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ADB:Adam, Franz

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Artikel „Adam, Franz“ von Hyacinth Holland in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 45 (1900), S. 693–700, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Adam,_Franz&oldid=- (Version vom 19. November 2024, 11:39 Uhr UTC)
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Adam: Franz A., welcher unbestritten zu den besten Schlachten- und Pferdemalern der Neuzeit zählt, wurde am 4. Mai 1815 zu Mailand geboren. Im Atelier des Vaters Albrecht A. zu München entwickelte sich dieser Feuergeist, sodaß der Besuch der Akademie wenig mehr mitzuwirken vermochte. Als Albrecht A. 1829 nach Stuttgart ging, um die edlen arabischen Pferde des Königs und diesen selbst zu porträtiren, begleiteten ihn schon Benno und Franz; letzterer folgte ihm auch 1837 nach Schleswig an den Hof des Herzogs von Augustenburg, 1848 nach Italien und 1851 nach Wien und Ungarn. So lernte sich nebenbei der zum Fortkommen in der Welt unentbehrliche Ton und das Savoir-vivre, jene oft von den besten Künstlern absichtlich vernachlässigte Routine. Vorübergehend verfiel Franz A. auch dem Reitsport, hielt schöne Pferde und Renner; gebärdete sich als das vollblütigste Mitglied der Münchener jeunesse dorée, bis er plötzlich des zeitraubenden Treibens müde, den ganzen Trödel bei Seite warf und die beleidigte Muse der Kunst durch innigste Hingabe wieder versöhnte. Doch blieb ihm ein chevaleresker Edelmuth und die höchste aufopferungsfähige Treue, aber auch eine Freisinnigkeit des Wortes, welches ohne Ansehen der Person heraus mußte in guten und bösen Stunden. Wie Benno A. so zeichnete auch Franz die Bilder seines Vaters (darunter viele Blätter von dessen „Voyage pittoresque“ 1827–33) und später auch seine eigenen und die Erzeugnisse seiner Brüder in einträchtiger Neidlosigkeit auf Stein, malte Pferde-, Stallbilder und Reiterporträts (Feldmarschall Fürst v. Wrede 1843). Die vollste Thätigkeit aber entwickelte Franz mit unverbrüchlicher Anhänglichkeit im Atelier des Vaters, wo er allen größeren und kleineren Schöpfungen desselben Beihülfe leistete, von der schon 1835 für König Ludwig I. vollendeten „Schlacht von Borodino“ bis zu jenem die „Schlacht von Zorndorf“ darstellenden letzten großen Bilde Albrecht Adam’s, welches der Altmeister ausdrücklich „ohne die Beihülfe seiner Söhne“ von 1859 bis 1861 vollendete. Von 1834 bis zu dem 1862 erfolgten Ableben Albrecht Adam’s stand Franz bald als rechte, bald als linke Hand, dem Vater zur Seite. Seine Frische und Genialität wirkten auf den alten Herrn zurück, welcher sich sonst der unabweisbar andringenden Neuzeit feindselig gegenüber gestellt hätte. Es gab naturgemäß viele artistische Controversen in dieser Künstlerfamilie, bis Albrecht A. zu der beinahe komisch klingenden Erklärung kam, er „trete aus dem Atelier seiner Söhne“. Deßungeachtet blieb Franz der unzertrennliche Gehülfe und verzichtete auf eigene Leistungen, als die anderen Brüder ihre Selbständigkeit schon errungen und begründet hatten. So erklärt sich auch, daß von Franz A. vorerst verhältnißmäßig sehr wenige Bilder in die Welt gelangten, darunter die 1847 gemalten „Französischen Cürassiere“, welche während des Brandes von Moskau in einem Hofe Champagner trinkend, brütend und schlafend ihr rastloses Wesen [694] treiben (Neue Pinakothek, bei Soldan Blatt 70). Im J. 1848 ging Albrecht A. mit seinem Sohne Eugen nach Mailand zu Radetzky; im folgenden Jahre waren Eugen und Franz Zeugen der Belagerung von Malghera und Venedig. Ihre Studien und Skizzen ergaben das große litterarische Prachtwerk über die italienischen Feldzüge, welches gedruckt in der lithographischen Anstalt von Julius A., so recht als ein Product der Brüder A. und ihrer vereinten künstlerischen Bestrebungen gelten mag (vgl. den Artikel Julius Adam.). Dann arbeitete Franz A. wieder mit dem Vater, lithographirte dessen Porträt des „Feldmarschall Graf Radetzky mit seiner Umgebung“ und malte an dem großen Bilde der „Schlacht von Custozza“, welches Albrecht A. 1851 für König Ludwig I. vollendete (Neue Pinakothek). Dann begleitete Franz den Vater auf einer Reise nach Wien, zeichnete viele Officierbildnisse für das neue Schlachtbild des Vaters; darauf gingen beide unter Führung eines kenntnißreichen Officiers vom Generalstab, nach den wichtigsten Punkten der ungarischen Insurrection: über Komorn, Pest, Szegedin, Szöreg bis Temesvar, überall trotz der glühendsten Sommerhitze Aufnahmen machend und zeichnend; der Rückweg führte über Arad und Mezö-Högyes, wo sie in dem großen kaiserlichen Gestüt prächtige Pferde zeichneten. Franz war ganz berauscht von den fremdartigen Eindrücken des herrlichen Landes und schöpfte die erste Anregung zu den nachmals so formvollendeten Bildern aus dem ungarischen Volksleben. Noch in Pest malte Franz mit „wahrer Begeisterung und großer Passion“ eine schöne Skizze der „Schlacht von Temesvar“, welche, mit der übrigen Ausbeute dieser Reise, bei der am 10. August 1851 zu Wien erfolgten Audienz (wobei auch Franz A. dem Kaiser vorgestellt wurde) zur Vorlage kam, worauf die Bestellung zweier Bilder erfolgte. Unter der Beihülfe seines Sohnes vollendete Albrecht A. rasch seine Aufträge, also daß er schon Ende Mai 1852 die „Schlacht von Szöreg“ und im März 1853 ein neues Bild nach Wien überbringen konnte. Beinahe gleichzeitig war die „Erstürmung der Düppeler Schanzen“ für die neue Pinakothek vollendet, die „Schlacht von Novara“ für König Ludwig I. in Angriff genommen und schon zu Ende März 1854 abgeliefert. hatte auch Eugen A. besonders im landschaftlichen Theile mitgewirkt. Nur durch solch gemeinsame Antheilnahme, wobei Franz A. vorzüglich im coloristischen Sinne wirkte, wurde es möglich, solche Aufgaben in erstaunlich kurzer Zeit zu lösen. Im Mai 1855 war auch der große, die „Schlacht von Temesvar“ entscheidende Cavallerieangriff fertig, worauf Albrecht A., und zwar ohne die gewohnte Assistenz seiner Söhne, von einem völlig neuen Gesichtspunkte aus, die zweite Bearbeitung der „Schlacht von Novara“ begann, welche das Officiercorps des Generalquartiermeisterstabes zur Feier des fünfzigjährigen Dienstjubiläums des Feldzeugmeisters v. Heß bestellte. Unterdessen malte Franz A. verschiedene Staffeleibilder und Porträts, Pferde- und Genrestücke aus Ungarn, lithographirte die vorgenannte „Schlacht von Novara“, porträtirte seine Freunde und Brüder Benno und Eugen, ebenso seinen Vater, alle gleich vorzüglich, geistreich und voll sprechender Aehnlichkeit. Im Mai 1856 ließ ihn Albrecht A., welcher schon seit sechs Monaten in Wien weilte, kommen, um mit vereinten Kräften das große Reiterbild des Kaisers nach der Natur zu malen, welches Franz soweit durchführte und vollendete, daß ihm der Vater das Autorrecht und damit die Einzeichnung seines Namens überließ (1856). Ebenso vollendete Franz ein kleines, von Albrecht begonnenes Bild des Kaisers und eilte dann, lange erwartet, auf das dem Grafen Nákó gehörige Gut Nagy-Szent-Miklós nach Ungarn, um einen stolzen Viererzug nebst den Porträts des Grafen und der Gräfin zu malen. Nach seiner Rückkehr begann Franz A. zu München die Ausführung eines reizenden Genrestückes, (die über eine Parkbrücke reitende Gräfin Nákó), unternahm nach den gleichfalls zu Wien gemalten Skizzen [695] das große Reiterbild Radetzky’s, dessen Vollendung, nebst anderen kleineren Arbeiten, über ein Jahr erforderte und brachte dasselbe nach Wien (Conferenzsaal des Kaiserarsenals). Der Maler wohnte wieder in der Stallburg und empfing vielfache Beweise der kaiserlichen Huld; seinem Wunsche, sich, da der Krieg wieder begonnen hatte, ins Hauptquartier zu begeben und der Armee folgen zu dürfen, wurde bereitwilligst entsprochen. Doch soll Graf Grünne den Künstler bei der Ankunft zu Verona nicht gar zu freundlich empfangen haben! Der entscheidende Schlag von Magenta war schon vorüber und die Aussicht auf siegreiche Erfolge mehr als fraglich. Uebrigens wurde dem Maler mit möglichster Zuvorkommenheit begegnet; er benützte seine Zeit zu charakteristischen Skizzen von Gefangenen und Verwundeten, wozu die Straße zwischen Valeggio und Villafranca am Tage von Solferino (am 24. Juni) eine Fülle von Eindrücken und Motiven bot, welche er mit fliegendem Stift und sicherer, unermüdlicher Hand festhielt. Zwei Tage darauf verließ Franz A., gleichzeitig mit Hackländer, ganz erfüllt von den gräßlichen Kriegsscenen, Italien und kehrte nach München zurück, um seine Erlebnisse in einem großen Bilde zu gestalten. Es verging aber noch geraume Zeit, bis A. jenes Werk begann, welches seinen Namen erfolgreich in die Reihe der ersten Künstler stellte. Friedliche, glückliche Ereignisse traten dazwischen. Der Mann, welcher bisher hoch und theuer geschworen hatte, sich nie von Hymen’s Banden fesseln zu lassen, verlor die Wette und sein Herz und heirathete ein ebenso schönes, wie geistreiches schwäbisches Edelfräulein, fast von der Klosterpforte weg, durch welche sie der Welt zu entsagen gedachte. Im Sommer 1860 fand im Schlosse zu Grieningen die Hochzeit statt, wobei auch der alte Vater Albrecht theilnahm und in dem Glück seines Sohnes verjüngt zu werden schien. Der mit Kindern gesegnete Bund blieb für Franz A. zeitlebens eine Quelle der Freude und des Trostes. Zwei Jahre darauf ging Albrecht A. am 28. August 1862 aus dem Leben; er war fast bis an sein Ende als Künstler thätig verblieben. Die Gründung eines eigenen Herdes nöthigte Franz A. seine Kraft selbständig zu concentriren. In Ermangelung größerer Aufträge entstanden kleine Pferde- und Genrebilder für Liebhaber und Kunsthändler, ein „Reiterporträt des Herzogs Philipp von Württemberg“, ein „Walachisches Mittagsmahl“ (1863) und das Genrestück, wie österreichische Ulanen den Ungarn, welche die arabischen Pferde des Gestüts Babólna 1849 fortgetrieben, selbe wieder abjagen. Endlich kam der langgehegte Wunsch, mit einem großen, ganz aus seiner Seele geschöpften und mit aller künstlerischen Vollendung ausgeführtem Werke sich die allgemeine Anerkennung zu erwerben, nach welcher sein hochstrebender Geist dürstete, zum Durchbruch. Eine gewisse Verbitterung, daß sein Name noch immer nicht die gebührende Wucht besitze, daß man seine beste Kraft unausgenützt liegen lasse und ignorire, trieb ihn trotz aller financiellen und anderen Bedenken, mit dem ganzen Aufgebot seines Genies, dasjenige Bild zu unternehmen, welches ihn dann zur längstverdienten Anerkennung brachte und zum größten Schlachtenmaler der Gegenwart emporhob. Mit dem „Rückzug von Solferino“ verstand Franz A. dem Kriege diejenige Seite abzugewinnen, welche am meisten malerisch, zugleich aber auch am erschütterndsten wirkt, weil man nur die schrecklichen Folgen des Kampfes, den Jammer der Sterbenden, das ganze wirre Bild der Zerstörung hinter der Fronte, den Verbandplatz, die namenlose Déroute des Rückzugs vor Augen hat. Das in der Mitte befindliche Häuflein von Gefangenen läßt in seiner stolzen Haltung unzweifelhaft erkennen, auf welche Seite die Würfel des Sieges fielen. Verstümmelte, Sterbende und Todte – jede Gruppe und Scene ist erlebt und steht mit photographischer Wahrheit im Skizzenbuch des Künstlers – bilden ein schauerliches Ganzes und erwecken uns eine mächtigere Vorstellung von der unsichtbaren Ursache dieser Gräuel, [696] als es die Vorführung der Schlacht selbst, die doch stets undarstellbar bleibt, jemals im Stande wäre (vgl. Lützow’s Zeitschrift f. bildende Kunst IV, 115). Das Bild errang von der Presse insgesammt die ehrenvollste, unbedingteste Anerkennung; die verschiedenartigsten Stimmen aus allen Lagern und Parteien einigten sich zu dessen Lobe. Es erschien zuerst 1867 auf der Pariser Weltausstellung und wurde daselbst prämiirt; ebenso 1869 zu München (bei Soldan: Blatt 79). Die übermächtige Wirkung des Bildes lag wol in der absoluten Naturwahrheit, welche, ohne jeden Aufputz in der Composition und ohne Geflunker in der Technik, sich mit tiefer Empfindung gab; Inhalt und Form deckten sich in völliger Harmonie und verliehen so dem Ganzen den unvergänglichen Stempel eines echten, ganz objectiven Kunstwerkes. Meissonier ehrte sich selbst, als er dasselbe auf der Pariser Exposition für den ersten Preis in Vorschlag brachte. – Deßungeachtet fand das Bild lange keine bleibende Stätte. Man malt doch nicht allein für den Ruhm, sondern wünscht den Kindern seines Herzens auch ein sicheres Heim zu bereiten. Da zeigte sich nun, wie wenig die Welt, trotz all den schönen ästhetischen Redensarten vom idealen Selbstzweck der Kunst, im Stande ist, eine historische Kunstleistung zu verstehen, richtig zu behandeln und zu pflegen, das heißt, deutlicher gesprochen, zu unterstützen oder zu kaufen. Oder hatte sich der Maler bei der Wahl seines Stoffes wirklich vergriffen? Welchem Lande sollte dieser „Rückzug“ als Glorie dienen? Also stand das politische Interesse dem Bilde immer wieder entgegen. England fühlte gar keinen Grund, sich thatsächlich dafür zu erwärmen, obwol es offenkundig immer in Italien geschürt und das unheilvolle Feuer gegen Oesterreich angeblasen hatte. Für Frankreich bot der Stoff der nationalen „Gloire“ zu wenig; Italien kaufte überhaupt nicht und hätte jedenfalls eine andere Begebenheit gewünscht. Für Oesterreich wäre eine solche Acquisition ein neuer historischer – ‚faux pas‘ geworden. König Ludwig I. äußerte wiederholt seine unbegrenzte Bewunderung für dieses Bild und beschäftigte sich auf das lebhafteste mit dem Gedanken, dasselbe zu erwerben, fand aber, daß der auf der Pariser Ausstellung angesetzte Preis nicht im Einklang stehe mit seinen Finanzen; eine Reduction desselben wollte er aus Rücksicht auf den Werth des Kunstwerkes nicht annehmen. Ein schön geplanter Versuch, Rußland dafür zu interessiren, blieb nur Project. „Habent sua fata libelli!“ Leider paßt dasselbe Sprichwort nur zu oft auch auf Bilder. Endlich kam Adam’s Bild, welches jeder europäischen Galerie zur Zierde gereicht hätte, nach Constantinopel, als der höchstselige Großsultan Abdul-Aziz in plötzliche Exaltation für historische Kunst gerieth. Aber die Kaufsumme blieb unterwegs irgendwo hängen, so daß der Maler erst spät zu seinem wohlverdienten Rechte gelangte. Nur durch Zufall entging A. der Ehre, Hofmaler der hohen Pforte zu werden, nachdem die Heimath keine Stelle und keinen Auftrag für den Künstler wußte. Denn die Ernennung zum Ehrenmitglied der Akademie nebst einem kahlen Professorentitel, welchem später eine kleine Staatspension folgte, bleibt doch kein Aequivalent für solche Leistungen. Die Ereignisse des Jahres 1866 schienen ihm auch nicht angethan, seinen Pinsel zu beschäftigen. Anfangs folgte er dem bairischen Hauptquartier, dann kehrte er mißmuthig nach München zurück, zehrte an seinen früheren Erlebnissen oder malte für die Laune und das Bedürfniß des Sport. Zu ersteren gehören „Oesterreichische Reiter 1859 in einem Hofe zu Verona“ und „Der letzte Tropfen Wein“, eine lebensvolle Scene aus dem italienischen Kriege von 1849: österreichische Soldaten sind eben daran, einem irgendwo aufgestöberten Fasse die letzte Flüssigkeit abzuzapfen; wie man die wackeren Burschen so brüderlich theilen sieht, möchte man traun dem Fasse die Wunderkraft des Oelkrügleins der Wittwe wünschen (Lützow’s Zeitschrift V, 122)! Ein anderes Stimmungsbild war „Vor dem Ausritt“ betitelt. Die Architektur [697] des Schlosses im Hintergrunde verspricht unserer Phantasie eine schöne Reiterin und einen solchen Begleiter, auf welche die edlen Rosse an der Hand des Dieners unzweifelhaft harren. Es ist Stilllebenmalerei und die Hinweisung auf einen kommenden, hinter der Scene sich vorbereitenden Vorgang: Darin liegt der wahre poetische Reiz (vgl. Lützow’s Zeitschrift VII, 290). Neben solch’ anmuthenden Idyllen steckte Franz A. abermals tief in einer Darstellung der schreckbaren Kriegsfolgen. Es war wieder ein Rückzug, aber aus Rußland; die Traditionen und Erzählungen des Vaters gaben sichtlich dazu den Anstoß: „Ueber tief beschneite Steppen, auf welchen der Westwind Schneewehen emportreibt, ziehen die versprengten Abtheilungen des napoleonischen Heeres auf der Flucht. Im Mittelgrunde ein General mit seinen Adjutanten zu Pferde, die Anstrengungen beobachtend, womit eine Batterie durch den Eismorast vorwärts gebracht wird. Bei Fortschaffung der letzten Kanone versagen die Pferde; zum Ersatz wird ein eben nachkommender Officierswagen ausgespannt, dessen Insassen absteigen; im Vordergrunde zieht ein Reiter sein Pferd herbei; am Boden liegen Müde und Sterbende, rechts Andere, die sich noch gegenseitig unterstützen, während weiter rückwärts der Strom der Fliehenden sich durch einander wälzt und in der Ferne Reiterzüge und dünne Menschencolonnen ins Weite ziehen.“ Darüber ein trübes, die bleischwere Stimmung noch erhöhendes Abendlicht. Das 1869 vollendete Bild wurde gleich darauf bei seiner Ausstellung zu Berlin für die Nationalgalerie angekauft. (Jordan, Katalog der Nat.-Galerie 1880, S. 5, und Lützow’s Zeitschr. 1871, VI, 24.) Franz A. hatte sich abermals als Schlachtenmaler ersten Ranges bewährt – und doch dachte Niemand daran, bei der Mobilmachung der Truppen 1870 unseren Künstler einzuladen. Tiefgekränkt, aber nicht gewillt, einen entgegenkommenden ersten Schritt für sich zu thun, blieb A., welcher, wie er selbst sagte, „keine schönere Musik kannte als das Pfeifen der Kugeln“, vergessen zu Hause. Aber sein unaufhörlich schaffender Geist verarbeitete in der gestaltenden Phantasie alle Berichte und schuf ein Bild „Aus dem deutschen Kriege“, welches trotz seines kleinen Formats und der völligen Idealität doch einen höchst wahrhaften und spannenden, ja hinreißenden Eindruck hervorrief. Die Scene spielt im Rücken einer siegreich vordringenden Armee. Das Gefecht ist vor uns, aber in solcher Entfernung, welche die Einzelheiten nicht unterscheiden läßt. Von dorther kommt ein größerer Trupp von Gefangenen aller Waffengattungen, escortirt durch Deutsche. Der Abend ist angebrochen und der Himmel hängt voll Regenwolken, welche ein brennendes Dorf beleuchten. Ein eigenthümlich äußeres, mit der Bedeutung der Action tief harmonirendes Grau schwebt über dem Ganzen. Das Bild war übrigens von sehr kleinen Maaßverhältnissen; die vordersten der zahlreichen Figuren erreichten kaum die Höhe von einigen Centimetern. Trotzdem war die Wirkung, insbesondere durch die meisterliche Luftperspective, eine ganz außerordentliche (Pecht in der „Allg. Ztg.“ vom 21. Febr. 1871 und in Lützow’s Zeitschr. VI, 118). Leider fand dasselbe bei uns keine bleibende Stätte und ging nach England. Im folgenden Jahre (1872) entstand, selbst schon ein vollständiges Bild, die erste Skizze zu dem berühmt gewordenen Reiterangriff bei Sedan (Floing). A. sammelte das Material dazu mit umsichtiger Sorgfalt, zeichnete nicht allein das Terrain, sondern benützte später an Ort und Stelle abgehaltene Manöver, studirte die Physiognomien der dabei betheiligten Soldaten, berücksichtigte alle Berichte und Aussagen der Augenzeugen, auch seiner damals anwesenden Künstlercollegen und brachte nun, auf ebenso streng historischen Quellen, wie das Generalstabswerk fußend, ein durchweg diplomatisch-treues Bild zu Stande, welches, erst für den Herzog Georg von Sachsen-Meiningen 1874 gemalt, dann mit etlichen Aenderungen für die Nationalgalerie in Berlin 1879 wiederholt wurde [698] (gestochen von Tobias Bauer in Nürnberg 1883 als Neujahrsblatt des dortigen Kunstvereins, mit Text von S. Soldan – dessen Bruder mit im Feuer stand). Eine Reproduction nach dem Bilde im Besitz des Augsburger Kunstvereins bei Soldan: „Das Werk der Familie Adam“ (Blatt 43). Ebendaselbst (Blatt 65) eine „Schlacht bei Sedan“ nach dem Original im Städel-Museum zu Frankfurt. Zahllose Berichte und Artikel in Zeitungen und Fachblättern verkündeten einstimmig das Lob dieser Schöpfung. Geradezu unglaublich ist es, welche Fülle des Wissens und Könnens in diesem umfangreichen Bilde mit den vielen Hunderten von Menschen und Pferden niedergelegt, welch’ tiefe Studien hier verwerthet wurden. Welch’ reicher Schatz von künstlerischen Erfahrungen ist nothwendig, um nur eine dieser Figuren so zu zeichnen und zu malen (Lützow’s Zeitschr. 1874, IX, 562). Mit dieser Reiterschlacht überflügelte Franz A. alle seine Zeitgenossen. Wie weiß er das Pferd in den schwierigsten, gewaltsamsten Bewegungen, in convulsivischen Zuckungen, Verrenkungen und Verkürzungen, wie man selbe nur auf dem Schlachtfelde sehen kann, darzustellen, ohne mit den anatomischen und osteologischen Gesetzen in Conflict zu gerathen (vgl. Rosenberg in Nr. 48 der „Grenzboten“ 1880 und Nr. 98 der „Allgem. Militär-Ztg.“ Darmstadt, 11. Decbr. 1880); wie klar lösen sich diese übereinanderstürzenden Knäuel und Massen. von Menschen und Rossen! Dabei findet sich keine Spur von jenem Chauvinismus, welcher die französischen Schlachtenbilder des letzten Krieges charakterisirt, wovon auch der größte und bedeutendste von Allen, Alphonse de Neuville, sich nicht freihielt. A. steht ihm nicht nur völlig gleich an Schönheit der Zeichnung und Feinheit der Farbe, sondern übertrifft ihn, wie als Pferdemaler, so auch durch den überwältigenden Zug und die hinreißende Macht der Begeisterung. Er kennt wie ein wahrer Historiker keine Partei, setzt Freund und Feind mit gleich objectiver Anerkennung einander gegenüber. Den imposanten Sturmangriff der Reiter könnte ebenso ein Franzose gemalt haben, der den tollkühn ansprengenden und todverachtend hineinrasenden Schwadronen die höchste Anerkennung zu theil werden läßt. Und wie schlachtenkühl stehen diese grausam gelichteten Reihen der Sachsen, bei welchen der jüngste Tambour gleichen Anspruch auf die Ehre des Tages erhebt! Unter den Sterbenden hat sich der Künstler in voller Porträtähnlichkeit, ein Kreuz in den Händen, in eine Gruppe gemalt – ein gewiß seltsames und nur Wenigen kundgewordenes Monogramm. – In gleicher Weise und mit ähnlichen Vorzügen ausgerüstet, entstand das Bild mit der „Erstürmung des Eisenbahndammes vor Orleans“ (am 11. October 1870. Neue Pinakothek; bei Soldan Blatt 7). Auch hier ist A. ein Stratege mit dem Pinsel. Wir bewundern das Gewirr der Krieger, welche der Künstler gegen den schräg durch das Bild verlaufenden, von einer Durchfahrt unterbrochenen Bahndamm in Bewegung setzt. Darauf, um seine Erinnerungen aus den Puszten zu gestalten, schuf A. einige friedliche, immerhin aber gleich große Pferdebilder. Es waltet darin eine lyrische Idylle, wie in Lenau’s Haidebildern. Hier zeigt er an den flachen Ufern der Donau einen von Thieren und Menschen wimmelnden „Ungarischen Pferdemarkt“: Am frühen, mit Cymbelklang und Clarinettenschall begrüßten Morgen haben sie schon an hundert Pferde und Rößlein von einem Landstädtchen über die Theiß gebracht und zusammengetrieben, zwischen welchen Zigeuner, Bauern, Czikos und Landedelleute bunt durch einander schwirren; der Handel ist im besten Zuge, als ein mit vier stattlichen Juckern bespannter Wagen daherrollt, in welchem wir einen feinen Cavalier mit unserem Maler erkennen (bei Soldan Blatt 38). Dann die „Gestütsinspection“ auf dem Musterhofe eines ungarischen Magnaten, eine wahre „Symphonie des Sports“ (bei Soldan Blatt 3), wobei sich Adam’s Begabung, eine Reihe von interessanten Detailgruppen doch in eine große [699] Massenbewegung zu bringen und im Rahmen einer landschaftlichen Perspective sich selbständig abspielen zu lassen, aufs neue bewunderungswürdig zeigt. Dann schilderte er wieder ein Rudel freier Rosse auf der Weide bei heranziehendem Gewitter (Soldan Blatt 50), auch einen „Mazeppa“ (bei Soldan Blatt 25) und Pferde am Brunnen in der Puszta (Soldan Blatt 46), beide im Besitze des Prinzregenten Luitpold, „Pferde von Löwen überfallen“, „Czikos in der Puszta“, „Weidende Pferde“ (Soldan Blatt 57 und 69, beide zu Gödöllö im Besitze des Kaiser Franz Joseph), und einen „Ungarisch-Wallachischen Markt“ (König von Württemberg, bei Soldan Blatt 83). Dazwischen entstanden viele Pferdeporträts und kleinere Stallinterieurs (Soldan Blatt 53) von sorgsamster Vollendung. Dann aber warf er sich wieder auf streng historische Stoffe. A. schilderte den „Transport französischer Gefangener nach der Schlacht bei Sedan durch preußische Ulanen und Infanteristen“ (Soldan Blatt 40) und den berühmten „Reiterangriff des Major v. Bredow auf die französische Artillerie bei Mars la Tour“ (Neue Pinakothek, Soldan Blatt 16) als Gegenstück seiner „Schlacht von Floing“ im gleichen Format. Nach zweijähriger, unausgesetzter, höchst aufreibender Arbeit, als das Werk schon der Vollendung nahe war, erhielt der Künstler infolge des besonderen Beifalls Sr. Majestät des Kaiser Wilhelm I. bestimmten Auftrag für die Nationalgalerie, zugleich aber durch den kgl. preußischen Generalstab eine solche Fülle von Material und anziehenden Détails, daß A. sein fast vollendetes Bild bei Seite stellte und eine völlig neue Umarbeitung begann. Ein so gewaltiger Stoff zehrte an der Kraft des Malers, dessen Gesundheit seit längerer Zeit durch ein bedenkliches Magenleiden erschüttert war. Als sich dasselbe besserte, begann das Uebel in der Lunge mit verheerender Thätigkeit. Vergebens klammerte sich der Künstler mit eherner Willensktaft an sein Werk, fortwährend ändernd, bessernd und unausgesetzt bestrebt, ihm die möglich höchste Vollendung zu geben, auch dann noch, als ihm die schreckliche Gewißheit wurde, daß er nicht mehr im Stande sei, seine Aufgabe zu beenden. Ebenso groß wie die Leiden der Krankheit war die Marter seines freien, ungetrübten Geistes, welcher, wie die malende Bewegung der Hand bezeugte, sogar in den wenigen Stunden des Schlafes, unzertrennlich an sein Lieblingswerk gebunden, weiter schuf, bis der Tod am 30. September 1886 den armen Dulder erlöste. Es ist gut, wenn die Mitwelt nicht weiß, in welch’ wechselreicher Folge die bleiche Sorge am Leidenslager so vieler Dichter, Künstler und Forscher sich einzunisten liebt.

Dieses sein letztes Werk bildet den ergänzenden Gegensatz zur Schlacht von Floing. Auch hier wieder ein feuriger Reitersturm, dieses Mal von deutschen Ulanen und Cürassieren in gerader Linie auf die unmittelbar vor dem Beschauer gedachte französische Infanterie und Artillerie. Auch hier wieder dieselbe, Alles mit sich reißende Verve: Schon ist das erste feindliche Treffen überritten, die gefährlichen, mörderischen französischen Batterien sind verlassen; die tapferen Feinde vermögen dem urplötzlichen Anprall der stürmischen Reiter nicht mehr Stand zu halten. Nur die wuchtige Sprachgewalt des alten Schlachtensängers Chr. Fr. Scherenberg (1798–1881) wäre im Stande, diesen ansausenden Reitersturm in Worte zu kleiden. Wie ein wirbelnder, rasender Föhn bricht der brausende Todtentanz herein: „Trompeten schmettern, Nüstern schnauben den Chorus; die stählernen Lüfte sprühen, der Boden funkt, vom trappelnden Tritt der Tanzplatz schwankt, und wenn die wirbelnden Paare sich fassen, lassen nicht los sie wieder, halten sich fest, bis wohl der Eine, der Andere blaß, herunter von Leib und Leben; als tanzte Tod und Teufel! . . zertreten werden Bataillone, kalt zusammengehauen; vorwärts wogt und stürzt die metallene See!“ Wie klar verständlich sind die noch geschlossenen und theilweise schon aufgelösten [700] Massen geordnet, die Lichtvertheilung, die formenreichen grauen Luft- und Wolkenbildungen, das landschaftliche Terrain mit seinen Mulden, Hügeln und den schlanken Pappelbäumen, die Einzelgruppen von Kämpfenden, Verwundeten und Gefangenen; die angeschossenen, fliehenden, sich aufbäumenden und überstürzenden herrenlosen Pferde, welche dem Donner der Kanonen und Knattern des Gewehrfeuers noch zu entrinnen suchen: Alles ist von erstaunlicher, überraschenden und lebendigster Wirkung (vgl. Beil. 116 „Allgem. Ztg.“, 26. April 1883). Und wie herrlich hätte sich dieses erst noch unter dem letzten Schliff von seinen Händen ausgewachsen! So blieben in löblicher Pietät beide Bilder unvollendet; auch der treueste Freund hätte nicht gewagt, einen weiteren Strich zuzusetzen. – Eine besondere Theilnahme für Franz A. als Lehrer hegten die Polen: Joseph v. Brandt, welcher sich schnell in die künstlerischen Principien seines Meisters hineinlebte, dann der geniale, leider so früh verstorbene Max Gierymski (1846 bis 1874) und dessen Bruder Alexander, ferner Jan Chelminski und zuletzt noch der in Adam’s Atelier so rasch geförderte Michael Munkacsy. Insbesondere aber gedieh sein Neffe Emil A. unter der Leitung des Oheims zu einem gefeierten Porträt-, Jagd- und Sportmaler, der ebenso von den stolzesten Magnaten, wie von den höchsten Kreisen der englischen Aristokratie in Anspruch genommen ist und somit die deutsche Kunst im Auslande abermals zu Ehren bringt. – Franz A. war unstreitig der Liebling seines Vaters, ebenso wie Papa Goethe oft über den „singulären Wolfgang“ staunte. Franz war und blieb ein ritterlichet, edler, nobler Charakter, der ohne Rücksicht auf materiellen Gewinn nur seiner Kunst oblag und sein Können und Wissen ebenso feurig vertheidigte wie er anderweitige Leistungen nach voller Gebühr anerkannte, ein trefflicher Gatte und Vater, ein unwandelbarer Freund und ein freudiger Christ. Sein Porträt hat Professor Raab in geistvoller Weise nach dem Leben radirt. Die Kritik anerkannte ihn mit seltener Einstimmigkeit; Auszeichnungen folgten. A. erhielt 1867 die dritte goldene Medaille bei der Pariser Weltausstellung, die Ehre als Mitglied der Münchener und Wiener Akademie (1868), 1869 das Ritterkreuz I. Classe des Michael-Ordens, 1870 die kleine und 1874, gleichzeitig mit Alma Tadema in London und E. de Champeler in Brüssel, die große goldene Medaille in Berlin, 1872 eine bairische Staatspension, 1874 den Sächsisch-Ernestischen Hausorden, 1882 die goldene Medaille des Prinzen und nachmaligen Regenten Luitpold, von Kaiser Franz Joseph den Orden der Eisernen Krone; noch im letzten Jahre seines Lebens wurde er Mitglied der historischen Gesellschaft in Sioux-City-Iowa. Aber Gunst, Gnade und Laune haben ihn nie mit Glücksgütern, Aufträgen oder Bestellungen überschüttet; sein Name kam nicht in den volksthümlichen Cours oder zu mundgerechter Popularität. Die Industrie des Kunsthandels bemächtigte sich nie seiner Werke und die Großen der Welt begnügten sich, einige rühmliche Ausnahmen abgerechnet, mit der beiläufigen Kenntniß seines Namens. Sein artistischer Nachlaß kam zu München, Wien und Berlin zur Ausstellung und fand anfangs eine zögernde, dann aber begeisterte Aufnahme und ergiebigen Absatz.

Vgl. Nagler-Meyer, Künstlerlexikon, 1872, I, 70 ff. – Albrecht Adam’s Selbstbiographie, hrsg. v. Holland, 1886, S. 366 ff. – Nr. 2260 Illustr. Ztg., Leipzig, 22. October 1886. – Nr. 324 Allgemeine Ztg., 22. November 1886. – Pecht, Kunst für Alle, 1887, II, 120 ff. – Soldan, Das Werk der Künstlerfamilie Adam. Nürnberg 1890.