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Gut gewährt, den Frieden ohne Krieg. Denn der in Staaten herrschende Friede ist mit innerem Krieg vermengt,[1] der Seelenfrieden dagegen ist frei von allem Zwist. 175 Am deutlichsten scheint mir aber (die Schrift) das Finden ohne Suchen mit den folgenden Worten zu bezeichnen: „Wenn Gott der Herr dich in das Land führen wird, das er dir geben will, nach dem Schwur, den er deinen Vätern geleistet hat: große und schöne Städte, die du nicht erbaut hast, mit allen Gütern angefüllte Häuser, die du nicht angefüllt hast, gemauerte Zisternen, die du nicht gemauert, Wein- und Ölgärten, die du nicht gepflanzt“ (5 Mos. 6, 10. 11). 176 Siehst du den Reichtum der ausgebreiteten großen Güter, die zu Besitz und Genuß bereitliegen? Mit Städten werden nun die allgemeinen Tugenden verglichen, weil sie die größte Ausdehnung haben, mit Häusern die Einzeltugenden,[2] denn diese beschränken sich auf einen kleineren Kreis, mit Zisternen die gut veranlagten Seelen, die für Weisheit aufnahmefähig sind wie jene für Wasser, mit Wein- und Ölgärten die Fortschritte, Wachstum und Entstehung von Früchten; eine Frucht aber der Wissenschaft ist das theoretische Leben, das eine reine Heiterkeit erzeugt, wie sie der Wein spendet, und ein geistiges Licht, wie es einer Flamme entspringt, deren Nahrung Öl ist.

[32] 177 Nachdem wir dieses auch über das Finden gesagt haben, wenden wir uns der Reihenfolge nach den Begleitumständen des Zusammentreffens zu. Es heißt nun: „Es fand sie ein Engel des Herrn bei der Wasserquelle“ (1 Mos. 16, 17). Das Wort Quelle wird in mannigfachem Sinne gebraucht, einmal für unseren Geist, zum andern für die vernünftige Verhaltungsweise und Bildung, drittens für den schlechten Zustand (der Seele), viertens für den diesem entgegengesetzten guten Zustand, fünftens für den [573 M.] Schöpfer und Vater des Alls selbst. 178 Die Zeugnisse dafür offenbaren die aufgezeichneten Gottesworte; wir müssen nachforschen, welches sie sind. Eines wird zu Anfang des Gesetzeswerkes gleich nach der Weltschöpfung ausgesprochen; es lautet: „Eine Quelle stieg empor aus der Erde und


  1. Vgl. Ü. d. Verwirrung d. Spr. § 47ff.
  2. Während Philo meist der einen allgemeinen Tugend die vier Kardinaltugenden als Einzeltugenden entgegensetzt (z. B. All. Erkl. I § 63ff. Über die Geburt Abels § 27f., 84), werden an anderen Stellen diese selbst als allgemeine Tugenden bezeichnet im Verhältnis zu ihrer jeweiligen Verwirklichung in der Einzelseele (vgl. Ü. d. Namensänd. § 79) oder ihren Unterarten (so hier und bei Auslegung derselben Bibelstelle Über die Unveränderlichkeit Gottes § 94f. Über die Trunkenheit § 138; vgl. Arnim III 264).
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Flucht und das Finden. H. & M. Marcus, Breslau 1938, Seite 95. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloFugGermanAdler.djvu/046&oldid=- (Version vom 21.5.2018)