Zwanglose Blätter/Vom Büchertisch

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Titel: Vom Büchertisch
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aus: Die Gartenlaube, Heft 49, S. 804 a–b
Herausgeber: Ernst Ziel
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Erscheinungsdatum: 1883
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Beilage: Zwanglose Blätter, Nr. 10 (zu Heft 49)
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[804 a]

Zwanglose Blätter. Beilage zur Gartenlaube Nr. 49, 1883.



Vom Büchertisch.

Nützliche Bücher für den Weihnachtstisch.

Bei dem großen Publicum herrscht noch immer die Sitte, daß es für die Weihnachtsgeschenke namentlich solche Bücher kauft, die so recht in’s Auge fallen und durch ihre Ausstattung wesentlich zum Schmuck des Weihnachtstisches beitragen. Unsere Buchbinder befriedigen dieses Bedürfniß in ausgezeichneter Weise, und manchem Schriftsteller und Verleger wird gerade durch zierliche Leder- oder Leinwandarbeit und durch reichliche Vergoldung viel geholfen. Wir möchten diese Sitte eine beklagenswerthe Unsitte nennen, und um sie zu bekämpfen, greifen wir hier einige Werke heraus, die nicht allein durch eine gediegene Ausstattung, sondern auch durch einen guten Inhalt sich auszeichnen. Diese Bücher haben den Vorzug, daß sie in der Familie zu einer reichfließenden Quelle der Belehrung werden und monate-, ja selbst jahrelang ihrem Besitzer nützliche Unterhaltung bieten.

In erster Linie lenken wir die Aufmerksamkeit der Kauflustigen auf ein stattliches Werk, welches geeignet ist, eine tiefe Lücke unserer modernen Bildung auszufüllen. Bekanntlich ist der geschichtliche Unterricht in unseren Schulen noch sehr mangelhaft. Was die Jugend lernt, das ist im Grunde genommen reine Kriegsgeschichte, die Geschichte der feindlichen Berührungen der Völker, während die Culturgeschichte, die friedliche Entwickelung der menschlichen Gesellschaft nur oberflächlich berührt wird. Es ist nun klar, daß ein derartiger Unterricht dem Schüler unmöglich das Verständniß der wichtigsten Fragen der Gegenwart vermitteln kann, und dieser bedenkliche Umstand wird noch dadurch verstärkt, daß wir wohl die Schuljugend mit der Vergangenheit längst zu Grunde gegangener Völker vertraut machen, dabei aber die Geschichte unseres Jahrhunderts in stiefmütterlichster Weise behandeln. Und doch ist der Ursprung aller der Fragen, die das sociale und politische Leben der Gegenwart bewegen, gerade in den letzten Jahrzehnten zu suchen.

Diesem Mangel wird durch das prächtige Werk: „Unser Jahrhundert. Ein Gesammtbild der wichtigsten Erscheinungen auf dem Gebiete der Geschichte, Kunst, Wissenschaft und Industrie der Neuzeit von Otto von Leixner“ (Stuttgart, J. Engelhorn) abgeholfen. Schlagen wir nur die beiden Bände des Werkes auf und blättern wir darin.

Schon der reiche illustrative Schmuck fordert unser Interesse im höchsten Grade heraus. Da ziehen sie an uns in stattlicher Reihe vorbei, die großen Staatsmänner und Forscher, die gestaltend auf die Geschicke der Völker eingewirkt haben, da sehen wir in guten Bildern die größten Ereignisse der jüngst verflossenen Jahrzehnte dargestellt, und auch die segensreichen Erfindungen des stolzen neunzehnten Jahrhunderts fesseln unser Auge. Und lesen wir auch in dem Buche!

Der Standpunkt des Verfassers, von dem die noch nicht abgeschlossenen Fragen der Neuzeit behandelt werden, ist uns durchaus sympathisch: „Er strebt nach Parteilosigkeit, er steht auf dem Boden der Freiheit, so lange diese nicht in Zügellosigkeit ausartet und sich von den Gesetzen der Vernunft nicht entfernt; er ist ein Deutscher, welcher sein Vaterland über Alles liebt und deshalb seinen Groll nicht in kühle Objectivität dort zwingen kann, wo er die schädigenden Einflüsse der Fremdländerei, die Schwächen des eigenen Volkes darstellen muß. Kurz, wir können das treffliche Werk reiferen Lesern mit gutem Gewissen empfehlen.“

Von einem noch praktischeren Nutzen ist ein anderes, den Lesern der „Gartenlaube“ wohlbekanntes Werk „Das Buch vom gesunden und kranken Menschen. Von Dr. Carl Ernst Bock“ (Leipzig, Ernst Keil), welches der Verfasser seiner Zeit „den Müttern und Lehrern, in deren Händen die Zukunft kommender Geschlechter liegt und von denen vorzugsweise die körperliche, geistige und moralische Vervollkommnung des Menschengeschlechtes zu erwarten steht“, gewidmet hat, ein Buch, dessen Hauptzweck die Förderung vernünftiger Ansichten über die naturgemäße Pflege des gesunden und kranken Menschenkörpers bildet. Wir haben heute eine besondere Veranlassung, auf dieses in 175,000 Exemplaren verbreitete Werk hinzuweisen, denn soeben ist der zweite Band der neuesten, 13. Auflage desselben erschienen. Das Buch ist von einem Schüler Bock’s, Dr. M. J. Zimmermann, einer genauen Durchsicht unterworfen und namentlich der zweite Band, welcher die Pflege des kranken Körpers behandelt, mit den neuesten Errungenschaften der medicinischen Wissenschaft in Einklang gebracht worden. Wir möchten darum selbst denjenigen, welche ältere Auflagen des Bock’schen Buches besitzen, dringend rathen, die Kosten nicht zu scheuen und sich die neueste Auflage desselben zu verschaffen.

Praktische Zwecke verfolgt gleichfalls ein Werk, welches ebenso wie das zuletzt erwähnte auf dem Boden der „Gartenlaube“ entstand. Es sind dies „Vernünftige Gedanken einer Hausmutter“ von C. Michael (Leipzig, Ernst Keil). Auch dieses Buch ist soeben in einer neuen, bedeutend vermehrten Auflage erschienen. Es hat sich schon früher als ein so vortreffliches und gediegenes Geschenkswerk für Frauen und Jungfrauen bewährt, daß eine besondere Empfehlung desselben an dieser Stelle füglich unterbleiben kann.

Auch auf dem Gebiete der Jugend- und Kinderliteratur ist das Bestreben bemerkbar, kleinere Bücher in den Dienst einer bestimmten Idee zu stellen.

So bringt uns der bewährte Jugendschriftsteller J. Lohmeyer, der bekannte Herausgeber der „Deutschen Jugend“, eine Sammlung interessanter Erzählungen unter dem Gesammttitel: „Junges Blut“, in welchen er durch leichtfaßliche Bearbeitung historischer und märchenartiger Stoffe auf die Bildung und Veredelung einzelner Charakterzüge seiner jungen Leser abzielt.

Ein Mitarbeiter der „Gartenlaube“, Dr. Max Taube, hat sich ferner in seinem Bilderbuch „Der bunte Hans“ (Leipzig, Carl Reißner) die Aufgabe gestellt, bei Kindern in dem zarten Alter von ein bis fünf Jahren die Bildung des Farbensinnes zu pflegen. Dem Kinde werden von dem ersten Tage seines Lebens an fast nie reine Farben, sondern theils Mischfarben, theils Farbenzusammenstellungen vorgeführt, für welche seine Augen vollkommen unempfänglich sind. Das vorliegende Bilderbuch soll nun auf einfarbigen Tafeln den Kindern die Erlernung der Begriffe Roth, Grün, Grau etc. erleichtern. „Der bunte Hans“ ist in der That ein nicht nur originelles, sondern auch verdienstliches Unternehmen. Seine Idee ging von Dr. Max Taube aus, die Zeichnungen hat Adolf Reinheimer ausgeführt.

Noch allgemeinere Beachtung, als sie bereits besitzt, verdient in den weitesten deutschen Volkskreisen der „Universalbibliothek für die Jugend“ zugewendet zu werden. Dieses Stuttgarter Unternehmen hat von Seiten der Kritik, und namentlich der pädagogischen Blätter, auf welche hierbei das Hauptgewicht zu legen ist, eine geradezu freudige Aufnahme erfahren. Ein Ereigniß für die Jugend wird es genannt, daß endlich auch der weniger bemittelten Familie, ja dem ärmsten Kinde Bücher, und zwar mit Bildchen ausgeschmückte Bücher zur Christbescheerungsfreude gereicht werden können, die früher nur in den Häusern der Wohlhabendsten zu sehen waren. Für 20 Pfennig einen illustrirten Robinson, ein Märchenbuch, einige Erzählungen von den besten Autoren, z. B. die schönsten Erzählungen des Weiße’schen Kinderfreundes – das ist auch dem kleinen Mann erschwinglich, und wenn er 40 Pfennig mehr anwenden kann, bekommt er sein Heftchen in schönem Einband. Für Tausende von Kindern wird dadurch die Welt des Schönen erschlossen, wie dies einst für die Erwachsenen der deutschen Nation geschah, als ihnen die Werke ihrer Dichter, die sie bis dahin kaum den Namen nach kannten, um billigen Preis dargeboten wurden. Das ist keine bloße buchhändlerische Speculation, das ist eine schöne That.

Dabei bleibt es nicht ausgeschlossen, daß auch die Ansprüche des Wohlhabenderen befriedigt werden. Dies geschieht z. B. durch die vortrefflichen Bücher der Ottilie Wildermuth: „Aus der Kinderwelt“, ein Buch für jüngere Kinder, mit Zeichnungen von E. Kepler, E. Klimsch und O. Pletsch. An den Bildern dieses Kinderbuches erfreut sich auch der Aelteren Auge; was aber darin erzählt wird, dem lauscht das Kind immer gern, bis es selber lesen kann und sie dann immer wieder mit demselben Vergnügen liest. Für Knaben und Mädchen von reiferen Jahren begründete dieselbe gute Kinderfreundin Ottilie Wildermuth, die für ihre Lieblinge im Geiste noch immer fortwirkt, das wunderschöne große Buch: „Der Jugendgarten“, der nun schon zum achten Male für das Christfest fertig geworden ist. Dieses dicke Buch enthält zwar nur 20, aber mit Kunst und Fleiß ausgeführte Bilder, dagegen über 30 Erzählungen, Belehrungen, Geschichtsstücke und Lebensdarstellungen denkwürdiger Menschen, so daß ein aufmerksames Kind das ganze Jahr hindurch in seinen freien Stunden darin seine Erquickung finden kann.

In diese Reihe der illustrirten Kinderbücher gehören zwei Erzählungen von Emmy von Rhoden: „Das Musikantenkind“ mit 6 vortrefflichen Farbendruckbildern von P. Wagner, und „Lenchen Braun“, eine Weihnachtsgeschichte für Kinder von 10 bis 12 Jahren, mit 4 Bildern von Wagner, beide im Verlag von Gustav Weise in Stuttgart. Zu dem ersteren Buche hat Friedrich Friedrich eine Vorrede geschrieben, welche die Erfordernisse einer guten Kindererzählung in so treffender Weise aus einander setzt, daß wir bedauern, dieselbe nicht vollständig hier abdrucken zu können. Beide Erzählungen müssen wir den aufgestellten Regeln als vollkommen entsprechend, als zwei musterhafte Leistungen auf diesem Gebiete bezeichnen.

Auch auf dem Gebiete der Vorlagen für weibliche Handarbeiten können wir interessante Neuigkeiten verzeichnen, so namentlich zwei Werke der Verlagshandlung von Gustav Elkan in Harburg an der Elbe „Album deutscher Leinwandstickerei“ und „Filet-Guipüre-Album“ von Erna von Manteuffel, auf welche wir später in ausführlicherer Weise zurückkommen werden. Heute möchten wir sie im Voraus, als nützliche Weihnachtsgeschenke, empfohlen haben. –




Deutsche Dichtung auf dem Weihnachtstisch.

Wenden wir uns wieder dem Christbescheerungsbedürfnisse der Erwachsenen zu, so müssen wir abermals obenan eine künstlerische Verherrlichung der Poesie stellen: die erste große illustrirte Prachtausgabe von Goethe’s Werken aus der deutschen Verlagsanstalt, [804 b] vormals Eduard Hallberger, in Stuttgart. War der erste Band derselben eine Zierde des Weihnachtstisches im vorigen Jahre, so bietet die Verlagshandlung jetzt die doppelte Ueberraschung dar, daß nicht nur der zweite Band indeß vollendet, sondern auch der dritte noch zum Festgeschenke für diese Bescheerung bestimmt ist. Der zweite Band bringt zu „Götz von Berlichingen“ die Illustrationen von Alexander Wagner, zu „Egmont“ von C. Schick, H. Kolb und C. Häberlin, zu „Iphigenie auf Tauris“ von C. Schick, A. Schmitz und Ferd. Keller, zu „Torquato Tasso“ von Herm. Schneider, zu „Die natürliche Tochter“ von Otto Seitz, zu „Faust“, 1. Theil, von Franz Simon, zu „Faust“, 2. Theil, von Franz Simon, H. Schmidt-Pecht, C. Kanoldt und C. Brünner. Den dritten Band füllen mit ebenso zahlreichen und vortrefflichen Illustrationen „Clavigo“, „Stella“, „Die Geschwister“, ferner die „Leiden des jungen Werther“ und „Wilhelm Meisters Lehrjahre“ aus. Eine illustrirte Prachtausgabe von Friedrich von Schiller’s Werken ist aus derselben Verlagsanstalt hervorgegangen.

Es ist ein wohlthuender Gedanke, daß die Werke der Männer, die zu den höchsten Zierden ihrer Nation gehören, auch in würdigster Weise von der Kunst geschmückt werden, und sind solche Literaturschätze vor der Hand auch nur den Wohlhabenderen zugänglich, so darf man doch der Hoffnung leben, daß sicherlich auch noch für die Möglichkeit einer Verbreitung derselben in weiteren Volkskreisen gesorgt werden wird.

Würdige Festgaben sind die beiden den obigen Prachtwerken als wissensschaftliche Begleiter sich anschließenden musterhaften Lebensbeschreibungen unseres Weimarischen Dichterpaares, „Schiller’s Leben und Wirken von Emil Palleske und „Goethe’s Leben und Wirken von G. H. Lewes, deutsch von Dr. Julius Frese“, von deren ersterer uns die elfte, von deren letzterer uns die vierzehnte Auflage, beide im Verlage von Karl Krabbe in Stuttgart, vorliegt.

Für Tausende ist es sicherlich eine Freudenbotschaft, daß auch Christoph von Schmid, der Verfasser der „Ostereier“, mit seinen „Gesammelten Schriften“ wieder in die Hände unserer Jugend kommt. So unverwüstlich wie der „Robinson“ haben als Kinderlust die „Ostereier“ sich durch Generationen erwiesen, und mit diesen eine nicht geringe Anzahl seiner dem Herzen der Jugend wie abgelauschten Geschichten. In 18 Bändchen, jedes mit 8 Textillustrationen und einem colorirten Titelbilde, sind „Christoph von Schmid’s Gesammelte Schriften“ im Verlag von Louis Finsterlin in München erschienen.

Eine Fortsetzung unserer Weihnachts-Literatur-Empfehlung aus Nr. 47 führt uns zu den zum Theil äußerst schmuckreich auftretenden lyrischen Spenden unserer Dichter.

Voran schreite ein alter Dichter von bestem Namensklang: Julius Sturm in Köstritz, dessen „neue Gedichte“ unter dem Titel „Natur, Liebe, Vaterland“ bei F. A. Brockhaus in Leipzig erschienen sind. Was sagen die Frauen zu dem, was er als „das ganze Glück“ besingt?

„Ich wähnt’, es könne nichts süßer sein,
Als heimliches Küssen und Kosen
Im Garten, wenn der Vollmondschein
Liebäugelt mit den Rosen.

Doch als ich dich zum Weib gewann,
O Fülle seliger Stunden!
Da hab’ ich erst als ganzer Mann
Das ganze Glück gefunden.“

An den Vater schließt sich der Sohn an: von August Sturm, der uns im vorigen Jahre mit einem „Thüringer-Wald-Märchen, Zauberstück in fünf Aufzügen“ (Rudolstadt bei F. Witzlaff) erfreute, liegt vor uns: „Auf Flügeln des Gesanges. Ein deutsches Liederbuch.“ (Neuhaldensleben, A. Besser.) Der Junge theilt mit dem Alten das warme Herz und hat die Jugendfrische dazu. Ihm werden viele Männer Recht geben, wenn er an E. von Hartmann, den pessimistischen Philosophen, die Verse richtet:

„Ja, Du hast Recht, die Welt ist älter worden!
Doch Deine Lehren machen sie noch älter
Und Deine Weisheit macht die Herzen kälter,
Du mahnst die Welt, sich selber zu ermorden!

Doch frei ist unser Wille, und wir wollen
Der Welt zum Troß die Freiheit uns erküren
Und sie aus dieser Zeit zu bess’rer führen,
Und lassen Dich mit Schopenhauer grollen!“

In vierter Auflage sind erschienen „Gedichte von Max Moltke“. Leipzig, Verlag von J. G. Findel. Wenn Rud. von Gottschall in seiner „Geschichte der deutschen Nationalliteratur“ diesen Gedichten nachrühmt, daß in ihnen der Ton des volksthümlichen, sangbaren Liedes oft in ausnehmend glücklicher Weise getroffen sei, und zwar mit einem frisch aus dem Herzen strömenden Fluß und Guß, markig, ohne Affectation, so wird diese Anerkennung wohl geeignet sein, die Theilnahme der deutschen Weihnachtsbescheerer diesem in unaufhörlichem Sorgenkampf befangenen Dichter zuzuwenden. Das Buch ist weihnachtsfestlich ausgestattet.

In feinem und geschmackvollem Gewande präsentirt sich ein Bändchen Gedichte unter dem Titel: „Erde und Eden“ von Ernst Harmening (Jena, Fr. Mauke’s Verlag [A. Schenk]). Diese Lieder sind einem frischen, freien Geist und einem warmen und braven Herzen entsprungen. Es weht akademische Luft durch diese Blätter, aus welchen auch Componisten Vieles für sich finden könnten.

Ebenfalls in schmuckem Gewande und neuer Auflage empfehlen die „Haiderosen“ Karl Schäfer’s (Darmstadt, Arnold Bergsträßer’s Verlag) sich dem spendelustigen Christmarktsgaste. Gedichte, wie das ergreifende: „O Mutter, wenn ich dein gedenke“, und viele der frischen Wanderlieder werden sich rasch in die Herzen einschleichen. Eine heitere Weihnachtsscene, „Die Muhme“ (die Oscar Pletsch uns illustriren wird), ist vom Componisten der „Martha“, F. von Flotow, in Musik gesetzt worden. Auch des Dichters Heimath, der sagenreiche Odenwald, hat durch ihn manche glückliche Verherrlichung erfahren.

Die im J. G. Cotta’schen Verlag in Stuttgart erschienenen „Gedichte von Martin Greif haben ebenfalls bereits die 3. Auflage erlebt. Der Dichter führt uns gern und oft und zu jeder Jahreszeit in der freien Natur herum, der er manches schöne Bild abgelauscht hat. Er theilt seine reiche Sammlung in Lieder, Naturbilder, Balladen und Romanzen, deutsche Gedenkblätter, Widmungen und Sinngedichte. Auch dieses Buch verdient es, daß es Freuden bereiten helfe.

Beliebte Festgeschenke waren von jeher und sind noch immer die unter den verschiedensten Titeln auftretenden Blumenlesen, Anthologien und dergleichen Sammlungen. Sie fehlen auch nicht auf diesem Weihnachtsmarkt.

Den stattlichsten Eindruck macht das Werk eines hochgeachteten Lehrers: „Lebensworte aus dem Munde guter und großer Menschen aller Zeiten und Völker für Geist und Gemüth. Herausgegeben von J. D. Lüttringhaus“. (Lüdenscheid, Verlag von W. Crone jun.). – Als erklärendes Vorwort für den Zweck seiner Arbeit läßt der Verfasser Bodenstedt’s Verse aus „Mirza Schaffy“ gelten:

Wenig große Lieder bleiben,
Mag ihr Ruhm auch stolzer sein;
Doch die kleinen Sprüche schreiben
Sich in’s Herz des Volkes ein,
Schlagen Wurzel, treiben Blüthe,
Tragen Frucht und wirken fort:
Wunder wirkt oft im Gemüthe
Ein geweihtes Dichterwort.“

Man schlägt in der That kein Blatt dieses Buches auf, ohne einen schönen, oder guten oder großen Gedanken mit fort zu nehmen.

Einen ähnlichen Zweck, aber in engeren Grenzen, verfolgt Rhingulph Wegener in seinem Büchlein: „Die Sprache des Herzens“. Liederalbum für Damen. Aus den neuesten deutschen Dichtern gesammelt. 4. Auflage. (Jena, Fr. Mauke’s Verlag [A. Schenk].)

Ein weiteres Feld bebaut wieder: „Christoph Lehmann’s Blumengarten, frisch ausgesäet, aufgeharkt und umzäunt von einem Liebhaber alter deutscher Sprüche und Weisheit. Volksausgabe“ (Berlin, Karl Duncker’s Verlag [C. Heymons]). Wir erhalten mit dieser werthvollen Gabe die schon von Lessing begonnene Auswahl aus einem alten berühmten Werke, dem zuerst 1630 auf des Autors Kosten gedruckten „Florilegium politicum. Politischer Blumengarten. Darinn außerlesene Politische Sententz, Lehren, Reguln und Sprüchwörter aus Theologis etc. und eygener erfahrung etc. zusammengetragen.“ Wir werden auf Mann und Buch an anderer Stelle zurückkommen.

Unter die Veröffentlichungen verwandter Art gehören ferner die von Otto Wermann in Altenburg verlegten „Trinksprüche. Eine Auslese der schönsten alten und neuen Sprüche in Wirthshäusern, Trinkstuben und an Trinkgeräth. – Sogar ein „Schillergarten. Eine systematisch geordnete Blumenlese aus Schiller’s sämmtlichen Werken von S. Blumenau (Bielefeld, Verlag von Aug. Helmich) hat zu Weihnacht ein Festkleid erhalten.

Noch ein musikalisches Werk muß hier erwähnt werden. Der bekannte Componist des populär gewordenen Liedes „500,000 Teufel“, Graben-Hoffmann, hat vor Kurzem eine „Neue Liederspende für die Jugend“ unter dem Gesammttitel „Frühlingsstimmen“ (Dresden, L. Hoffarth) herausgegeben. Die an und für sich sehr mannigfaltige Sammlung ist durch Originalbeiträge von F. von Hiller, C. Reinecke und Graf Bolko von Hochberg bereichert; in gemüthlichen Familienkreisen wird sie ohne Zweifel viel Freude bereiten und die fröhliche Kinderschaar oft um das Clavier versammeln.

Ohne Anschluß an die obige Reihe stehe hier noch ein Sammelwerk, dem wir recht warme Anerkennung und weite Verbreitung auch im deutschen Reiche wünschen, nachdem es dieselbe in Deutsch-Oesterreich bereits gefunden zu haben scheint. Es ist dies das erste nordböhmische Dichter-Album, das unter dem Titel „Spitzberg-Album. Dichtungen aus Nordböhmen, gesammelt von Dr. L. Hantschel und Professor A. Paudler (Leipa, Jg. Widinsky) erschienen ist, weil der Ertrag desselben zum Besten des Fonds für Erbauung eines Aussichtsthurms auf dem Spitzberg bei Böhmisch-Leipa bestimmt worden war. Dieses Buch ist ein glänzendes Zeugniß für den hohen Bildungsgrad, auf welchem die Böhmen deutscher Zunge stehen, und für die mannhafte Gesinnung, welche sie vertreten. Wir begegnen auf den 410 Seiten dieses Albums einer großen Anzahl nach Form und Inhalt trefflicher Gedichte, und wenn Einzelnes verräth, daß nicht blos patriotische Dichter, sondern auch dichtende Patrioten an diesem gemeinsamen Zeugniß deutschen Geistes im Böhmerland gearbeitet, so begrüßen wir auch das mit herzlicher Freude. Ja, mit Freude stimmen wir der Schlußstrophe des „Deutsch-österreichischen Liedes“ von Heinrich Möchel bei:

Deutsch-Oesterreich, du herrlich Land,
Den Schwur hör’ deiner Söhne,
Der von der Elbe grünem Strand
Zur Adria hin dröhne;
Ob hundert Zungen, dichtgeschaart,
Um uns herum erschallen,
Wir lassen nicht von unsrer Art,
Wir bleiben deutsch vor allen!“