede nach Samarkand und Chorasan weggeführt. Seit 1516 (Sultan Selîm I.) ist D. dem türkischen Reiche einverleibt.

Litteratur: Forbiger II 651f. Mannert VI 1, 316ff. Rödiger in Ersch und Grubers Encycl. 5. Section XXII 2, 113–116. Smith Dictionary of Greek and Roman Geogr. I 749ff. Cheyne und Black Encycl. Biblica I 987ff. Die Bibelwörterbücher von Winer, Schenkel, Riehm. [2048] Ritter Erdkunde XVII 1332ff. Kremer Top. von Damascus (Denkschr. d. Wiener Akad., phil.-hist. Cl. V/VI 1854 u. 1855). Porter Five years in Damascus 1855. Robinson Neuere bibl. Forschungen 578–610. Ebers und Guthe Palaestina in Bild u. Wort I 389–442. G. A. Smith Historical geogr. of the Holy Land 639ff. Guy le Strange Palestine under the Moslems 224–273. Schürer Gesch. d. jüd. Volkes³ III 117ff. Baedeker Paläst. u. Syrien⁵ 329–354. Münzen s. bei Eckhel III 329–334. Mionnet V 283–297. Suppl. VIII 193–206. De Saulcy Numismatique de la Terre Sainte 30–56. Inschriften CIG 4512ff. Le Bas 2549–2551 c. Über die Zeitrechnung von D. vgl. Art. Aera Bd. I S. 634.