Topographia Braunschweig Lüneburg: Zell

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Topographia Germaniae
Zell (heute: Celle)
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aus: Matthäus Merian (Herausgeber und Illustrator) und Martin Zeiller (Textautor):
Merian, Frankfurt am Main 1654, S. 215–217.
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[T128]
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Zell.

Die Fürstliche Lüneburgische Residentz-Statt Zell / ist von der Statt Lüneburg 10. von Vltzen 6. vnd von Braunschweig gleicher gestalt 6. von Bremen 10. vnd von Hamburg 13. Meilen gelegen / an einem feinen lustigen Orte / da zween Ströme / als die Aller vnd die Fühse zusammen kommen. Der Grund vmb die Statt ist zwar etwas sandicht / hat aber daneben feine fruchtbare Oerter / deren sich die Einwohner zu Gärten / Aecker vnd Wiesen gebrauchen.

Zu welcher Zeit / vnd von wem der Anfang dieser Statt vnd Schlosses Erbauung gemachet worden / findet man so eigentlich nicht verzeichnet. Die in dem Fürstlichen archivo daselbst verhandene Vhrkunden / darin dieses Ortes Meldung geschiehet / erstrecken sich etwa auff fünfftehalb hundert Jahr zurücke / vor solcher Zeit aber wird desselben fast nicht gedacht.

Im Jahr 1203. ist zwischen Hertzog Heinrichs deß Lewen Söhnen / Pfaltzgraff Heinrichen / Otten / hernacher Römischen Keysern / vnd Hertzog Wilhelmen zu Sachsen / ein Theilungsbrieff auffgerichtet / darin findet sich / daß Pfaltzgraff Heinrichen neben andern Orten auch Zell zugetheilet sey / Ob es aber eine Statt / Schloß / oder sonsten etwas gewesen sey / wird nicht erwehnet.

In einem anderen alten Briefe / Anno 1236. datiret / wird gemeldet / daß Graff Sigfried von Osterburg / Hertzog Otten zu Braunschweig vnd Lüneburg alle seine Dienst- oder Gutsleute / von Zell biß Bremen (ministeriales suos à Tselle usque Bremam) verkauffet.

Es ist aber jetzterwehntes Zelle nicht die jetzt so genante Statt vnd Schloß / noch an demselbigen Orte gelegen gewesen / dann auß denen in nachfolgenden Jahren ergangenen Vhrkunden erhellet / daß die Statt Zell erst hernachmals gebawet / vnd Newen-Zell / oder daß Newe Weichbild / das erste Zell aber zum Vnterscheid Alten-Zell genant worden / inmassen es noch anjetzo den Nahmen führet / wiewol es nunmehr nur ein blosses Dorff ist / ein kleine Viertheil weges von der Statt gelegen.

Im Jahr Christi 1292. hat Hertzog Otto zu Braunschweig vnd Lüneburg den Bürgern / so sich in Zell begeben wollen / daselbst zu bawen vnd zu wohnen / Freyheit auff gewisse Jahr ertheilet / auch Sie mit Hut / Weide / Holtzung / vnd der Statt Lüneburg Rechten begnadiget. Darauß dann abzunehmen / daß Sie zu selbiger Zeit noch nicht gäntzlich bebawet gewesen / Nachgehends aber hat Sie je mehr vnd mehr zugenommen / biß Sie mit Häusern gantz besetzet / vnd in jetzigen Zustand gerahten.

Es ist diese Statt fast in die runde gelegen / mit breiten Wassergräben / Wällen / Rundelen vnd Aussenwercken wol befestiget / hat an der Nordseite den Allerstrom / an der andern seite nach dem Süden die Fühse beyher fliessend. Neben der guten Fischereye / deren man auß diesen Strömen zu geniessen hat / ist kein geringes Kleinot für die Statt / die Schifffahrt auff der Aller nacher Bremen / vnd andere an der Weser gelegene Oerter / dann dieselbe verursachet / daß das Getreyde vnd andere Wahren / von Braunschweig vnd andern Stätten / häuffig auff diese Statt zugefahren / daselbst eingeschiffet / vnd zu Wasser fortgebracht / hingegen aber / was [216] man in der Statt / oder bey der Fürstlichen Hoffhaltung / an Victualien vnd sonsten vonnöhten hat / füglich wieder herauff gefahren wird.

Sonsten ist die Statt Volckreich / vnd mit Einwohnern wol besetzet / hat feine saubere Gebäwde vnd Wohnhäuser / eine feine Pfarrkirche / in welcher auff dem Chore die Herren Hertzogen zu Braunschweig Lüneburg / Zellischen Theils / in einem dazu in der Erde außgemaurtem Gewölbe jetziger Zeit ihre Begräbnuß haben / dann hiebevor seyn Sie gemeiniglich nach ihrem Ableben nacher Lüneburg gebracht / vnd in dem Closter zu S. Michaëlis daselbst beygesetzet worden.

Der Erste / welcher zu Zell begraben / ist gewesen Hertzog Bernhardten Sohn / Hertzog Friederich der Aelter / dessen tödtlicher Hintritt im Jahr 1478. erfolget. Seine Söhne / Hertzog Bernhard vnd Otto / seyn nacher Lüneburg gebracht. Hertzog Otten Sohn / Hertzog Heinrich der Jünger / ligt zu Wienhausen begraben. Dessen Sohn aber / Hertzog Ernst / vnd seine Nachfolger an der Regierung / seyn alle / nebenst ihren Gemahlinnen / nach ihrem tödtlichen Abscheid / in vorbesagtem Gewölbe zu ihrer Ruhestatt gebracht / Ihnen auch zum Gedächtnuß feine Epitaphia, mit Inscriptionen / auffgerichtet. Vnter welchen das herrlichste / schöneste vnd kostbarste / welches newlicher Zeit Herrn Hertzog Georgen zu Braunschweig Lüneburg / deß Nieder-Sächsischen Crayses gewesenen Generaln / hochlöblichen Gedächtnuß / von Marmor vnd Alabaster / zu Ehren vnd Gedächtnuß auffgerichtet / mit nachfolgender Auffschrifft:

Serenissimus Princeps GEORGIUS Brunsvicensium ac Lunaeburgensium Dux, cum ab ineunte aetate militiam exercuisset, fatalibus Germaniae bellis implicitus, labantem penè libertatem ac religionem avitam invicto animo et armis sustinuit, multis adoreis inclytus, veraeque pietatis, fortitudinis, fidei ac prudentiae laude posteritati memorandus. Vita decessit d. 11. April. A. M. DC.XLI.

Bey dieser Pfarrkirche ist auch eine feine Bibliothec verhanden / darin allerhand gute Theologische / Historische vnd andere Bücher zu befinden.

Es seyn hiebevor auch etliche Clöster in der Statt gewesen / als vnter andern ein Franciscaner Closter / welches Hertzog Friederich der Aelter / dessen vor gedacht / Anno 1452. gestifftet / in meynung sich darein zu begeben / vnd neben den München GOTT mit fasten vnd beten zu dienen. Weiln aber seine Söhne vor Ihm mit Tode abgangen / hat er die Regierung wieder annehmen müssen / vnd also sein Vorhaben nicht zu wercke richten können. Dieser Hertzog Friederich hat auch gestifftet / daß die Brüderschafft deß Kalandes in der Kirchen zu Zell deß Jahrs zweymal begangen werden solte / dazu er ihnen etliche Vicareyen verehret / Es ist aber nach beschehener Reformation so wol mit besagtem Closter / als den Kalandbrüdern / zu einem andern Stande kommen.

Neben den Gebäwen in der Statt / seyn noch verschiedene Volckreiche Vorstätte ausser derselben; Vnd zwar deren vor dem Alten Zeller Thore allein dreye / der Kräiß / die Blumelage / vnd der Marsch genant. Zu ende der Blumelage liget ein Armenhauß / zu S. Georgen geheissen / nebenst einer Kirche / in welcher neulicher Zeit / vermittelst einer Christlichen Fundation / ein eigener Priester / zu Verrichtung deß Gottesdienstes / vor die in bemeldten Vorstätten vnd Armenhause sich enthaltende Leute / bestellet.

Vor etlichen Jahren seyn vor dem Wester Zeller vnd Heelenthore auch viele Häuser gestanden / welche bey domahligen gefährlichen Zeiten / weil sie der Vestung zu nahe gelegen / haben weggebrochen werden müssen / zu deren Wiederauffrichtung aber den Leuten ein etwas weiter abgelegener Platz angewiesen worden / da sie dann auch wieder hingebawet / vnd wird selbiger Ort die Newstatt genennet. Zwischen dem Heelen vnd Alten Zeller Thor ist auch noch eine Vorstatt / die Frietzen Wische / gelegen / davon aber auch theils Häuser haben weggenommen / vnd nach der Newstatt versetzt [217] werden müssen. Vor jetztbesagtem Heelenthore ligt auch ein Hospital / zu S. Annen genant / darin arme abgelebte Frawens Personen vnterhalten werden. Imgleichen ist vor diesem Thore ein Berg / Nahmens S. Marien oder vnser lieben Frawen Berg / gelegen / darauff vor diesem eine Capelle gestanden / ist anjetzo der Statt Kirchhoff oder Gottesacker / darauff die Todten zur Erden bestattet werden.

Die Christliche Reformation der Religion von den Päbstischen Irrthumben / ist von dem Gottseligen Fürsten / Hertzog Ernsten / dieses Ortes so wol / als an andern dieses Fürstenthumbs / angestellet worden / zu welches heilsamen Werckes Befoderung / vnd Fortpflantz- vnd Erhaltung deß wahren Gottesdienstes / vnd der reinen gesunden Lehre / S. Fürstl. Gn. den berühmten Theologum Urbanum Regium, mit sich nacher Zell gebracht / Ihn daselbst zum General Superintendenten über dero Fürstenthümber vnd Landen verordnet / vnd zu jetztberegtem Zweck sich seiner ferner mit grossem Nutzen gebrauchet. Es hat auch nachgehends an frommen Gottesfürchtigen vnd gelahrten Leuten / welche ihm in solchem Ampt nachgefolget / nicht ermangelt / vnter welchen sonderlich Herr Johan Arendes sehl. wegen seiner herrlichen vnd Geistreichen Schrifften / bey allen Rechtglaubigen einen vnsterblichen Nachruhm erlanget.

Nahe an der Statt ist gelegen das Fürstliche Schloß / darauff die regierenden Herren Hertzogen zu Lüneburg ihren Sitz haben / vmb welche Zeit dieses Fürstl. Schloß seinen Anfang genommen / kan man so eigentlich nicht wissen / das jetzige Schloßgebäw aber entweder gantz / oder zum theil / haben gebawet / (wie solches an einer seiten desselben in Stein gehawen stehet) im Jahr 1485. Hertzog Heinrich zu Braunschweig Lüneburg / vnd seine Fraw Mutter / Fraw Anna / geborne Gräfin zu Nassau; Ist ein herrliches Gebäw von Grund vnd Maurwercken / ins gevierdte auffgeführet / hat an dreyen Ecken einen runden Thurn / an der vierdten aber einen grossen viereckigten / vnd zimlich erhöheten Thurn / darin die Schlaguhr vnd Glocken verhanden. Inwendig an der Seiten deß Schlosses / seyn steinerne Gänge oder Gallereyen / auff starcken steinernen Pfeilern ruhend / davon man auff die Gemächer gehen kan. Vorn an in dem Schloß / zur lincken seiten / wann man hinauff gehet / ist eine schöne mit Gemählden wol außgezierte Capelle / dieselbe hat gleichfalls vorhochgemeldete Fraw Anna von Nassau / Hertzog Otten zu Braunschweig Lüneburg Gemahl / zu Ehren der H. Dreyfaltigkeit / vnd (wie die Wort der Fundation lauten) deß Himmelsfürsten S. Valentini, als Patronen / gestifftet / von zeit der Christlichen Reformation / ist der Gottesdienst durch die Fürstliche Hoffprediger / jederzeit wochentlich etzliche mahl darein verrichtet worden / wie auch noch geschiehet.

Sonsten ist das Schloß mit feinen grossen Saalen / vnd andern Fürstl. Gemächern wol außstaffiret / auch mit einem starcken Wall / vier von Steinen auffgemaurten Zwingern oder Rundelen / mit einem breiten Wassergraben befestiget / hat auch vorn an / gegen der Statt zu / einen grossen Vorplatz / nebenst vielen Gebäwen / zu allerhand Notturfft. Ausser der Statt / zwischen dem Graben vnd Füesestrom / ist der Fürstliche Lustgarten / welcher allererst vor wenig Jahren mercklich gezieret / vnd mit künstlichen Wasserwerck versehen worden.

Mit dieser Fürstl. Residentz hat sich bey vorgewesenen letzten Kriegsläufften nichts denckwürdiges zugetragen / es wäre dann / daß einer für das allerdenckwürdigste (wiewol nicht vnbillig) erachten wolte / daß dieser Ort / da sonsten das gantze Land zu verschiedenen mahlen von Kriegsheeren überzogen gewesen / vnd fast wenig andere Stätte vnd Oerter vnberühret blieben / dennoch durch deß höhesten GOttes sonderbaren Gnadenschirm für allem feindseligen Vberfall vnd Anfechtung behütet worden / also daß die Fürstl. regierende Herrschafft stets sicher darin geblieben / vnd die Vnterthanen vom Lande ihre Zuflucht dahin haben können.