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Thüringer Sagenbuch. Erster Band/Der Hirte von Mechterstätt

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Waldmann von Sattelstätt Thüringer Sagenbuch. Erster Band
von Ludwig Bechstein
Graf Ludwig mit dem Barte
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[138]
84.
Der Hirte von Mechterstätt.

Nicht weit ab vom Wege, wenn man von Sättelstätt nach Mechterstätt geht, sprang ein klares Brünnlein, dessen [139] erquickende Fluth von Hirten und Ackerleuten gern getrunken wurde. In der Nähe dieses Quells hüthete einst der Hirte von Mechterstätt und nahete ihm, um an der gewohnten Stelle sein einfaches Mittagsmahl einzunehmen. Da sah er einen vorher niemals erblickten Hügel, in den führte ein Gang tief hinein, und aus dem Gange trat eine weiße, bleiche Jungfrau, mit einem Gesichte, auf welchem eitel Schmerz lag, und die sah den Hirten ganz seltsam und und wie flehend an. Ueber der Quelle aber erblickte der Hirte drei goldige Blumen an einem grünen Strauche, die pflückte sich der Hirte, und das traurige Antlitz der Jungfrau schien sich zu erheitern, wie er das that. Sie sprach zu ihm: Nun kannst Du mich erlösen, Du darfst nur dahinein gehen, und etwas mit herausbringen, doch darst Du darin nicht etwa das Beste vergessen. Darauf folgte der Hirte der Jungfrau in das Innere des Hügels, und kam durch viele Gänge und Kammern in einen weiten Raum, darinnen Gold und Edelsteine in Fülle sich befanden; auch gewahrte der Hirte eine zahlreiche Gesellschaft von Rittern und Ritterfrauen, die saßen bei einem reichen Mahle an vollbesetzten Tafeln, aßen und tranken, aber niemand sprach ein Wort, alles geschah so still und lautlos, daß man nicht einmal einen Athemzug vernahm. Dem Hirten grausete es, und er wandte sich zum gehen. Da fiel ihm das Geheiß der Jungfrau ein, etwas mit sich zu nehmen aus dem Schoose des Hügels, und da gewahrte er ein altes Trinkhorn, das hing unter 3 gekreuzten Schwertern an der Wand, und das wollte er herunternehmen, vermochte dieß aber nicht mit einer Hand zu thun, legte daher seine drei gelben Blumen aus der andern Hand auf den Tisch und nahm mit Hülfe beider Hände das Horn ab, und eilte von [140] dannen, ohne der Blumen zu gedenken. Da hielt ihn die Jungfrau flehend auf, rufend: Vergiß, o vergiß das Beste nicht! Sonst muß ich ja unerlöset bleiben! – Er aber stürzte von Grausen überwältigt an ihr vorüber, dem Eingange zu, und achtete nicht auf den verhallenden Jammerruf der im Berge zurückbleibenden. Hinter ihm brauste es dumpf und gewaltig, wie Sturmgeheul und Meereswogengeroll. Kaum war der Hirte mit dem Horn im Freien, so that es einen grellen Donnerschlag hinter ihm und verschwunden war der Hügel sammt dem Blumenstrauche und aus der Tiefe schien ein Wimmern zu dringen, das er dann noch oftmals hörte, wenn er an jenen Brunnquell kam. Das alte Trinkhorn aber trug er auf die Wartburg zum Landgrafen, der ihm dafür eine stattliche Belohnung gab, und es in seiner Harnischkammer und Waffenhalle aufbewahren ließ, allwo es ohne Zweifel noch hängen wird.