Thüringer Sagenbuch. Erster Band/Die Jugend Elisabeths von Ungarn
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Die Jugend Elisabeths von Ungarn.
Selten ward ein Menschenleben so von Poesie und Sage verklärt, wie das der jungen ungarischen Prinzessin Elisabeth, obschon ihr Leben mehr ein leidendes als ein handelndes war, und vielleicht gerade deshalb. Das menschliche Mitgefühl, die innige Theilnahme, die wehmuthvolle Rührung nehmen die Herzen gefangen, und die unverschuldeten Leiden einer tugendreichen Dulderin stehen über dem Heldenthume des Kriegers. Aus dem Kranze Elisabeths, [161] der sich ihr in die Heiligenglorie verwandelte, pflückt die Geschichtforschung manches Blatt, und legt es still bei Seite, die Sagenforschung hat das schöne Vorrecht, jenen unsterblichen Kranz in voller Frische und ungeschmälert aufzubewahren.
Mit Elisabeth waren aus Ungarn auch ihre Amme und ein fünfjähriges Mägdlein, des Namens Jutta, letztere jetzt zu ihrer Gespielin, später zum Hoffräulein bestimmt, gekommen. Elisabeth war ein lebensfrohes, gutes Kind, das sich aber frühzeitig frommen Sinn aneignete, und diesen immer mehr zur Erscheinung kommen ließ, als auch sie vom Leben nicht immer sanft berührt wurde. In früher Jugend schon offenbarte sich bei Elisabeth der Zug der Milde und Barmherzigkeit gegen Nothleidende, der sie in ihrem späteren Leben so verehrungswürdig machte, ihr aber auch gar manchen Tadel zuzog, manches harte Urtheil gegen sie hervorrief.
Frühzeitig trat der Schmerz an das Kind Elisabeth heran. Sie zählte sechs Jahre, als die Königin, ihre Mutter, eines gewaltsamen Todes starb. Frau Gertrud soll der jungen Tochter einigemale im Traume erschienen sein, und gewiß machte die Kunde eines so schweren Ereignisses auf das früh reifende Kind einen tiefen Eindruck, bestimmte mit ihre ernste, fromme, vielleicht für ihr Alter schon zu strenge Lebensrichtung. Daher manche Mißbilligung von Seiten der Pflegemutter Frau Sophia, mancher Hohn der niedern Dienerschaft, manche spöttische Bemerkung der höheren. An einem Himmelfahrttage Maria’s ging die Landgräfin mit der eigenen Tochter Agnes und mit Elisabeth im Festschmucke nach Eisenach herab in die Kirche. Elisabeth nahm gegenüber dem Bilde des dornengekrönten Heilandes [162] ihren mit Edelsteinen besetzten goldenen Kronenreif vom Haupte, legte ihn neben sich, und fiel betend auf die Kniee nieder. Dieses zog ihr Verweiß und Vorwurf zu. Auch waren Leute am fürstlichen Hofe, denen Elisabeths Milde und Demuth ein Dorn im Auge war, die sagten, sie halte sich nicht, wie eines Königs Kind, sondern wie eines Bauern Tochter.
Von solchen Ohrenbläsern mag ihr manche trübe Stunde bereitet worden sein. Mancher Tadel, manche verletzende Rede berührte unsanft der holdheranblühenden Jungfrau zartbesaitetes Herz, als: man werde besser thun, sie ihrem Vater wieder nach Ungarn zu senden – man werde sie in ein Kloster stecken müssen, wo sie sich dann satt beten könne – es finde sich für den jungen Landgrafensohn wohl eine anständigere Braut – und solcher Aeußerungen mehr. Doch gab es auch Augen, die mit Liebe auf ihr weilten und Männer, die übeln Rath in seine Schranken wießen; zu diesen letzteren gehörte der wackere Schenke, Herr Walther von Vargila, der Elisabeth aus ihrem Heimathlande nach Thüringen geführt hatte, wo sie nun aufblühte gleichwie eine schöne duftende Lilie unter Dornen.