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daß damals auch das Verlöbnis des H. gelöst worden ist, denn auch er und seine Mutter, die um Antipatros’ Umtriebe gewußt hatte, sind in dessen Sturz mithineingezogen worden; Mariamme wurde vom Hofe verbannt, und er, den sein Vater vor kurzem in seinem Testamente zum Nachfolger eingesetzt hatte, falls der eigentliche Thronfolger Antipatros vor dem Könige sterbe, ist vollständig enterbt worden (bell. Iud. I 573. 588. 600; ant. Iud. XVII 53. 78). Daß trotz dieser vollen Ungnade das Verlöbnis bestehen geblieben sei, ist kaum anzunehmen; im J. 5 v. Chr. wären also somit beide Töchter des Aristobulos wieder freigeworden. Denn Keim Schenkels Bibellexikon 46 setzt die Verheiratung des H. mit Herodias unbedingt zu Unrecht schon in das J. 5 v. Chr., und zwar noch vor den Sturz des Antipatros, da damals Herodias noch viel zu jung zur Heirat gewesen wäre (s. S. 203).

Wann die Heirat mit Herodias wirklich erfolgt ist, läßt sich auch nicht vermutungsweise irgendwie genauer angeben. Auch die Zeit, wo diese Ehe, aus der eine Tochter, Salome, entsproß (Joseph. ant. Iud. XVIII 136), wieder gelöst wurde, ist schwer ganz genau zu bestimmen und noch sehr strittig. Vor 26 n. Chr. dürfte es allerdings sicher gewesen sein und vielleicht schon um 14/5 n. Chr. (s. S. 186ff.).

Die Lösung der Ehe ist von Seiten der Herodias ausgegangen (Joseph. ant. Iud. XVIII 109ff.), um eine neue Ehe mit ihrem Onkel Herodes Antipas eingehen zu können. Dieser hatte eine leidenschaftliche Zuneigung zu ihr gefaßt; auch sie scheint sich in ihn verliebt zu haben (s. S. 204), und außerdem mag der ehrgeizigen Frau das Leben mit dem ganz anders gearteten Gatten nicht mehr zugesagt, ihr garnichts für die Zukunft versprochen zu haben.

Denn H. ist, trotzdem ihn einst sein Vater als Thronfolger ausersehen hatte, sein Leben lang Privatmann geblieben und hat sich anscheinend auch gar nicht nach der Krone gesehnt: als im J. 4 v. Chr. in Rom die verschiedensten Bewerber um die Herrschaft Herodes’ I. auftraten, hat er allein keine Ansprüche auf sie geltend gemacht (Josephus bietet uns hierüber nichts, und daß sein Schweigen den Tatsachen entspricht, scheint mir Nikol. Damasc. frg. 5 [FHG III 353f.] zu bestätigen, wo die verschiedenen Bewerber kurz nebeneinander aufgezählt werden und unser H. unter ihnen nicht erscheint). Er scheint also anders als seine Frau und seine Brüder keinen Ehrgeiz besessen zu haben. Er ist, soweit wir sehen, in der Heimat geblieben. Die sich auch sogar noch in der Encykl. bibl. II 2032 findende (ganz falsch Diction. de la bibl. III 649) Behauptung, er habe in Rom gelebt, als sich die Eheaffäre in seinem Hause abspielte, ist schon von Brann Monatsschr. f. Gesch. u. Wissensch. d. Judent. XXII 408, 2 mit Recht zurückgewiesen worden. Sein Aufenthaltsort dürfte vielmehr damals eine jüdische Hafenstadt gewesen sein, da Herodes Antipas direkt von ihm aus seine Reise nach Rom zu Schiff angetreten zu haben scheint (Joseph. ant. Iud. XVIII 111). Grätz Gesch. d. Juden III 1⁵, 345, 2 denkt meines Erachtens mit gutem Recht an den besten Hafen Palästinas, Kaisareia, andere (s. Brann a. [202] a. O. 408) an Azotos, weil diese Stadt einst die Großmutter der Herodias (Salome) besessen und diese sie aus der Erbschaft erhalten habe, dies letztere jedoch eine sehr unwahrscheinliche Vermutung (Rom dürfte vielmehr die Stadt wohl eingezogen haben; s. aber immerhin Schürer a. a. O. II⁴ 126).

Möglicherweise gehört schließlich auch unser H. zu jenen vier Söhnen Herodes’ I., welche nach Philon leg. ad Gaium § 38ff. bei Pontius Pilatus gegen die Anbringung goldener Weiheschilde mit dem Namen des Kaisers und des Pilatus im königlichen Palast zu Jerusalem protestierten und die sich dann wohl auch dem darob an Tiberius abgehenden Bittgesuch der vornehmsten Juden angeschlossen haben[1]. H. würde dann noch in den 30er Jahren in Palästina gelebt haben.




Herodes (eigentlich Iulius Herodes, s. S. 19), Sohn Herodes’ I. und seiner Gemahlin Kleopatra, einer Jüdin aus Jerusalem, der jüngere Bruder des Tetrarchen Philippos. In der genealogischen Aufzählung bei Josephus (bell. Iud. I 562; ant. Iud. XVII 26) wird er zwar vor diesem genannt, aber Philippos wird an anderer Stelle ausdrücklich neben Archelaos als der älteste Sohn des Königs bezeichnet (bell. Iud. I 646): eine bedeutungsvolle Warnung, der genealogischen Reihenfolge bei Josephus nicht unbedingt Glauben zu schenken (s. S. 175). Der Ausweg, H. sei zwar der ältere Bruder gewesen, sei aber jung vor Philippos gestorben (so z. B. schon Nolde Histor. Idumaea II 370) und werde daher von Josephus in der zweiten Stellengruppe nicht berücksichtigt, ist wenig wahrscheinlich, da sich in diesem Falle wohl ein einschlägiger Vermerk in der einige andere Vermerke bietenden Genealogie finden würde. Wann H. geboren ist, läßt sich nicht näher bestimmen. Da aber sein Bruder Philippos zur Zeit des Todes des Vaters, 4 v. Chr., seinem ganzen Auftreten nach bereits einigermaßen erwachsen gewesen sein muß – im J. 5 v. Chr. ist sein Studienaufenthalt in Rom beendet gewesen (Joseph. bell. Iud. I 602f.; ant. Iud. XVII 80), – so könnte auch H. noch um 20 v. Chr. geboren worden sein.

Über sein Leben erfahren wir nichts. Sollte er einer der vier Söhne Herodes’ I. sein, deren Beschwerde bei Pontius Pilatus wegen der Anbringung anstößiger goldener Weiheschilde mit dem Namen des Kaisers und des Pilatus am königlichen Palast zu Jerusalem von Philon leg. ad Gaium § 38 erwähnt wird (s. den vorigen Artikel), so würde er noch um 30 n. Chr. in Palästina gelebt haben.


  1. Schürer a. a. O. I³ 434. 491f. Brann a. a. O. 319ff. erhebt zwar gegen die ganze Philonerzählung Bedenken, weil Pilatus durch die Anbringung der Schilde nicht eine nach dem jüdischen Gesetz anstößige Handlung begangen habe; es ist ja nun sehr wohl möglich, daß Philon den ganzen Vorgang seinem besonderen Zweck entsprechend abgeschwächt wiedergegeben hat, aber zu beseitigen ist Philons Erzählung nicht, und die Erregung kann sehr wohl durch das jüdische Mißtrauen einer möglichen Gesetzesverletzung (s. den gleichen Vorgang bei der Aufstellung der τρόπαια durch Herodes I., Joseph. ant. Iud. XV 276) verursacht worden sein.
Empfohlene Zitierweise:
Walter Otto: Herodes. Beiträge zur Geschichte des letzten jüdischen Königshauses. Metzler, Stuttgart 1913, Seite 201. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Otto_Herodes.djvu/121&oldid=- (Version vom 12.6.2023)