Thüringer Sagenbuch. Erster Band/Die kleine Braut aus Ungarn

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Klinsors Zauber und Prophezeihung Thüringer Sagenbuch. Erster Band
von Ludwig Bechstein
Die Jugend Elisabeths von Ungarn
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92.
Die kleine Braut aus Ungarn.

Landgraf Hermann I. hatte einen Sohn, das war Landgraf Ludwig IV., der war jetzt 11 Jahre alt, und die kleine Tochter des Ungarkönigs zählte 4 Jahre, und man schrieb das Jahr des Herrn 1211, daraus ergiebt sich für die Zeit des Sängerkrieges auf der Wartburg das Jahr 1207, und nun beschloß der regierende Landgraf, eine stattliche Gesandtschaft gen Ungarn an den Königshof zu schicken, und für seinen Sohn Ludwig um die kleine Prinzessin Elisabeth werben zu lassen. Diese Gesandtschaft bestand aus angesehenen Edeln und Edelfrauen des Thüringerlandes, nicht als ob man zu jener Zeit die Frauen höher als in unsern Tagen geehrt hätte, wo man nur Männer sendet, als allein geschickte, und Frauen dazu nicht hinlänglich geschickt hält, als Gesandte zu wirken, sondern weil es galt, im Falle der vorausgesetzten älterlichen Einwilligung des Königspaares die junge Prinzessin Braut gleich mitzubringen an den Landgrafenhof. [159] Es fuhren in das Ungarland Graf Meinhard von Mülberg mit seiner Gemahlin und deren Jungfrauen, Frau Bertha, Wittwe des Grafen Rudolf, nach andern Egillolf von Bendeleben, Herr Walther Schenk von Vargila, und ein großes und stattliches Gefolge. Als nun diese edle Gesandtschaft nach Preßburg kam, wurde sie von Fürsten, Prälaten und Magnaten schon am Weichbilde herrlich empfangen, und mit großen Ehren in das königliche Schloß geleitet, wo der König und die Königin sie huldvoll empfingen. König Andreas von Ungarn war ein friedfertiger und guter Mann, die Königin aber, Gertrud von Meran, war ein muthiges und hochherziges Weib, welche ihrem Gemahle, der vielleicht ungern daran ging, sich von der geliebten Tochter schon jetzt zu trennen, und sie einem Landgrafen von Thüringen, einem Lande, von dem er wenig kennen mochte, hinzugeben – die Verbindung als nützlich, ja sogar nothwendig darstellte. Nun erfuhr auch König Andreas von seinen Räthen, und zumal von Klinsor, vieles über das Thüringerland und dessen Fürstenhof, wie glänzend der letztere, und wie gesegnet das letztere an Wäldern und Weiden, Wild und Wein, Salz und Metallen. So wurde denn der Gesandtschaft die junge Prinzessin anvertraut und wurde ihr gleich mitgegeben ein reicher Brautschatz, viele und mancherlei große Gefäße von Gold und Silber, die werthvollsten Diademe, Schmucksachen, Ringe, zahlreiche Kleider von Sammt und Goldstoff und kostbare Geräthe, auch die goldene Wiege des Kindes, und einstweilen tausend Mark Goldes. Niemals kamen wieder so herrliche Sachen und in solcher Zahl auf einmal nach Thüringen. Die Gesandtschaft war in vier Wagen gekommen, und in dreizehn fuhr sie unter [160] stattlichem Geleite mit Prinzessin Elisabeth von dannen, und reich beschenkt mit Rossen, Waffen, Prunkgewändern und Kleinodien. Nur allein den Wagen zu ziehen, der das Heirathgut und die Ausstattung der kleinen Braut aus Ungarn trug, bedurfte es neun starker Rosse. Als nun die Gesandtschaft nach Thüringen und gen Eisenach zurückkehrte, wurde sie und ihr bestes Kleinod, das sie mit sich führte, die junge Königstochter, gar hoch empfangen. Da es schon Abend war, wurde im Hellegrafen-Hofe eingekehrt, aber der Landgraf und die Landgräfin kamen noch von der Wartburg herab, und letztere gewann alsbald das Kind so lieb, daß auch sie die Nacht über in Eisenach blieb, und am nächsten Morgen sie im festlichen Zuge und Geleite selbst hinauf auf die Burg brachte. Da ward gleichsam vorbedeutend ein stattliches Hochzeitmahl ausgerichtet, und theils im Scherze, theils symbolisch Elisabeth dem jungen Herrlein in Kindesweise als Gemahel zugesellt.