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Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band/Das Querlichloch bei Garsitz

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Vom unweisen Rathe zu Königsee Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band
von Ludwig Bechstein
Soldaten aus Häckerling
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355.
Das Querlichloch bei Garsitz.

In dem Schöpsberge, einer hohen Felsengruppe von Flözkalk westlich oberhalb Königsee, befindet sich eine ansehnliche Grotte, die aus zwei Abtheilungen besteht, deren jede 40 Fuß lang, 20 Fuß breit und 10 Fuß hoch ist. Vor uralten Zeiten wohnten in diesem Loche „Querliche“ (Gezwerge, Zwerge), die große Schätze an Gold und Silber bewahrten und darin haushielten. Diese Gezwerglein waren Mittelwesen zwischen Menschen und höheren Geistern; sie hatten jedoch immer noch etwas irdisches an sich. Ihre Gestalt war sehr klein, nicht viel größer als eines Schuhes hoch, und sie trieben allerlei unheimliche Stücke in den Berghöhlen, namentlich aber gruben sie nach Gold und Silber auf dem Geböre und im Lommel. Die gefundenen Schätze aber häuften sie im Querlichloche auf, und bewachten sie. Sie hatten die sonderbare Gewohnheit, barfuß und barhäuptig zu gehen; dabei waren sie launenhafte, sehr reizbare, doch wieder auch dienstfertige Wesen, und halfen, wenn man es mit ihnen gut meinte, dem Hausherrn und seinem Gesinde überall, namentlich bei Fütterung des Viehes. Wer sie reizte oder erinnerte, daß sie keine Barettlein oder Schuhe hätten, dem thaten sie manchen Schabernack an.

Einmal wohnte eine Pächterin in Garsitz, eine alte, gute verständige Frau, die es mit den Querlichen, welche sie im Winter öfters besuchten, ganz gut meinte. Nach dem Abendessen gingen die Querliche in den Stall und fütterten die Schafe, wodurch Knechte und Mägde aller Arbeit überhoben wurden. Die Futtervorräthe, sie mochten noch so gering sein, nahmen niemals ab und in Mißärnten [221] konnte die Pachterin immer noch verkaufen. Deshalb wurde auch die Pachterin von Jahr zu Jahr reicher. Endlich dachte sie, daß sie sich gegen die guten Querliche dankbar zeigen müsse, und weil es denselben an Schuhen und Mützen gebreche, solche zu kaufen und ihnen zu schenken. Sie kaufte beides, und legte die niedlichen Schuhe und Pelzmützchen im Stalle hin zum Geschenke. Allein als die Querliche solche Gaben bei der nächsten Fütterung sahen, so verdroß sie dieß dermaßen, daß sie nie wieder zurück kamen.

Auch waren einmal die Querliche in Pennewitz auf einer Hochzeit, wo es recht lustig herging. Man neckte indeß selbige, welche sich darüber sehr erboseten. Als nun eine große Schüssel mit Brühe aufgetragen war, sprangen sie auf den Schüsselrand, tanzten darauf herum und versalzten die Kümmelbrühe.

Eine Gans, die sich zufällig in das Querlichloch verirrt hatte, und darin herumgelaufen war, ist drei Tage hernach auf dem Singerberge ganz vergoldet wieder herausgekommen.