Thüringer Sagenbuch. Erster Band/Das Hörseelbergsloch

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Das lied von dem Danheüser Thüringer Sagenbuch. Erster Band
von Ludwig Bechstein
Musikanten im Hörseelenberge
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79.
Das Hörseelbergsloch.

Immer blieb der Hörseelenberg den Umwohnern unheimlich und gefürchtet, von dem Schauergespinnst umwoben, das um ihn her die frühe Huldamythe spann. Das Rauschen des Windes, das ihn umtoste, das Rauschen des Wassers, das man in der Tiefe seiner Höhle zu vernehmen glaubte, und Feuermeteore, die um seinen Scheitel flatterten, alles nährte die Furcht. Im Jahre 1398 geschah es, daß sich am hellen Tage bei Eisenach drei große Feuer erhoben, eine Zeitlang in den Lüften brannten, sich zusammenthaten, wieder von einander rissen, und endlich alle drei in den Hörseelberg hinein fuhren. Auch ist es geschehen, daß man in den früheren Zeiten aus Neugier den Boden vor der Höhle des Hörseelberges glatt gekehrt, und dann am andern Tage dennoch Fußtapfen von Menschen und Thieren in großer Menge davor gefunden hat. Als der Vorzeit Mär und Sage von den Wundern des geheimnißvollen Berges abzublühen begann, wagte sich die nüchterne Forschung an die Höhle, nannte alles, was die Vorahnen gesehen haben wollten und geglaubt hatten, Blend- und Gaukelwerk der Pfaffen und wußte sich gar viel auf die Aufklärung, die sie mit weitem [131] Munde verkündete. So wurde denn die mythische Hörseelberghöhle erforscht und beschrieben, wie folgt: „Dieses Loch ist im Eingange viereckigt, und etwa drei, höchstens 31/4 Schuh hoch durch die Steine von etwa 4 Lachtern Länge, und etwa 31/2 in die Quere mit besonderer Mühe und Fleiß ausgearbeitet, da dann eine runde Oeffnung durch den Felsen, so kriechend passiret werden muß, etwa 2 Lachter lang folget. Wenn diese zu Ende, so kommt man in eine Höhle, in welcher man gerade auf stehen und gehen, auch sich in solcher niedersetzen kann, weil ein Bänkchen in dem Felsen ausgehauen ist. Diese Höhle ist über Mannshoch und können sich füglich 16 auch wol 18 Personen darinnen aufhalten. Hierauf muß man wieder in eine Enge von 3 Lachter lang, so mehreren Zwang und Zurücklassung des Rockes erfordert, da man abermal in eine kleinere Höhle kommt, so nur 6 oder höchstens 8 Personen in sich fassen kann. Nun gehet eine ovale Oeffnung fort, so noch viel enger als die vorige, mithin mit größerer Mühe und Drängen zu durchkriechen ist, von etwa 3 Lachter lang, so aber nicht zu passiren ist, und endet sich in dem Felsen in einen kleinen Spalt, da dann auch zugleich die gemeine Rede und Fabel, ob sollte die Oeffnung und der Gang bis unter die Kirche zu Sättelstedt gehen, ihre Endschaft erreichet, und ist alle Oeffnung und dazwischen seiende Hohlung zusammengenommen, etwa 17 Lachter lang. Die gemeinen Leute sagen, daß ein beständiges Summen und Sausen in diesem Loche sei. Allein dieses rühret theils von denen darauf stoßenden Winden her, theils auch hauptsächlich von denen kleinen Mücken und Fliegen, welche durch ihre beständige Bewegung und Flug dieses erwecken, indem solche in erstaunlicher Menge [132] anzutreffen, so daß bei solchem Summen einem der Götze Mäusim, als ob er da zu Hause wäre, einfällt.“

Der Antheil an der Hörseelberghöhle verlor sich allmählig, und der Berichterstatter über dieselbe schließt seine Mittheilung: „Nun aber da der Aberglaube nicht mehr herrschend, wird es keiner sonderlichen Betrachtung mehr gewürdigt, und wenige nehmen sich die Mühe, es auch von außen recht zu beschauen.“

Im Jahre 1854 wurde die Höhle des Hörseelberges von einigen Neugierigen aufs neue durchforscht. Ohne die alte Beschreibung zu kennen, fanden sie die Höhle noch in der früheren Beschaffenheit. Das Rauschen und Brausen vor dem Eingange in die Bergeskluft vernahmen sie nicht. Aber ein Summen tönte ihnen im Inneren wie melodischer Gesang und Aeolsharfen, seltsam und wunderbar, bis sich’s ergab, daß dasselbe von Millionen Fliegen und Mücken, die sich im Innern verhielten, herrührte.