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Über Lotterie-Unfug

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: Fr.
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Titel: Über Lotterie-Unfug
Untertitel:
aus: Journal von und für Franken, Band 3, S. 216–223
Herausgeber: Johann Caspar Bundschuh, Johann Christian Siebenkees
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1791
Verlag: Raw
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Erscheinungsort: Nürnberg
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Originalherkunft:
Quelle: UB Bielefeld, Commons
Kurzbeschreibung:
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IV.
Über Lotterie-Unfug.

So sehr auch die besten Regenten unserer Zeit von den verheerenden Folgen der Glücksspiele überzeugt sind, und so weise Maaßregeln sie auch zur Austrocknung dieser Unglücks-Quellen nehmen: so wenig war doch zeither diesem Unfug zu steuern, da nicht nur Teutsche Fürsten vom ersten Range noch immer mit Gelassenheit zusehen können, wie durch ihre privilegirten Saugmaschinen tausende ihrer Unterthanen dem Elend überlassen werden; sondern besonders die kleinern Regenten ein eigenes Gewerbe mit der Leichtgläubigkeit des Publicums treiben, um ihre, vielleicht gegen den immer höher steigenden Luxus, ihnen etwas spärlich zugetheilten Einkünfte, auf Kosten der Ausländer, denn das Häuschen der Innländer ist zum Theil gar klein, zu erhöhen.

 So häufig diese unseelige Speculation von einem, auf ganz unrichtigen Grundsätzen beruhenden Finanz-System seinen Ursprung hat, eben so gewöhnlich ist es auch, daß man sie in die frömmste Larve der wohlthätigsten Menschenliebe einhüllet, um nicht allein dem gewinnsüchtigen| Theil des Publicums, sondern auch den wohlthätigen Menschenfreunden, Lockspeisen zu reichlichen Beyträgen, vorzuhängen. Viele führen auf ihrem Schild: zum Besten der Armuth! Aber wird nicht leider dieses so wohlthätig scheinende Unterstützungs-Mittel eine der traurigsten Quellen unbeschreiblichen Elendes? Wie viel tausende waren nicht gute Bürger des Staats, so lange sie keine Glücksspiele kannten! Sie hatten ihr hinreichendes Auskommen, da ihre Wünsche, ihre Hoffnungen nicht groß, mithin leicht zu befriedigen waren; der Armen waren wenig, der Staat war im Stand, ihnen Arbeit zu geben, sie zu ernähren; dem Landesvater – oder irgend einem benachbarten Regenten, fällt es ein, der Menschheit ein Opfer zu bringen, und zum Besten der Armuth ein Lotto, oder eine Lotterie, eines so schlimm als das andere, zu errichten; kaum reicht vielleicht die Hälfte seiner Besitzungen zu, die Gewährschaft für die ungeheuren Gewinnste zu leisten, die er den Spielern vorlegt; die Buden der Collecteurs werden eröffnet, der Zulauf ist unbeschreiblich, das Gemählde der fast untrüglich vorgestellten Hoffnung ist zu reizend, als daß man so leichte Mittel,| zu seinem Glück zu gelangen, in den Wind schlagen sollte; noch ansehnlicher wird diese Hoffnung in dem Munde der Collecteurs, mehrentheils ausgelernter Charlatane. Unter so günstigen Umständen häuft sich zusehends die Casse dieser wohlthätigen Anstalt, und tausende sehen dem Tag ihres Glücks, der Ziehung entgegen. Sie erfolgt, aber ihr folgen unzählige Flüche und Verwünschungen nicht befriedigter Hoffender. Doch die Hoffnung, die süßeste aller Leidenschaften, verläßt die Leichtglaubigen noch nicht; noch sind die Einlagsgelder zur künftigen Ziehung, die mit dem größten Pomp schon angekündiget worden ist, zu schaffen; noch glänzendere Vortheile erscheinen in den Planen der Glücksbude, und alles freuet sich auf einen glücklichen Tag, der tausend entworfene Plane der Einsetzer entscheiden soll. Er kommt, und ihm folgen abermahls die bittersten Jeremiaden fehlgeschlagener Hoffnungen. So treibt sich dieses verführerische Spiel Jahre lang fort; mit dem Verlust der Spielenden steigt ihre Leidenschaft, mit ihrem Verlust schwindet ihre ganze Haabseeligkeit; nach den letzten Versuchen verliert sich endlich auch die Hoffnung, und der fürchterlichste| Zustand tritt ein, wo der Hoffnungslose, in der Verzweiflung, nicht selten nur in der Vernichtung seines Körpers seinen Trost findet, oder wenn es noch gut geht, ihm eine mit Freyheit und Lebensgefahr erkaufte Montur zu Theil wird.

 Schon die Regeln der Wahrscheinlichkeit zeigen, bey kaltblütiger Erwägung dieser gefährlichen Spiele, wie wenig Hoffnung dem Einsetzer übrig bleibt, wenn man den künstlichen Bau solcher Glücksmaschinen nur flüchtig durchschaut; aber empörend gegen die Menschheit ist es, wenn auch dem Glück nicht einmahl freye Hand gelassen, sondern das Publicum noch hintergangen, und auch die ohnehin geringe Wahrscheinlichkeit zum Gewinn, durch niedrige Kunstgriffe, dem Einsetzer entzogen wird.

 Eine einzige Anekdote soll hier reden, und das vernünftige Publicum urtheile!

 Zu O–g in der Wetterau wurde vor einigen Jahren unter der Garantie der Gr. v. St–g. eine Lotterie eröffnet, die ungeheure Gewinnste enthielt. Die ausgebreitete Correspondenz, aber auch die Effronterie des Directeurs dieser Anstalt, verschaffte ihr starken| Absatz in alle Gegenden Teutschlandes und fast in alle ausser Teutschland gelegene Erdstriche, wurden Plane und Loose dieser Lotterie versandt. Ganz gegen meine Gewohnheit, und mehr aus einer Art Neugierde, als aus Spielsucht, ließ ich mich verführen, die Casse dieser Finanzspeculation auch mit einem Beytrag zu vermehren. Ich vermuthete keinen Gewinnst, weil ich ohnehin täglich erfahre, daß das Glück eben kein großer Freund von mir ist; es machte mir also nicht die mindeste Unruhe, da ich die ungeheure Ziehungsliste durchging, und die Zahl meines Looses ganz klein gedruckt fand, statt daß die Größe der Zahl nach dem Grad der Gewinnste sich ausgezeichnet fand; ich also mit mehrern tausenden gleiches Schicksal im Durchfallen gehabt hatte. Da ich nun doch eigentlich aus Neugierde eingesetzt hatte, so wollte ich meine Neugierde noch mehr befriedigen, und bat mir von der Lotteriedirection Nachricht aus, wer die ersten Gewinnste dieser Ziehung (es war die 5te Ziehung vorigen Jahres) erhalten hätte. Ich mußte über die Antwort herzlich lachen, doch kam meine Galle auch dabey in einige Bewegung, da ich sah, wie man die Welt oft zum Besten hat, und ihr eine| Schnurre vormahlt, um nur auf ihre Kosten sich Schätze zu sammlen; Die Antwort war diese:
„Der Gewinnst à 100000 fl. ist gefallen in die Collecte der Hrn. Pinel Freres & Comp. in Constinantinopoli!
50000. fl. in die Collecte des Herrn Ioseph Gazzo K. K. Konsul in Gibraltar.
25000. fl. in die Collecte des Herrn Israel Brostron Groshändler in Vddenwalla in Schweden etc.“

 Wer in der Welt möchte wohl dieses für Wahrheit halten? Ich wünschte nur zu wissen, ob nicht etwa mehrerere Interessenten dieser O–gischen Lotterie, wegen der ersten Gewinnste dieser Ziehung Nachricht eingezogen, und ob sie gleichlautende Antwort erhalten hätten?

 Sollten nun die glücklichen Collecteure, Herr Pinel, Gazzo und Brostron, im Fall sie wirklich existiren, von ihren ansehnlichen Gewinnsten noch nicht wissen, oder ihnen auf diese Nachricht, wenn ihnen solche etwa gelegenheitlich zukäme, die gedachten Gewinnste nicht ausgezahlt| werden; so steht ihnen auf ihr Verlangen das eigenhändige Bekänntniß des Lotterie-Directeurs Hrn. A. F. im Original zu Befehl, um ihre Gewinnste daraus rechtlich fordern zu können; da solche Pöstchen es immer die Mühe verlohnten, eine Spazierreise nach Teutschland zu machen.

 Sollte aber auch das Vorgeben dieser drey Hauptgewinnste wirklich gegründet seyn, von dessen Gegentheil ich freylich, ausser der vorliegenden Wahrscheinlichkeit, keinen vollen Beweis habe: so wäre auch dieses, daß eine Summe von 175000 fl. mit einemmahle, aus Teutschland zusammengefischt, und in jene entlegenen Gegenden gebracht worden wäre, schon ein höchst schädliches Ereigniß.

 Da mir schon aus dem Journal von und für Franken erinnerlich ist, daß auch in dieser Gegend die Wetterauischen Herrn Lotterie-Directorn und Collecteurs, ihr Glück versucht, aber ihr Conto, zur Ehre Frankens, nicht gefunden haben: so zweifle ich um so weniger an einer geneigten Aufnahme dieses kurzen Aufsatzes, der keine andere Absicht hat, als noch mehr Mißtrauen und Verachtung gegen alle Lottos und Lotterien zu erregen, die aber auch,| erforderlichen Falls, mit den Originalien belegt werden kann. L. d. 8. April 1791.
Fr.