Wilhelm Löhes Leben (Band 3)/Das Magdalenium
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Wie in allen derartigen Anstalten, so wurde auch im Magdalenium zu Neuendettelsau unter den menschlichen Erziehungsmitteln als das wichtigste die Gewöhnung zur Arbeit betrachtet. Die Stellung des dortigen Magdaleniums innerhalb eines ganzen Complexes von Anstalten schaffte die Gelegenheit dazu leicht und in ausreichender Weise. Das Magdalenium übernahm die Besorgung der Wäsche sämtlicher Anstalten, eine Näherei schloß sich an: dies und etliche andere Nebengeschäfte reichten neben den täglichen Hausarbeiten hin, die beschränkte Zahl der Bewohnerinen des Hauses vor Müßiggang zu bewahren.
Die großen Heldringschen Anstalten in Steenbeck hat Löhe aus eigner Anschauung nicht gekannt, er hat sich aber aus Berichten von Freunden und Schwestern, die sie in seinem Auftrag besuchten, Kenntnis derselben zu verschaffen gesucht. Er war der Meinung, daß der Geist der lutherischen Kirche manche Abweichung von den dort üblichen Einrichtungen erfordere. Entgegen der dort alles gleichförmig beherschenden Methode wünschte er in der Magdalenenseelsorge eine mehr pastorale, individualisierende Behandlung der Gefallenen. Aus diesem Grunde hielt er es für richtig, daß in einem Magdalenium die Lebensverhältnisse, aus welchen die Einzelnen herkamen, die Unterschiede des Standes und der Bildung etc. respektiert und nicht dem Prinzip mechanischer Gleichförmigkeit geopfert würden. Auch die wichtige Frage, ob| Magdalenen nur mit ihrer Zustimmung in solche Anstalten aufgenommen werden sollten, ob ihnen jederzeit der Austritt frei stehen müsse, wollte er „pastoral-casuell“ behandelt wissen. Nur in Einem Stück huldigte er doch auch einer gewissen „Methode der Führung“: das Tragen der vestis pulla, des braunen Kleids der Büßerin, machte er „bei der Macht, welche das Kleid über weibliche Naturen ausübt“ für alle Gefallenen zur Regel.Im Übrigen verlief das Leben der Magdalenen in dem gewohnten Anstaltsgeleise unter Arbeit und Gebet. Sie nahmen teil an den täglichen und sonntäglichen Gottesdiensten der Anstaltsgemeinde, sie wurden zur Privatbeichte angeleitet, für welche der Seelsorger durch schriftliche Vorlagen der Oberschwester unterstützt wurde; sie genossen, wenn sie sich bußfertig zeigten, des höchsten Vorrechts mündiger Christen: des Zutritts zum Sakramente. In dieser Teilnahme an dem gottesdienstlichen Leben lag und liegt für das hiesige Magdalenium ohne Zweifel viel Hebendes und Förderndes.
Bezüglich des Erfolgs der Arbeit an dieser Klasse von Pflegebefohlenen der barmherzigen Liebe machte man hier dieselben Erfahrungen wie allerwärts: viel vergebliche Mühe, aber doch auch „aus den Dornen der harrenden Geduld hervorwachsende Freude des Gelingens“. Von keinem Laster – sagt Löhe einmal in einem Bericht – genese das weibliche Geschlecht schwerer als von dem der Wollust; die psychischen und somatischen Zustände, die Recidive, die Anfechtungen, die Zweifel, die Lügen und Unlauterkeiten, die Leidenschaften und inneren Stürme legten der seelsorgerlichen Behandlung wie der anstaltlichen Erziehung die größten Hindernisse in den Weg. Ebendeswegen hat er den Posten einer Magdalenenoberschwester in vieler Beziehung als den schwierigsten aller Diakonissenberufe bezeichnet. Er fand „viel Ähnlichkeit zwischen demselben und dem Beruf eines Pfarrers“, erkannte ihn aber eben deshalb, wie jenen größeren, als „preiswürdig und herrlich“ an.
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