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ADB:Döring, Theodor

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Artikel „Döring, Theodor“ von Hermann Arthur Lier in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 48 (1904), S. 29–31, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:D%C3%B6ring,_Theodor&oldid=- (Version vom 19. November 2024, 19:16 Uhr UTC)
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Döring: Theodor D., eigentlich Häring oder Hering, Schauspieler, wurde als Sohn eines königlich preußischen Salzdirectors in Warschau am 9. Januar 1803 geboren. Nach dem Tilsiter Frieden kam er mit seinem Vater nach Prenzlau, wo er gemeinsam mit seinem Jugendfreund Adolf Stahr das Gymnasium besuchte. Später bezog er in Berlin das Joachimsthalsche Gymnasium. Der frühe Tod seines Vaters nöthigte ihn, seine Studien aufzugeben und sich zuerst in Prenzlau und dann in Berlin dem Kaufmannsstande zu widmen. In Berlin erwachte durch die Bekanntschaft mit dem Liebhabertheater „Urania“ und durch mehrmaliges Auftreten auf ihm die Neigung für die Bühne in ihm. Er entschloß sich, gegen den Willen seiner [30] Familie, den Kaufmannsberuf aufzugeben und zum Theater überzugehen. Am 25. Januar 1825 debutirte er in Bromberg bei der Truppe des Directors Huray als Julius in Kotzebue’s „Der arme Poet“, hatte aber das Unglück ausgepfiffen zu werden, da ihn das Lampenfieber ergriffen hatte und er infolgedessen seine Rolle nicht durchführen konnte. Um so größer war der Erfolg, den er bald darauf als Portechaisenträger in der „Schachmaschine“ erzielte. Director Huray erkannte sein Talent für komische und Charakterrollen und erhöhte seine Anfangsgage von fünf auf sechs Thaler für die Woche. Mit Huray’s Truppe spielte D. noch in Marienwerder, Graudenz, Elbing und Thorn und wanderte dann im J. 1826 von Culm aus zu Fuß nach Breslau, wo er bei der Truppe des Capellmeisters G. B. Bierey Unterkunft fand und vier Jahre blieb, während welcher Zeit er mehr und mehr in das Charakterfach hineinwuchs und auch als Komiker reichlich Verwendung fand. In denselben Rollen wirkte er in den Jahren 1829 bis 1832 in Mainz unter der Direction von August Haake und kam dann 1832 zur Mannheimer Bühne, wo er die Figur des Bankier Müller in Bauernfeld’s „Liebesprotokoll“ creirte, die mit seinem Namen unauflöslich verbunden ist, und die er an fünfhundert Mal an allen möglichen deutschen Bühnen spielen sollte. Nach seiner Vermählung mit der ausgezeichneten Soubrette Auguste Sutorius (geboren in Breslau 1807) absolvirte er im September 1834 in Hamburg ein Gastspiel und wurde nach dessen glücklichem Verlauf von dem Director Friedrich Ludw. Schmidt mit einem achtjährigen Contract unter den günstigsten Bedingungen für das Hamburger Stadttheater engagirt. Da er jedoch seine Entlassung in Mannheim nicht erhalten konnte, und als er sie erzwingen wollte, vierzehn Tage in das Gefängniß eingesperrt wurde, konnte er erst am 5. Februar 1836 in Hamburg als Franz Moor debutiren. Die Hamburger Zeit war für Döring’s künstlerische Entwicklung von ausschlaggebender Bedeutung. Er erreichte hier unter dem Einfluß der Veteranen der Schröder’schen Schule nach dem Urtheil Eduard Devrient’s „das harmonisch maßvollste Stadium seiner Entwicklung“ und hatte Gelegenheit, sich in dem Charakterfach „in dem ganzen Umfange der ernsten und komischen Rollen“ zu vervollkommnen. Besonders groß aber war der Einfluß, den Schmidt auf D. gewann. „Seine Gebilde“, erzählt G. Hiltl, der langjährige College Döring’s, „erhielten unter Schmidt’s Meisterhand den nothwendigen Schliff, die feste Gestaltung; Schmidt war auf Döring’s künstlerisches Fortschreiten von gewaltiger Einwirkung“. Noch ehe sein Contract in Hamburg abgelaufen war, verließ D. mit Zustimmung Schmidt’s die dortige Bühne, um im J. 1838 in Stuttgart der Nachfolger Seydelmann’s zu werden. Er übernahm das ganze Rollenfach dieses nach Berlin engagirten Künstlers und stand, wiederum nach dem Urtheil Eduard Devrient’s, in Stuttgart „in der frischesten und reinsten Blüthe seiner Entwicklung“. „Er war ein geborener Schauspieler und war es in jeder Regung seiner Lebensthätigkeit. Mit einem treibenden Instinct der Wahrnehmung und einer Schärfe der Auffassung, wie sie nicht oft vorkommen, war er zugleich mit dem biegsamsten und überraschendsten Nachahmungsvermögen begabt. Alle natürlichen Vorbedingungen zur Schauspielkunst vereinigte er also in seltenstem Grade.“ Es war daher nur der Ausdruck schlecht verhohlenen Neides, wenn Seydelmann seine unfreiwillige Anerkennung von Döring’s Talent in die bitteren Worte kleidete: „Alles, was ein gutgearteter Affe kann, das kann D. auch“. Durch wiederholte auswärtige Gastspiele von Jahr zu Jahr berühmter geworden, siedelte er im J. 1843 nach Hannover über, wo er einen lebenslänglichen Contract an der Hofbühne erhielt. Indessen gelang es ihm, denselben wieder zu lösen, als er, wiederum als Nachfolger Seydelmann’s, [31] im J. 1845 an das Hoftheater nach Berlin berufen wurde, an dem er nun bis an sein Lebensende bleiben sollte. Er galt als einer der ersten deutschen Schauspieler und fand, wohin er auch auf seinen zahlreichen Gastspielen kam, überall die größte Anerkennung. Auch bestand er nicht nur vor deutschen Kritikern, sondern imponirte, wie die Urtheile des Franzosen Théophile Gautier und des Engländers G. H. Lewes beweisen, selbst den ausländischen. Dennoch kann nicht verschwiegen werden, daß seine Kraft nicht nur mit den Jahren abnahm, sondern daß er schon geraume Zeit vorher in schlimme Manieren verfiel. Wenigstens behauptet Devrient, daß D. schon damals, als er nach Berlin kam, „viel an natürlichem Maß und künstlerischem Werth seiner Darstellung eingebüßt habe“. Die auseinanderfahrende Spielweise aber, die er in Berlin vorfand, habe ihn nicht veranlassen können, wieder zu der maßvollen Haltung einzulenken, die – besonders im ernsten Charakterfache – seinen Rollen Werth gegeben habe, und die herrschende Beifalljagd habe manche Darstellung Döring’s – so seinen Mephisto – in die Caricatur getrieben und habe seine komischen Rollen oft zu einer belustigenden Musterkarte von kunstgeschichtlichen Reminiscenzen gemacht. – In seinem bürgerlichen Leben erfreute sich D., der sich von seiner ersten Frau hatte scheiden lassen und sich noch einmal mit Mathilde Herlien, einer Schwäbin, vermählt hatte, großer Beliebtheit. Er gab Anlaß zu zahlreichen Anecdoten und war in Berlin eine bekannte Straßenfigur. Auch wußte dort Jedermann, daß er täglich von 12 bis 3 Uhr in der Weinstube von Lutter und Wegner zu finden war und dort an derselben Tafelrunde weiter präsidirte, an der einst Ludwig Devrient und E. T. A. Hoffmann ihren Stammsitz gehabt hatten. – Die letzte Rolle, in der D. am 15. Juni 1878 auftrat, war der Attinghausen in Schiller’s „Wilhelm Tell“. Dann ging er ins Bad, kam aber Anfangs August krank zurück, wurde von der Diphtheritis befallen und starb in Berlin am 17. August 1878. – Während seiner Bühnenlaufbahn soll er nahezu 9000 Mal aufgetreten sein, in Berlin allein 4900 Mal und zwar in 295 verschiedenen Rollen. Am häufigsten hat er den Kutscher Buschmann in den „Dienstboten“ von Benedix (130 Mal), den Nathan (120 Mal), den Mephisto (112 Mal) und den Piepenbrink in den „Journalisten“ (85 Mal) gespielt. Seine Leiche wurde auf dem Neuen Jerusalemer Kirchhof, auf dem auch Iffland und Friederike Bethmann ruhen, bestattet.

Devrient, Geschichte der Deutschen Schauspielkunst. Leipzig 1874. Bd. V (Register). – Almanach der Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger. Hrsg. von E. Gettke. Berlin 1879. 7. Jahrg., S. 258 bis 261. – Deutscher Bühnen-Almanach. 43. Jahrg. Hrsg. von A. Entsch. Berlin 1879, S. 145–159. – Neuer Theater-Almanach, begr. 1889. Hrsg. von der Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger. Berlin 1903. XIV, 61–66. – Prachtalbum für Theater und Musik. Leipzig o. J. I, 3–4. – Illustr. Zeitung. Leipzig 1855 XXV, 250. 1857 XXVIII, 36. 1869 LIII, 46. 1873 LXI, 127. 1875 LXIV, 63. – Friedr. Ludw. Schmidt, Denkwürdigkeiten 1772–1824. Hrsg. von Uhde. Hamburg 1875. II (Negister). – Die Gegenwart. Berlin 1875. VII, 68, 69, 107, 139, 150. – H. Uhde, Das Stadttheater in Hamburg 1827–1877. Stuttgart 1879 (Register). – A. Pichler, Chronik des großherzoglichen Hof- und National-Theaters in Mannheim. Mannheim 1879 (Register). – M. Kurnik, Ein Menschenalter Theater-Erinnerungen 1845–1880. Berlin 1882 (Register). – Friedr. Haase, Was ich erlebte. Berlin 1897, S. 103, 107. – Die Gartenlaube. Leipzig 1863, S. 432–456. – Der Bär. Berlin 1884. X, 473.