Weihnachtsabend (Storm 1851)
An die hellen Fenster kommt er gegangen
Und schaut in des Zimmers Raum:
Die Kinder alle tanzten und sangen
Um den brennenden Weihnachtsbaum.
O, ruft er, laßt mich hinein,
Was Frommes, was Fröhliches will ich euch singen
In dem hellen Kerzenschein.
Und die Kinder kommen, die Kinder ziehen
Still grüßen die Alten, die Jungen umknieen
Ihn scheu in geschäftiger Hast.
Und er singt: „Weit glänzen da draußen die Lande
Und locken den Knaben hinaus;
Verläßt er das Vaterhaus.
Da trägt ihn des Lebens breitere Welle -
Wie war so weit die Welt!
Und es findet sich mancher gute Geselle,
Tief bräunt ihm die Sonne die Blüthe der Wangen
Und der Bart umsprosset das Kinn;
Den Knaben, der blond in die Welt gegangen,
Wohl nimmer erkennet ihr ihn.
Es mundet ihm jeder Wein;
Und dreister greift er in das Leben
Und in die Saiten ein.
Und für manche Dirne mit schwarzen Locken
Da klingen durch das Land die Glocken,
Ihm war’s wie ein alter Traum.
Wohin er kam, die Kinder sangen,
Die Kinder weit und breit,
Das war die Weihnachtzeit.
Da fühlte er, daß er ein Mann geworden;
Hier gehörte er nicht dazu.
Hinter den blauen Bergen im Norden
An die hellen Fenster kam er gegangen
Und schaut’ in des Zimmers Raum;
Die Schwestern und Brüder tanzten und sangen
Ein Christlied am Taxusbaum“ -
Und nahe, der eben noch fern;
Um den Taxus tanzten Schwestern und Brüder
Und sangen ein Lied vom Herrn.
Da kann er nicht länger das Herz bezwingen,
O schließet mich ein in das Preisen und Singen,
Ich bin ja der Sohn vom Haus!