Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band/Von der Stadt Saalfeld

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Die Hohewart und Frau Welle Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band
von Ludwig Bechstein
Die silberne Orgel
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[202]
334.
Von der Stadt Saalfeld.

Saalfeld ist eine sehr alte und weitberühmte Stadt. Ihr Gebiet hatte frühzeitig dichte Bevölkerung durch ein germanisches Culturvolk, wie Gräberfunde an reichen und schönen Schmuckgegenständen des heidnischen Alterthums von Bronce längst dargethan haben. Auch an schönen Sagen ist die Stadt Saalfeld und ihre nächste Umgebung so reich, daß mit ihnen allein ein mäßiges Buch sich füllen ließe Die mythisch-dämonische Welt heidnischer Sage thut sich allenden kund in diesem Gau in dem wilden Jäger, der Perchtha, den Nixen, den Drachen, den Bilbzen, den Holzweibeln und Moosleuten, den Bergwerksgeistern und anderen. Aus der Zeit der Heidenbekehrung werden Bonifacius und Lullus genannt; als Grenzfeste gegen die angrenzenden Sorben und Wenden soll die alte Sorbenburg, vom Volke „der hohe Schwarm“ genannt, deren Ruine noch immer trotzig dasteht, erbaut worden sein. An die Abgrenzung Thüringens gegen die Sorben soll als Wahrzeichen das an der St. Johanniskirche angebrachte Steinbild, das sogenannte Häringsmännchen erinnern, und die Sage läßt diese Kirche just so viel als die Saalbrücke kosten, und letztere nur 3 Heller mehr, läßt auch die beiden Baumeister dieser Bauwerke miteinander wetten, wer das seine zuerst vollende, [203] und den Baumeister der Kirche sich vom Thurme herabstürzen, weil die Brücke um weniges früher fertig wurde. Vom Heiligenkult und Wallfahrtwesen des Mittelalters zeugt das sagenumklungene St. Kümmrißbild mitten auf der erwähnten Brücke, und auch an Mönchs- und Nonnenspuk und Gespenstersagen ist eher Ueberfluß als Mangel, und das Gebiet des Aberglaubens und alterhaltener Bräuche findet sich ebenfalls in Fülle durch örtliche Sagen vertreten. Das erwähnte Bild soll neuerer Forschung nach nicht das sein, wofür eine ganz Deutschland durchringende Sage es ausgiebt, sondern ein sogenanntes Gehülfenbildniß.