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(bell. Iud. I 398f.; ant. Iud. XV 343–353). Der König sollte vor allem das Räuberunwesen, das sich unter Zenodoros mit dessen Einverständnis in der Trachonitis eingenistet hatte und das den Handelsverkehr des Ostens mit dem Mittelmeer empfindlich schädigte (ant. Iud. XV 344f. 348. XVII 26. Strab. XVI 756), beseitigen; er ist sofort energisch gegen die räuberischen Araber eingeschritten und hat auch vorläufig Wandel geschaffen.

Bald darauf fand sich für ihn eine neue Gelegenheit, seine Ergebenheit gegen Rom auch [RE:70] persönlich zu erweisen. Im Winter 22/1 v. Chr. ( Schürer I³ 369, 11 hält auch den vorhergehenden Winter für möglich, doch s. das auf S. 72 Anm. über die Chronologie von ant. Iud. XV c. 10 Bemerkte) hat er Agrippa, der sich damals, mit einem außerordentlichen Kommando für den Osten bekleidet, in Mytilene aufhielt, seine Aufwartung gemacht (ant. Iud. XV 350). Dieser Besuch, der übrigens erst erfolgte, als sich die seit 23 v.Chr. bestehende Spannung zwischen Augustus und seinem alten Freunde Agrippa zu lösen begann – H. hat sich zu seinem Besuche 1½ Jahre Zeit gelassen (ganz anders handelt er bei dem zweiten Aufenthalt Agrippas im Osten, s. S. 75) – scheint den Grund zu dem intimen Verhältnis zwischen H. und Agrippa gelegt zu haben (bei Josephus wird dieses Verhältnis vorausgenommen. Gardthausens [Augustus I 734] spezielle Vermutungen sind, zumal in Anbetracht der neuen Chronologie des Besuches, abzulehnen).

Nicht lange darauf, im J. 20 v. Chr., als Augustus auf seiner Fahrt nach dem Osten auch Syrien besuchte, ist hier auch eine Zusammenkunft des Kaisers mit H. erfolgt, die diesem neuen Ländergewinn gebracht hat. Augustus verlieh ihm nämlich den Rest der alten Tetrarchie des Zenodoros, die soeben durch dessen Tod freigeworden war, die Landschaften Ulatha und Panias mit den Nachbarbezirken, im Nordosten an Galiläa angrenzend und dieses mit der Trachonitis verbindend, so daß dem Könige jetzt hier ein ausgedehntes geschlossenes Gebiet gehörte (bell. Iud. I 400; ant. Iud. XV 354–360. Cass. Dio LIV 9). Aus dem Lande östlich des Jordans, aus Peräa, wurde damals freilich eine eigene Tetrarchie, also ein Teilfürstentum, gebildet, welches mit Genehmigung des Kaisers der einzige noch lebende Bruder des H., Pheroras, erhielt (bell. Iud. I 483; ant. Iud. XV 362). Dem Pheroras dürfte sein Amt wohl nur für die Lebenszeit [RE:71] des H. verliehen gewesen sein (ant. Iud. XV 362 zeigt, daß die Einkünfte aus der Tetrarchie als nach dem Tode des Königs fortfallend angesehen werden). Die Oberhoheit des H. ist anscheinend gewahrt geblieben (s. bell. Iud. I 483; s. S. 122). Aber trotzdem muß man in der Schaffung der besonderen transjordanischen Tetrarchie eine Schwächung der Macht des jüdischen [74] Königs sehen, zumal da die Einkünfte dieses Gebiets durchweg dem Tetrarchen zuflossen. So wird man sie kaum, wie es nach Josephus scheinen möchte, als das alleinige Werk des H. ansehen – er wird nur von Augustus die Einsetzung seines Bruders als Tetrarchen erbeten haben –, sondern viel eher als einen Ausfluß der römischen Politik, welche die schwierig zu beherrschenden Landstriche zwar einer starken Hand unterstellen, aber zugleich deren Macht gewisse Schranken auferlegen wollte (man vgl. hierzu die Ernennung des H. und Phasael zu Tetrarchen durch Antonius, s. S. 24). Denn das Reich des H. hatte allmählich einen recht bedeutenden Umfang erreicht, der fast das doppelte des früheren betrug; erstreckte es sich doch jetzt von dem Gebiet von Damaskos bis nach Ägypten!

Direkte Schwierigkeiten wollte man selbstverständlich einem Manne wie H. nicht bereiten. Dies zeigt uns besonders deutlich das Verhalten, das man in jener Zeit gegenüber den Bewohnern der einst dem H. geschenkten griechisch-palästinischen Stadt Gadara beobachtete, als diese sich wiederholt bei Rom über das tyrannische Regiment des Königs beschwerten und ihm die größten Schandtaten vorwarfen; sowohl von Agrippa, als auch von Augustus sind die Beschwerdeführer in brüsker Form abgewiesen worden (ant. Iud. XV 351. 354ff.; Münzen von Gadara mit dem Bilde des Augustus und der Umschrift Σεβαστός aus dem J. 20 v. Chr. sind wohl als eine feine Dankeskundgebung für die kaiserliche Entscheidung zu fassen, s. de Saulcy Numismat. de la Terre sainte 295). Augustus hat dann auch den Beamten der römischen Verwaltung in Syrien eingeschärft, durchweg im Einvernehmen mit H. die Angelegenheiten Syriens zu erledigen, hat aber natürlich dem Vasallen H. keine Aufsichtskompetenzen über sie eingeräumt, obwohl eine Angabe des Josephus dies nahezulegen scheint.[1]


  1. Bell. Iud. I 399: κατέστησεν δὲ αὐτὸν καὶ Συρίας ὅλης ἐπίτροπον ... ὡς μηδὲν ἐξεῖναι δίχα τῆς ἐκείνου συμβουλίας τοῖς ἐπιτρόποις διοικεῖν; ant. Iud. XV 360: ἐγκαταμίγνυσιν δ’ αὐτὴν τοῖς ἐπιτροπεύουσιν τῆς Συρίας ἐντειλάμενος μετὰ τῆς ἐκείνου γνώμης τὰ πάντα ποιεῖν. Die Stellen sind dunkel, in der zweiten fehlt wohl einiges, jedenfalls scheint es mir ausgeschlossen, ἐπίτροπος hier in der technischen Bedeutung Prokurator aufzufassen, schon deswegen, weil nicht nur römischen Beamten, sondern auch H. diese Bezeichnung zuerteilt wird (ebenso ist z. B. bei der Angabe der von Caesar dem Vater des H., Antipatros, verliehenen Stellung das Wort ἐπίτροπος bei Josephus nicht in der technischen Bedeutung gebraucht, bell. Iud. I 199: πάσης ἐπίτροπος Ἰουδαίας; vgl. ant. Iud. XIV 143, auch 166). Ganz unmöglich ist es natürlich, mit Gardthausen a. a. O. I 818 hieraus die Ernennung des H. zum Generalsteuerpächter Syriens zu folgern. Will man im bellum das ὅλης nicht in Κοίλης ändern (so zuerst Marquardt Röm. St-V.² I 408, 2, der jedoch H.s ganze Stellung falsch wertet), so muß man die Angabe des bellum als starke Übertreibung fassen, die etwas Unmögliches, die Überordnung des Vasallen H. über eine ganze römische Provinz, ergibt (s. hierzu S. 21, wo das gleiche WS: Die auf der nächsten Seite fortgesetzte Anmerkung wurde hier vervollständigt Unmögliche schon einmal abgelehnt ist), und muß die Erklärung auf die Stelle der antiquitates – vor allem γνώμη (das συμβουλία im bellum stellt schon wieder eine Verstärkung dar) – aufbauen. Bei Änderung des ὅλης in Κοίλης im bellum ließe sich ja die bellum-Stelle zur Not halten, wenn man sie mit Angaben wie bell. Iud. I 213; ant. Iud. XIV 180 auf eine Stufe stellt; da aber die Änderung einen Widerspruch zu der antiquitates-Stelle in der überlieferten Fassung herbeiführt, so erscheint es mir methodischer, sie zu unterlassen.
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Walter Otto: Herodes. Beiträge zur Geschichte des letzten jüdischen Königshauses. Metzler, Stuttgart 1913, Seite 73. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Otto_Herodes.djvu/057&oldid=- (Version vom 12.11.2022)