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ADB:Blochmann, Karl Justus

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Artikel „Blochmann, Karl Justus“ von Friedrich Christian Paldamus in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 2 (1875), S. 709–711, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Blochmann,_Karl_Justus&oldid=- (Version vom 10. Dezember 2024, 12:53 Uhr UTC)
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Blochmann: Karl Justus B., mecklenburg-schwerinischer Geheimer Schulrath, Professor und Director des Vitzhum’schen Geschlechtsgymnasiums und der damit verbundenen Erziehungsanstalt zu Dresden, geb. zu Reichstädt bei Dippoldiswalde im Königreiche Sachsen am 19. Februar 1786, † zu Genf am 31. Mai 1855. Sohn eines Landpfarrers wurde er nach dem frühzeitigen Tode des Vaters auf das Gymnasium zu Bautzen geschickt, welches er 1805 verließ, um in Leipzig Theologie zu studiren und sich zum Lehrer auszubilden. 1809 ging er in die Schweiz und schloß sich in Ifferten an Pestalozzi an, bei dem er 8 Jahre als Lehrer und Erzieher blieb; in dieser Zeit lernte er neben anderen Schülern Pestalozzi’s insbesondere Karl v. Raumer (später in Erlangen) und Theodor Schacht (nachmals in Darmstadt) kennen und lieben. Die edle Begeisterung und warme Menschenliebe des großen Schweizer Pädagogen wirkte mächtig auf den Jüngeren und entschied über sein weiteres Leben. Heimgekehrt fand er 1819 eine schulmännische Wirksamkeit in Dresden als Vicedirector der Friedrich-August-Schule (Bürgerschule) und gründete sich den eigenen Herd, indem er Ottilie Schnorr v. Carolsfeld, des Malers und Akademiedirectors Veit Hans Schnorr von Carolsfeld zu Leipzig (des Vaters der Maler Ludwig zu Wien und Julius zu Dresden) Tochter, als Gattin heimführte. Die Anregungen, welche B. in der Schweiz empfangen, die erzieherische Wirksamkeit, die er dort ausgeübt, ließen ihn in der Stellung an der Dresdner Bürgerschule nicht volle Befriedigung finden; ihn verlangte nach einer selbständigeren, umfassenderen, im eigentlichen Sinne pädagogischen Thätigkeit; er beschloß, eine eigene Lehr- und Erziehungsanstalt zu gründen. An der Spitze der königlich sächsischen Regierung stand damals der Cabinetsminister Graf von Einsiedel. Dieser gewann ein lebhaftes Interesse für B. und unterstützte dessen Unternehmen um so lieber, als B., obwol der neuen pädagogischen Richtung mit aller Liebe ergeben, sich den Ernst und die Wärme religiöser Lebensauffassung bewahrt hatte; „auch in der Kunst der Erziehung ist Einer unser Meister, Christus“, diese unter einem wohlgelungenen Bildniß Blochmann’s stehenden Worte sind der Grund und Kern seiner Pädagogik geblieben. Des Ministers Fürsprache verdankte B. nicht unerhebliche Unterstützung von Seiten des Königs Friedrich August, so daß er 1824 seine Erziehungsanstalt in Dresden auf der großen Plauischen Gasse eröffnen konnte (siehe das Programm vom J. 1826). 1828 ward mit dieser Anstalt das Gräflich Vitzhum’sche Geschlechtsgymnasium vereinigt, welches, auf einer im J. 1638 gemachten Stiftung beruhend, erst nach einem langwierigen Processe mit der sächsischen Regierung ins Leben trat. Diese Stiftung war bestimmt, 12 Gliedern der Vitzhum’schen Familie und ihrer Agnaten [710] nebst 6 Contubernalen, zu welchen wohlbegabte Söhne Vitzhum’scher Beamten etc. bestimmt waren, die für wissenschaftliche Studien oder auch mehr praktische Berufsarten geeignete allgemeine Vorbildung zu geben und zwar so, daß zugleich für die gesammte Erziehung dieser 18 Knaben und Jünglinge in einem Internate gesorgt würde. Die Bestimmungen des Testamentes zeichneten für diese Vorbildung einen doppelten Weg vor, den gymnasialen und den realistischen, wie wir jetzt zu sagen gewohnt sind, was hier deshalb erwähnt werden mag, weil sich schwerlich viele ähnliche, die zukünftige Zweigestaltung höherer Schulen so bestimmt vorausahnende Aeußerungen aus so früher Zeit vorfinden. Die Stiftung, welche für die Zahl von 18 Schülern allein nicht wohl lebenskräftig bestehen konnte, ward durch Vertrag mit der Blochmann’schen Anstalt verbunden, die sich ihrerseits nunmehr als Gymnasium und Realschule mit gemeinschaftlichen progymnasialem Unterbau constituirte, und der die Rechte eines Gymnasiums von der Regierung verliehen wurden. Da die Vitzhum’sche Stiftung das neben der Anstalt gelegene geräumige Grundstück erwarb, und die Scheidemauer fiel, so war für die bald aufblühende Anstalt ein überaus zweckmäßiges, zudem freundlich gelegenes Terrain gewonnen. In dieser seiner Schöpfung hat er als Director gewaltet bis zum 1. October 1851, von da ab, nachdem er die Direction an seinen ältesten Schwiegersohn, Schulrath, Professor und Dr. G. Bezzenberger, abgegeben, noch einige Jahre als Religionslehrer in den oberen Classen gewirkt, bis er 1855, nachdem er die jüngste Tochter an den jetzigen Stadtpfarrer F. Summa in Amberg verheirathet, auf einer Reise in das Land seines pädagogischen Werdens, in Genf, bei der dritten Tochter, deren Mann, Dr. C. Haccius, dort eine noch blühende Erziehungsanstalt begründet hatte, am 31. Mai unerwartet von diesem Leben schied. B. darf unter die begabtesten Pädagogen der neueren Zeit gerechnet werden, doch war er ungleich mehr Mann der unmittelbar lebendigen That als des auf wissenschaftlichen Studien ruhenden Systems, weit mehr Praktiker als Theoretiker. Im Gebiete des pädagogischen Schaffens darf man ihn geradezu genial nennen, wie der in vielen Stücken eigenthümliche Aufbau und innere Ausbau seiner Anstalt bezeugt, der in der That nachahmenswürdig erscheint, in dem sich strenge Ordnung und freie Bewegung, Pflege des Geistes und Fürsorge für leibliche Erstarkung, Beharren an den alten sächsischen gymnasialen Traditionen und Berücksichtigung moderner Bildungselemente und Bildungsbedürfnisse (neuere Sprachen und Naturwissenschaft auch im Gymnasium) in glücklichster Weise ergänzten. Auch war das Zusammenwirken des Directors, des Erziehers, der Inspicienten und Lehrer so zweckmäßig geordnet und gesichert, daß, namentlich nach dieser Seite hin, die Organisation der Blochmann’schen Anstalt (unter seiner eigenen Direction) als mustergültig bezeichnet werden darf. Es konnte nicht fehlen, daß das Unternehmen bald zu herrlicher Blüthe gelangte. Zöglinge aus allen Ländern Deutschlands, ja Europa’s schlossen sich ihm an, die Söhne der edelsten Geschlechter, ja mehrerer fürstlichen Familien, wie der Großh. Mecklenburgischen, der Fürstl. Reußischen, Herzogl. Sachsen-Altenburgischen, der Fürsten von Taxis, Carolath, Ghika etc. Es gab dies dem Erziehungshause wol eine etwas aristokratische Färbung, aber in der besten Zeit der Blüthe überwog doch das Element leiblicher und geistiger Frische und rüstigen Schaffens; einzelne Auswüchse, die in solchem Kreise ja zu keiner Zeit fehlen, stießen sich leicht ab. Eine ganz besondere Bedeutung gewann die Anstalt durch ihren Einfluß auf die jüngeren Lehrer, die dort ihre pädagogischen Lehrjahre durchlebten. B. verstand prächtig, die seiner Anstalt passenden Kräfte zu finden, ohne daß er eigentlich suchte, und er verstand nicht minder, ihrer Entwicklung freiesten Spielraum zu lassen; er selbst verhielt sich beobachtend, aufmunternd, fördernd, unmittelbar unterstützendes oder gar stützendes Eingreifen war seine Sache nicht. So war [711] das Collegium seiner Schule immer im Besitze einer größeren Anzahl junger strebender, mit voller Kraft jugendlicher Begeisterung sich der didaktisch-pädagogischen Aufgabe des Hauses widmender Kräfte, die wiederum dort ein reicheres Uebungsfeld, eine bessere Einführung ins Berufsleben fanden, als sonst leicht geboten wird, insbesondere war es das dem Lehrer so oft fehlende pädagogische Interesse, der erzieherische Sinn und Takt, was sich dort fürs weitere Berufsleben gewinnen ließ. Namen wie die von Pabst (Arnstadt), Bonitz (Berlin), Stöckhardt (Tharand), Curtius (Leipzig), Schäfer (Bonn), Geinitz (Dresden), Herbst (Schulpforte), Kögel (Berlin), Baumeister (Straßburg), Müller (Grimma), Crecelius (Elberfeld) u. a. m. finden sich in den Lehrerverzeichnissen. Als Lehrer war B. im ganzen, seiner Natur entsprechend, weniger für den systematisch angelegten, ein vorgezeichnetes Lehrziel planmäßig und fortschreitend verfolgten Unterricht; sein Religionsunterricht (er ertheilte fast nur diesen) war weit wirksamer in Episoden, wie sie sich aus dem Stoffe oder aus äußeren Anlässen ergaben, als im normalen Verlaufe. Seine große Begabung trat zuletzt unterrichtlich nur bei besonderen Ausnahmefällen hervor, wie wenn er einmal eine geographische oder naturgeschichtliche Aushülfsstunde gab. Aehnlich war es mit seinen Schulgebeten und Schulreden, die oft von der eindringendsten Wirkung waren, und oft auch in eine ermüdende Breite sich ergossen; immer kam es darauf an, daß ein concreter Anlaß zu Grunde lag, dann war das Wort oft geradezu unwiderstehlich. Fragen wir nach dem Grundzuge und Grundtone des Blochmann’schen Wesens und Wirkens, so steht Eins voran: er war ein Mann mit einem Herzen voller Liebe – mit dieser fast überflutenden Herzensgüte steht er gewiß allen seinen Schülern und den meisten seiner Mitarbeiter lebendig vor Augen; daneben das Andere: es lag eine gewisse Lebensfreudigkeit in ihm, eine Herzensfröhlichkeit, die auch dem Lebensgenuß nicht gram sein konnte. Es bedarf nicht der Erörterung, daß solche köstliche Eigenschaften auch die Keime für allerlei Schwäche und Irrung bergen. Aber daß der fromme Sinn des Pfarrhauses in dem Pfarrersohne sich erhalten, das half schließlich auch hier läutern, mildern, ausgleichen. Leider hat die Anstalt, die seinen Namen hätte nimmer ablegen sollen, nur noch zehn Jahre nach seinem Rücktritte von der Direction bestanden: 1861 wurde sie von dem Vitzthum’schen Fonds angekauft und nennt sich nun Vitzthum’sches Gymnasium; die Realclassen sind aufgegeben. – Von Blochmann’s Schriften ist in erster Linie zu nennen: „Heinrich Pestalozzi, Züge aus dem Bilde seines Lebens und Wirkens“, 1846; sonst noch kleinere Abhandlungen, wie „Ueber das Herz und seine Pflege bei der Erziehung“ (1844) und Schulreden.