Yttro-Titanit, eine neue Mineralspecies
Ungefähr 1½ Meile nordöstlich von Arendal, auf der Südspitze der Bu-Insel (Buöe), dicht bei den Buöe-Gruben, befindet sich ein Steinbruch[1] in welchem Feldspath für die Kopenhagener Porcellanfabrik gebrochen wird. Der Feldspath kommt in einer sehr bedeutenden, theils aderartigen, theils stockförmigen granitischen Ausscheidung im Gneuse vor, welche sich an vielen Stellen mit vollkommen scharfen Gränzen von letzterem abgesondert zeigt. In der Nähe des Contactes beider Felsmassen hat sich der Feldspath der Lagerstätte vorzugsweise in großen krystallinischen Parthien und Krystallen ausgeschieden, während sich der Quarz besonders gegen die Mitte hin concentrirt hat. Dicht an der Gneusgränze, in dem daran ausgeschiedenen Feldspathe, fand [460] ich ein beinahe faustgroßes, rundliches Stück eines Minerals eingewachsen, welches mir einer näheren Untersuchung werth zu seyn schien. Durch die Steinbruchsarbeiten war, allem Anscheine nach, etwa die eine Hälfte desselben abgesprengt worden, konnte aber nirgends im Steinbruche aufgefunden werden. Die nähere Charakteristik dieses Minerals ist Folgende:
Aeußere Gestalt, Formlos.
Innere Gestalt. Nur ein einziger Blätterdurchgang tritt deutlich und scharf hervor; von zwei andern dürften nur schwache Andeutungen vorkommen.
Bruch. Kleinmuschlig in’s Unebene.
Farbe. Braunschwarz. Das gepulverte Mineral sieht licht gräulichbraun aus.
Durchsichtigkeit. Selbst in dickeren Splittern ist das Mineral mit braunrother Farbe durchscheinend.
Glanz. Auf der deutlichsten Spaltungsfläche Glasglanz, auf Bruchflächen mit einer Beimischung von Harzglanz.
Härte. Zwischen Quarz und Feldspath. (Die Härte des Sphens, mit welchem das in Rede stehende Mineral einige Aehnlichkeit hat, ist zwischen der des Feldspaths und der des Apatits.)
Specifisches Gewicht. 3,69. (Sphen = 3,4–3,6.)
Verhalten zur Wärme. Das Mineral ist nicht pyrognomisch. Größere Stücke ändern ihr Ansehn durch Glühen nur wenig. Splitter des geglühten Minerals sind aber mit schmutzig grünlichgelber Farbe durchscheinend, und das Pulver desselben besitzt eine lichte Thonfarbe.
Verhalten vor dem Löthrohre. Verhält sich im Ganzen zu Flüssen wie Sphen, zeigt aber einen nicht unbedeutenden Eisengehalt.
Verhalten zu Säuren. Das fein gepulverte Mineral wird durch Salzsäure vollkommen aufgeschlossen. Brauner Sphen von Arendal wird dieß nicht.
Chemische Constitution. Durch Behandlung mit Salzsäure [461] wird eine beträchtliche Menge Kieselerde und Titansäure abgeschieden; verdünnt man die darüberstehende Flüssigkeit mit Wasser und stellt sie an einen temperirten Ort, so löst sich die Titansäure größtentheils auf, während Kieselerde zurückbleibt. Wird diese Solution filtrirt, sehr stark verdünnt und alsdann zum Kochen erhitzt, so entsteht ein beträchtlicher Niederschlag von Titansäure. Die von demselben abfiltrirte Flüssigkeit wurde mit Ammoniak übersättigt, der dadurch hervorgebrachte bräunlichgelbe Niederschlag filtrirt und zur durchgelaufenen Solution oxalsaures Ammoniak gefügt. Das entstandene Präcipitat von kohlensaurem Kalk wurde nach einiger Zeit filtrirt und in der durchgelaufenen Flüssigkeit eine geringe Menge Talk durch phosphorsaures Natron abgeschieden. Jener vorerwähnte bräunlichgelbe Niederschlag wurde in Salzsäure gelöst und die Lösung langsam zur Trockniß eingedampft. Die rückständige Masse war strahlig krystallinisch und zerfloß nach einiger Zeit an der Luft. Sie wurde nochmals, und zwar schärfer als zuvor, eingedampft, in Wasser gelöst und filtrirt, wobei kleine Mengen von Titansäure und Kieselerde auf dem Filtrum zurückblieben. Die klare Solution, in einen großen Ueberschuß einer concentrirten Auflösung von kohlensaurem Ammoniak getropft, setzte darin einen geringen Niederschlag ab, welcher aus Thonerde, Eisenoxyd, kohlensaurer Kalkerde, Yttererde und Talkerde bestand. In der ammoniakalischen Auflösung brachte Ammonium-Sulfhydrat einen schwarzen Niederschlag von Schwefeleisen und Schwefelmangan hervor. Nachdem dieser abfiltrirt, die Flüssigkeit mit Salzsäure übersättigt, längere Zeit erwärmt und darauf vom ausgeschiedenen Schwefel befreit worden war, wurde die klare Flüssigkeit mit Ammoniak übersättigt, der Niederschlag filtrirt und näher untersucht. Er verhielt sich vollkommen wie Yttererde, durch eine Spur Titansäure verunreinigt. In der salzsauren Lösung dieser Yttererde brachte sowohl [462] kaustisches Kali als Ammoniak vollständige Fällung, schwefelsaures Kali (in Stücken) dagegen keinen Niederschlag hervor. Wurde die Lösung annähernd neutralisirt und oxalsaures Kali hinzugefügt, so entstand ein weißer Niederschlag von oxalsaurer Yttererde-Kali. Die geglühte Erde hatte eine schwach gelbliche Farbe, und war mit großer Leichtigkeit in 50fach verdünnter Salpetersäure löslich. – Aus dieser Untersuchung ergeben sich als Bestandtheile des Minerals: Kieselerde, Titansäure, Kalkerde, Yttererde (etwa 8 bis 10 Proc.), Eisenoxyd, Mangan, Thonerde, Talkerde. Da es mir meine beschränkte Zeit sobald nicht erlauben wird, eine genaue quantitative Untersuchung dieses Minerals zu unternehmen, so habe ich die Mittheilung der vorstehenden Charakteristik nicht zurückhalten wollen. Der Name Yttro-Titanit, welchen ich dem neuen Minerale beigelegt habe, scheint mir ein in mehrfacher Beziehung passender zu seyn.
Nachschrift. Die vorstehende Notiz war bereits niedergeschrieben, und ein Vortrag über den darin behandelten Gegenstand in der mineralogischen Section der diesjährigen Naturforscherversammlung zu Christiania gehalten worden, als mir Hr. Bergamts-Secretair Axel Erdmann aus Stockholm die für mich interessante Mittheilung machte, daß er der Finder jener oben erwähnten, von mir vermißten Hälfte des Yttro-Titanit-Stückes auf Buöe sey. Erdmann hatte diese Gegend nämlich ein Jahr früher besucht als ich. Zugleich theilte mir derselbe mit, daß auch er eine qualitative Untersuchung dieses Minerals vorgenommen habe, und daß das Resultat derselben vollkommen mit dem von mir mitgetheilten übereinstimme.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Th. Scheerer: Geognostisch-mineralogische Skizzen, gesammelt auf einer Reise an der Süd-Küste Norwegens. In: Neues Jahrbuch für Mineralogie, Geognosie, Geologie und Petrefakten-Kunde. Herausgegeben von K. C. von Leonhard und H. G. Bronn. Jg. 1843, S. 631–670 Internet Archive