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ADB:Brederode

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Artikel „Brederode“ von Pieter Lodewijk Muller in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 3 (1876), S. 279–281, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Brederode&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 02:25 Uhr UTC)
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Brederode, das vornehmste Adelsgeschlecht Hollands im Mittelalter, vielleicht aus einer (wol unehelichen) Seitenlinie der Grafen von Holland stammend. Schon im 13. Jahrhundert hatten die Herren v. B. gewaltigen Einfluß. Ihre Parteinahme für Johann v. Avesnes blieb nicht ohne Bedeutung. Doch stieg diese noch bei dem Ausbruch des Streits der Hoeks und Kabeljaus. Die B. waren die erblichen Führer der ersteren, der Adelspartei, wie die Arkels und Egmonts, die mit ihnen rivalisirenden Geschlechter, ihrer Gegner. Unter Herzog Wilhelm von Baiern, dem Sohne Albrechts, erwarb Wolrad v. B. den Grafentitel von Gennep und die Herrschaft Vianen; er fiel in der siegreichen Schlacht bei Gorcum als Feldherr Jacobäa’s. Sein Enkel Reinald ward Erbburggraf der Stadt Utrecht, in deren ununterbrochenen Bürgerzwistigkeiten die Brederodes von jetzt an fortwährend verwickelt blieben. Sein zweiter Sohn war Franz v. B., der, noch sehr jung, von den unzufriedenen holländischen Adelichen zum Haupt der wieder auflebenden Hoeks erhoben, einen Bürgerkrieg von zwei Jahren 1488–1490, in Holland und Seeland führte, welcher namentlich in der Belagerung ihrer beiden Festungen Rotterdam (im J. 1488 von Franz erobert) und Sluis in Flandern bestand. Es war der letzte offene Kampf des niederländischen [280] Adels gegen die burgundisch-österreichische Regierung und ihre neuernden Ideen. Franz starb nach der Einnahme von Sluis an seinen Wunden 1490, erst 24 Jahre alt. Die Brederodes, übermüthig durch ihre, immer wachsenden Besitzungen, ihr hohes Ansehen und fast fürstliche Würde, zeichneten sich stets durch ein stolzes Betragen aus, keiner aber mehr als Reinald II., der unter Karl V. Ansprüche auf die Grafschaft Holland erhob und darum als Hochverräther sämmtliche Würden und Besitzungen verlor, jedoch, weil seine Ansprüche nie wirkliches Gewicht gehabt, vom Kaiser zurückerhielt. Dessen zweiter Sohn war Heinrich v. B. (s. u.). Noch ungefähr 150 Jahre bestand das Geschlecht fort, immer in hohem Ansehen und im Besitze hervorragender Stellen im Staat und Heer. Der vorletzte Sprosse Johann Wolfart, Feldmarschall der Republik der vereinigten Niederlande, † 1665, nahm nach 1650 wieder die erste Stelle in derselben ein, durch seinen Reichthum, seinen Rang und seine Heirathen, zuerst mit einer Gräfin von Nassau, und später mit einer Gräfin von Solms, der Schwester der Gattin Friedrich Heinrichs von Oranien. Doch seine zahlreiche Nachkommenschaft starb rasch dahin, sein letzter Sohn, Wolfart, 1679.

Heinrich, Graf von Brederode, Haupt der verbündeten niederländischen Adelichen, des sogenannten Compromis des Nobles, geb. 1531. Ein nachgeborner Sohn, jedoch mit bedeutenden Besitzungen, namentlich der souveränen Herrschaft Vianen ausgestattet, suchte er 1559 zur Besserung seiner durch sein wüstes Leben ziemlich zerrütteten Finanzen eine geistliche Pfründe zu bekommen, die jedoch dem Präsidenten Viglius gegeben ward. Obgleich ihm die weit ehrenvollere und passendere Stelle eines Hauptmannes einer Bande d’Ordonnance verliehen ward, scheint B. von jetzt an die Regierung, deren Haupt, den Cardinal Granvella, Viglius und alle Geistlichen gehaßt zu haben. Mehr als einer unter dem jungen Adel hatte er es auf die Geistlichkeit abgesehen; seine Parteinahme für die Reformation wurzelte wol nur in dem Hasse gegen dieselbe. Er verhöhnte und quälte sie, wo er konnte, und that sein Bestes, den Cardinal aus den Niederlanden hinwegzuärgern. Als 1565 der Plan eines Adelsbündnisses gegen die Inquisition entstand, zogen die Gebrüder Marnix[WS 1], de Hames und die anderen Urheber desselben B. und die Grafen Ludwig von Nassau und Karl von Mansfeld an sich, um sie als Häupter der Verbindung voranzustellen. Die beiden erstgenannten (Mansfeld zog sich bald zurück und blieb ein treuer Anhänger der Regierung), eng verbunden durch die Verehrung, welche der leichtsinnige, rohe, ausschweifende, aber nicht unbegabte B. dem kühnen ritterlichen Bruder Oranien’s widmete, der allein ihn zu beherrschen und zu leiten vermochte, stellten sich seitdem voran. Bei der Ueberreichung der bekannten Bittschrift der Edelleute (5. April 1566) trat B. als Wortführer auf, und er war es, der bei der bekannten Mahlzeit der Verbündeten den Spottnamen „Geusen“ als Devise der Bewegung erfand und zum ersten Male das „Vive les Gueux“ erschallen ließ. Seitdem war er unaufhörlich thätig, jedoch in seiner heißblütigen Weise, das Bündniß zu befestigen und auszubeuten. Immer war er für die vermessensten gewaltthätigsten Maßregeln, fortwährend war er im Zwiespalt mit Oranien, dessen vorsichtigen gemäßigten Ansichten er sich nur selten fügen wollte. Im Sommer ließ er in seiner Herrschaft Vianen die Bilder von den Kirchen nehmen und überall leistete er den Calvinisten Vorschub. Noch zweimal forderten die Edelleute, obgleich ihr Bündniß mehr und mehr zerfiel, von den Regenten immer größere Freiheit und immer stellte sich B. als ihr Haupt der Regierung offen gegenüber. Seine festen Schlösser Vianen und Ameide waren bald der Hauptmittelpunkt des bewaffneten Widerstandes. Die nach dem Bildersturm und der erzwungenen Religionsfreiheit versammelten Consistorien der Reformirten ernannten B. zu ihrem Feldhauptmann; er warb Truppen und sammelte allerlei Gesindel, das nur nach Beute dürstete, um sich. Doch er [281] richtete so wenig aus, wie die übrigen Führer der Calvinisten, deren Banden in Belgien überall von den Regierungstruppen niedergemetzelt wurden. Durch Oranien’s Drängen bewogen, Antwerpen, das durch ihn der Heerd des Aufstandes und zwar eines aussichtslosen, der herrlichen Stadt verderblichen Aufstandes zu werden drohte, aufzugeben, wandte er sich Anfangs 1566 nach dem Norden, und während seine Anhänger sich Herzogenbuschs bemächtigten, gelang es ihm in Amsterdam einzudringen. Doch mehr als die Stadt vier Monate in Unruhe zu halten, den Regierungssecretär La Torre, der Befehl hatte, ihn aus der Stadt zu weisen, festzunehmen und seinen unbezahlten und undisciplinirten Banden allerlei Unfug in Holland zu gestatten, vermochte er nicht. Er scheint nicht einmal versucht zu haben, in Amsterdam, einer zur Vertheidigung ausgezeichnet gelegenen Stadt, den bewaffneten Widerstand zu organisiren. Im Gegentheil, als die aufgestandenen Calvinisten überall geschlagen waren, die Regierung Herrin des Landes und Alba’s Annäherung bekannt ward, als die Protestanten in Massen die Flucht nahmen, suchte er durch Egmont sich mit der, von ihm tausendmal beleidigten und verhöhnten Regentin und ihrer Regierung auszusöhnen, und, als dieses mißlang, schiffte er sich April 1567 nach Emden ein. Seitdem wird sein Name nicht mehr genannt. Im Frühjahr 1568 starb er in Deutschland im Schloß Harnhof bei Recklinghausen.

B. erfreute sich längere Zeit des Namens einer der verdienstvollsten Patrioten, der zwar etwas heißspornig war, allein ein treuer und energischer Führer seiner Partei. Seitdem jedoch die von Groen von Prinsterer herausgegebenen Archives de la Maison d’Orange seine wirkliche Gestalt ans Licht gebracht haben, ist er, trotz der versuchten Ehrenrettung durch Herrn van Hall, in der öffentlichen Meinung gewaltig gesunken. Zwar hat Motley ihn vielleicht zu sehr als Carricatur abgemalt, doch ist es nicht zu bestreiten, daß B. keine einzige Eigenschaft eines Parteichefs besaß. Er hatte nur feurigen Eifer und Stolz und eine gewisse Hartnäckigkeit in kopflosen Plänen. So lange er unter Ludwigs von Nassau Leitung stand, war er zu gebrauchen, selbständig vermochte er nichts als Lärm und Unfug zu machen, und obgleich sein Muth nicht in Frage steht, hat er nie einen Schwertstreich für die Freiheit gethan. Er war der rechte Führer des ausschweifenden, weder katholisch noch protestantisch gesinnten rohen niederländischen Adels, der rechte Sprosse eines immer Hoekisch gesinnten Geschlechtes, das, nur an Lärm und Zank sich freuend, der strengen Ordnung des burgundischen Regiments sich nicht fügen mochte. Die strengen Calvinisten aber hatten in ihm einen sehr sonderbaren Führer erkoren, unter dem all ihr Opfermuth, all ihr Eifer vergeblich blieb.


Anmerkungen (Wikisource)