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Seite:Otto Herodes.djvu/120

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5) Die beiden den Herodesnamen als Individualnamen führenden Söhne Herodes’ I.


Herodes (eigentlich Iulius Herodes, s. S. 19), Sohn des Königs Herodes I. aus seiner Ehe mit Mariamme II., der Tochter des aus Alexandrien stammenden Hohenpriesters Simon, des Sohnes des Boethos (Joseph. bell. Iud. I 557. 562; ant. Iud. XVII 14. 19. XVIII 109. 136). Es ist falsch, ihm, wie es immer noch öfters geschieht, außer dem Dynastienamen auch noch den Namen Philippos beizulegen[1]. Denn wenn bei Marc. VI 17 an einer Stelle, wo man den Namen H. erwartet, ein Philippos erscheint (die Parallelstellen Matth. XIV 3 und Luk. III 19 geben in der Überlieferung keinen Namen), so ist es unmethodisch, hieraus einen Namen Herodes Philippos zu konstruieren. Doppelnamen finden sich nämlich von Haus aus bei den Herodeern nicht, und auch der Ausweg, Philippos habe später den Dynastienamen angenommen, ist ungangbar, da ein solches Verhalten bei ihm, der stets Privatmann geblieben ist, ausgeschlossen ist. Außerdem sei noch ein entscheidendes Moment gegen die ursprüngliche Führung des Namens Philippos durch H. hervorgehoben: bei Josephus, der bei den Herodeern die Individualnamen vor dem Dynastienamen bevorzugt (s. Herodes Archelaos, auch Herodes Antipas), erscheint der Name Philippos für unsern H. niemals, sondern aus ihm (a. e. a. O.) ergibt sich gerade H. als der Individualname; dagegen setzt im Gegensatz zu Josephus das Neue Testament gerade die Individualnamen gegenüber dem Dynastienamen zurück (s. vor allem Herodes Antipas; auch Agrippa I., vgl. meinen Art. Herodes Agrippa I. in Pauly-Wissowas Realencykl. Suppl.-Heft II 167f.), so daß man hier die Anwendung des Namens H. im Falle des Vorhandenseins eines Doppelnamens erwarten würde. Die Nennung des Philippos bei Marc. VI 17 ist demnach nicht als eine bedeutsame Erweiterung unserer Kenntnisse, sondern vielmehr als ein genealogisches Versehen aufzufassen; sie ist auf die falsche Auffassung zurückzuführen, daß der erste Gemahl der Herodias [200] deren Oheim, der Tetrarch Philippos, gewesen sei, was sich wiederum aus der besonderen verwandtschaftlichen Verbindung der beiden Personen – Philippos war der Gemahl der Tochter der Herodias – erklärt (dieselbe falsche Auffassung, die durch die Evangelienstelle hervorgerufen sein dürfte, hat übrigens schon den slavischen Bearbeiter von Josephus’ bellum Iudaicum bewogen, entgegen den Angaben des griechischen Josephus den Tetrarchen Philippos als ersten Gemahl der Herodias zu bezeichnen; s. den slavischen Zusatz zu bell. Iud. II 9 c. 1, publ. von A. Berendts Die Zeugnisse vom Christentum im slavischen ‚de bello Iudaico‘ d. Joseph., Text. u. Unters. z. Gesch. d. altchristl. Liter. N. F. XIV 4. Berendts geht freilich völlig in die Irre, wenn er diesen Zusatz als auf Josephus selbst zurückgehend annimmt, wodurch, wenn dies richtig wäre, die ganze hier behandelte Frage ein anderes Gesicht erhalten würde. Gegen Berendts auch bereits mit Recht Schürer Theol. Lit.-Ztg. 1906, 265ff. Auch ein koptisches apokryphes Evangelienfragment nennt als ersten Gemahl der Herodias einen Philippos, publ. von Revillout Journ. asiat. X. Sér. V 443ff.).

H. kann, da die Hochzeit der Eltern um 23 v. Chr. stattgefunden hat (s. S. 131ff.), um 22 v. Chr. geboren sein. Seine beiden Stiefbrüder Archelaos, der älteste Sohn der Malthake, und Philippos, der älteste Sohn der Kleopatra (s. S. 165 und 202), sind allerdings älter als er gewesen (Joseph. bell. Iud. I 646; ant. Iud. XVII 664), doch braucht man deswegen seine Geburt nicht weiter, als es geschehen ist, von der Hochzeit seiner Eltern abzurücken; denn es ist möglich, daß Herodes I. die beiden anderen Frauen nicht erst nach der zweiten Mariamme, sondern schon vor ihr geheiratet hat (s. S. 131).

Um 6 v. Chr. hat Herodes I. unseren H. mit einer der Töchter seines hingerichteten Sohnes Aristobulos verlobt (bell. Iud. I 557; ant. Iud. XVII 14). Mit welcher ist nicht angegeben; da jedoch später Herodias seine Gemahlin geworden ist, so wird man dazu neigen, in ihr und nicht in ihrer Schwester Mariamme seine Verlobte zu sehen. Aber sicher ist dieser Schluß nicht. Die andere der Töchter des Aristobulos wird nämlich gleichzeitig mit dem Sohne des ältesten Herodes-Sohnes, des damals allmächtigen Antipatros, verlobt, und aus allgemeinen Gründen, auch aus der Form der Erzählung des Josephus kann man geneigt sein, in dieser Tochter die ältere Schwester, d. h. eben doch wohl Herodias (s. S. 203) zu sehen. Diese Tochter ist schließlich sogar auf den Wunsch des Antipatros diesem selbst verlobt worden (Joseph. bell. Iud. I 565; ant. Iud. XVII 18), was auch auf die ältere hinweist. Mit seinem Sturz ist sie natürlich freigeworden. Es ist nun aber wahrscheinlich,


  1. Schürer Gesch. d. jüd. Volk. I³ 435, 19 ist mit seiner gegenteiligen Auffassung unbedingt im Recht, wenn auch seine Gegengründe nicht alle zwingend sind. So z. B. der eine, daß der Name Philippos bereits unter den Söhnen Herodes’ I. vertreten sei; denn die zweimalige Anwendung desselben Namens für Geschwister begegnet uns in hellenistischer Zeit sehr häufig, und auch gerade in der Familie Herodes’ I. findet sich hierfür ein Beispiel – nicht so sehr die zweimalige Verwendung des Namens Herodes, als die Benennung zweier Söhne mit Antipatros und Antipas; denn der letztere Name ist ja nur die ionische Abkürzung des ersten Namens, und beide Namen treten uns als durchaus identisch gerade bei dem Vater des Königs entgegen; s. W. Schulze Ztschr. f. vergl. Sprachforsch. XL 409, 3.
Empfohlene Zitierweise:
Walter Otto: Herodes. Beiträge zur Geschichte des letzten jüdischen Königshauses. Metzler, Stuttgart 1913, Seite 199. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Otto_Herodes.djvu/120&oldid=- (Version vom 11.6.2023)