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ADB:Coornhert, Dirk Volckertsen (2. Artikel)

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Artikel „Koornhert, Dietrich Volkertz“ von Jacob Cornelis van Slee in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 16 (1882), S. 654–656, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Coornhert,_Dirk_Volckertsen_(2._Artikel)&oldid=- (Version vom 8. November 2024, 10:33 Uhr UTC)
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Koornhert: Dietrich Volkertz K. (Coornhert)[WS 1], Schriftsteller und Dichter, unermüdeter Kämpfer für unbedingte bürgerliche und religiöse Freiheit; einer der ersten derer, welche die Wiederbelebung der niederländischen Litteratur erstrebten; vermöge seiner außerordentlich freien religiösen Ansichten unter seinen [655] Zeitgenossen wenig begriffen, vielmehr heftig angefochten. 1522 zu Amsterdam als Sohn vornehmer und bemittelter Eltern geboren, erhielt er eine sorgsame Erziehung, wiewol ohne eigentlich wissenschaftliche Bildung. Zu seiner weiteren Entwickelung unternahm er eine Reise nach Spanien und Portugal, wo die dort heftig wüthende Inquisition ihm einen tiefen Widerwillen gegen jeden Gewissenszwang erregte. Als nach seiner Heimkehr seine Verheirathung mit Neeltje Simons ihm das Mißfallen seiner Eltern zuzog, trat er als Hofmeister in Verbindung mit Reinoud v. Brederode, zog aber bald nach Harlem, wo er sich mit Kupferstecherkunst beschäftigte. Seine inneren Bedenken gegen manche kirchlichen Lehrsätze, wie gegen die Prädestination, erweckten ihm das Verlangen eines selbständigen Studiums der Kirchenväter. Zu diesem Zweck legte er sich zunächst auf das Studium der lateinischen Sprache, welches er so eifrig betrieb, daß er sich durch seine Uebersetzungen von „Cicero, de officiis“, „Seneca, de beneficiis“ und „Boëthius, de consolatione“ einen gelehrten Namen erwarb. Jetzt erhielt er zu Harlem die Secretärstelle und trat, wiewol er mit Unrecht für den Verfasser der Bittschrift gehalten worden ist, welche der Adel der Statthalterin überreichte, von nun an unter den Vorkämpfern für bürgerliche und religiöse Freiheit hervor. Wegen seiner Freundschaft mit Heinrich v. Brederode unter Alba 1568 eingesperrt, verfaßte er im Gefängniß die kleinen Schriften „Van lief en leedt, van hoope en vreeze“, „Van een christelyk gelaten hart“, „De lof der gevangenis“ und „Het compas der ruste“. Freigelassen, aber von Neuem mit Verhaftung bedroht, entwich er nach Cleve. 1572 zurückgekehrt, war er als Secretär der holländischen Staaten thätig und bekämpfte mit Wort und Schrift die hitzigen Calvinisten, welche nicht nur den Katholiken die Religionsfreiheit entziehen wollten, sondern auch das Tödten der Ketzer in Schutz nahmen. Durch seinen Widerspruch gegen solche Schroffheiten wie gegen die Prädestinationslehre in seinen Schriften „Wortel en oorsprung der Nederlandsche beroerten“ und „Van de toelatinghe en decreten Godts“ machte er sich des Papismus verdächtig und, vor der Rache des tollen Lurney’s sich fürchtend, floh er zum zweiten Mal nach Cleve. Wie wenig aber diese damals ungewohnte Toleranz von den Katholiken selbst als Annäherung betrachtet wurde, zeigte sich genügend dadurch, daß ihn Requesens von der allgemeinen Amnestie im J. 1574 ausschloß. Sobald er, nach der Genter Pacification zurückgekehrt, sich zu Delft niedergelassen hatte, erneuerten die Calvinisten ihre Vorwürfe des Papismus. Demzufolge hielt er dort mit den Delfter Predigern, Bernard v. Till, Reinier Donteclock und Arnold Cornelisz eine Disputation, welche sich bald zu Leyden wiederholte und mit unzweifelhaft günstigem Erfolge für K. endete. Als die holländischen Staaten eine weitere Fortsetzung dieses Gespräches verboten und die Calvinisten nun nicht nur das Gerücht verbreiteten, K. sei überwunden worden, sondern ihn auch fortwährend auf ihren Kanzeln zu Alkmaar, Hoorn und anderwärts heftig begeiferten, verfaßte er 1579 eine „Justificatie voor den Magistraat van Leyden“. Die dadurch gesteigerte Erbitterung wuchs noch mehr, als K. 1581 zu Harlem, wo er jetzt Notar war, für die Katholiken eine Bittschrift aufsetzte, in der sie von den holländischen Staaten die freie Religionsübung erbaten. Die Bürgermeister riefen ihn zur Verantwortung und die Staaten zwangen ihn, diese Bittschrift zu zerreißen. Die Herausgabe einer „Proeve van den Catechismus“, 1583, erweckte ihm neue Schwierigkeiten, indem die calvinistischen Prediger, welche er darin wegen des von ihnen geübten Glaubenszwanges getadelt hatte, sich darüber bei den holländischen Staaten beschwerten. Diese verordneten daher eine Disputation mit dem Leydener Professor Saravia, welche aber den gewünschten Erfolg nicht hatte. Die Zeiten waren für religiöse Duldung und Freiheit, wie K. sie ins Auge faßte, nicht reif. Der Magistrat zu Delft, wo er sich wieder [656] niedergelassen hatte, verbot ihm vielmehr den Aufenthalt dort und so zog er 1588 nach Gouda. Hier vollendete er seine Uebersetzung der Erasmianischen Bibelparaphrasen, verfaßte sein „Naamscherm“ zur Vertheidigung seiner Thaten und Ansichten, führte noch einen Federkrieg mit Justus Lipsius und legte auf seinem Krankenbette die letzte Hand an seine „Verantwoording van ’t proces van den Ketteren te dooden“. Am 29. October 1590 raffte der Tod ihn zu Gouda weg. – Unstreitig war K. einer der unermüdlichsten Kämpfer für eine Religionsfreiheit und gegenseitige Verträglichkeit, für welche seine Zeitgenossen noch nicht zugänglich waren. Daher verfolgten ihn so gut die Calvinisten wie die Katholiken, was er freilich auch seinerseits manchmal mit leidenschaftlicher Bitterkeit vergalt. Jede Ausschließlichkeit einer Kirchengemeinschaft war ihm zuwider; wahre Frömmigkeit wußte er aber bei jedem anzuerkennen, sei er Täufer, Reformirter, Katholik oder Lutheraner; daher war er nicht nur mit Heinrich v. Brederode und Cornelis Pieterz Hooft, Bürgermeister zu Amsterdam, sondern auch mit Heinrich Lourens Spieghel und Roemer Visscher sehr befreundet. Seine in mancher Hinsicht von den damaligen Glaubensformen abweichenden religiösen Ansichten, welche erst in einem späteren Zeitalter ihre Würdigung gefunden haben, wußte er mit großer Klarheit und vielem Scharfsinn in seinen vielen Schriften auseinander zu setzen, welche 1630 in drei Bänden Folio zu Amsterdam ans Licht traten.

Brandt, Hist. d. Reform I. Bl. 188 v. v., 469 v. v., 535 v. v., 766 v. v.; Montijn, Gesch. d. Herv. in de Nederl. IV. Bl. 200 v. v. Glasius, Godg. Ned. van der Aa, Biogr. Woordenb. und die dort genannten Quellen.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Über diese Person existiert in Band 4 ein weiterer Artikel.