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ADB:Fürstenberg, Wilhelm von

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Artikel „Fürstenberg, Joh. Wilhelm von“ von Konstantin Hoehlbaum in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 8 (1878), S. 246–250, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:F%C3%BCrstenberg,_Wilhelm_von&oldid=- (Version vom 12. Oktober 2024, 16:01 Uhr UTC)
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Fürstenberg: Joh. Wilhelm v. F., Meister des Deutschordens in Livland. Er entstammte dem unfern von Neheim bei Arnsberg in Westfalen seit alter Zeit ansässigen Geschlecht der Fürstenberge, die in den öffentlichen Geschäften des Landes und in Diensten ausländischer Herren häufig begegnen. Wohl am Ende des 15. Jahrhunderts von Wilhelm v. F. von Neheim und Sofia von Witten geboren, folgte er, wie es scheint, schon als junger Mann den zahlreichen Landsleuten und Verwandten, die bei den Deutschordensrittern so im 16. wie im 13. Jahrhundert in bedeutenden Schaaren ihr Glück suchten. Noch unter Walter von Plettenberg, der von allen livländischen Meistern sich das größte Ansehen verschafft hat († 1535), begann er in der geistlich-ritterlichen Genossenschaft seine amtliche Laufbahn mit Erfolg. Aus der Stellung eines Hauskomturs von Ascheraden, dann eines Komturs zu Dünaburg, rückte er im J. 1553 in das Amt eines Komturs von Fellin vor, das als das dritte in der Rangordnung des Ordens galt; im April 1556 wurde er zum Coadjutor des Meisters Heinrich von Galen erkoren um demnächst selbst in die Meisterwürde einzutreten. Durch den Antheil, den er an der Auftheilung der deutschen Colonie unter den Letten und Esten nahm, gewinnt er einen Anspruch auf die allgemeine Beachtung. Die Gesammtlage Livlands beruhte um diese Zeit auf dem Gegensatz der particularen Bildungen zu den allgemeinen Umwandlungen, welchen Europa, besonders das deutsche Mutterland, unterlag. Er verschärfte sich vornemlich dadurch, daß die Säcularisirung Preußens Livland zum einzigen Vertreter der staatlichen Schöpfungen des Deutschordens machte. Indem es sich in seinem größten Theile unter der Gewalt der Ritter erhielt und zugleich den reformirenden Tendenzen auf dem Gebiet des religiösen Lebens unbedingt Zugang gestattete, stellten die Machthaber das Land und sich selbst in einen Conflict, welcher eine bestimmte Lösung nachdrücklich verlangte. Es schien, daß nur die Errichtung einer einheitlichen weltlichen Herrschaft mit der natürlichen Erbfolge und in den veränderten Formen einer neuen Zeit das von deutschen Rittern und Bürgern besiedelte Land in dem Zusammenhang der deutschen Geschichte erhalten könne. Allein in andrer Meinung schlug Walter von Plettenberg, dem die Entscheidung übergeben war, einen Mittelweg ein, welcher die bestimmte Lösung vertagte, den Gegensatz, der in dem schnellen Fortschreiten der allgemeinen Bewegung an Stärke gewann, offen ließ. Darauf [247] gingen die späteren Verwicklungen und das Ende des livländischen Staats zurück, daß der Meister des Ordens, dem kein Raum in der neuen Zeitlage gegeben war, gemäß dem Receß von Wolmar von 1526 die allgemeine Schirmherrschaft, nicht aber die wirkliche oberste Gewalt über das Land empfing, um die Säcularisirung und das Eindringen deutscher Fürstenherrschaft auszuschließen. Es ergab sich von selbst, daß das rigische Erzbisthum dem entgegen trat. Markgraf Wilhelm von Brandenburg, ein Bruder des ersten preußischen Herzogs und Vetter des Königs von Polen, erst Coadjutor im Erzstift, dann Erzbischof von Riga, ist ein Repräsentant der entgegengesetzten Tendenz, die eben so wol mit dynastischen Interessen wie mit der politischen deutschen Idee sich verband. Gegen seine Absichten richten sich in den nächsten Jahrzehnten die Privilegienbestätigungen des Ordens und die Beschlüsse der Stände auf Initiative der Meister, daß nur mit deren Zustimmung einem ausländischen Fürsten der Zugang zum Regiment offen sein soll: im Landtagsabschiede von Wolmar von 1546 wurde der Consens aller Stände zur Annahme eines fremdländischen fürstlichen Coadjutors gefordert und die Säcularisirung für alle Zeit untersagt. Erzbischof Wilhelm nahm an diesem Beschluß Theil, obwol er von vorn herein ein Beförderer der protestantischen Lehren gewesen, die bewußte Absonderung der Livländer von den Interessen des Reichs kannte und schon vor Jahren zu dem Verdacht Anlaß gegeben, er wolle Livland das Schicksal Preußens bereiten. Dennoch wählte er sich (1555) unter dem Beistande Herzog Albrechts von Preußen und König Sigismund Augusts von Polen, welcher Conservator des Erzstifts war, den jungen Christof von Meklenburg zum Coadjutor. Das erzstiftische Capitel gab seinen Beifall, aber im Lande wurde der Markgraf vom Orden für einen Verräther ausgegeben. Es läßt sich denken, daß der Erzbischof der Unhaltbarkeit der öffentlichen Zustände zu begegnen strebte, nicht ohne eigenen politischen und dynastischen Ehrgeiz, doch aber in der Sorge um eine gedeihliche Zukunft des Landes: in Preußen hatte dasselbe brandenburgische Haus ein erbliches Fürstenthum errichtet und ein deutsches Grenzland vor der Unterdrückung durch Polen, das im Osten überwiegenden Einfluß besaß, sicher gestellt. Gegen Livland erhob sich zudem gerade jetzt der Eroberungstrieb der Russen. – Zu Gunsten Christofs wünscht sein Bruder Johann Albrecht von Meklenburg im Namen andrer Reichsfürsten wie König Sigismund August die Aufhebung des widerstreitenden Artikels von 1546 von den Ständen. Der Orden rüstete sich zu einem Kampf der Verzweiflung und machte den Komtur von Fellin, Wilhelm von F., zum Träger des geistlich-ritterlichen Prinzips, welches dem Untergange geweiht war. Auf einem Landtage zu Wolmar, der in Abwesenheit des Erzbischofs Verabredungen gegen die brandenburgisch-meklenburgischen Intentionen traf, wurde F. dem schwachen Meister als Coadjutor beigegeben. Man mag die phantastische Vorstellung eines zeitgenössischen Schriftstellers nicht übersehen: die Constellation des Mars und Saturn in der Stunde der Wahl bedeute einen Umschwung der Dinge und Unheil. Die Gegner gaben die Wahl für vorschriftswidrig aus; ohne Vorbereitung seien die Gebietiger fast im letzten Augenblick zu ihr gezwungen, das nähere Anrecht des Landmarschalls Caspar von Münster[WS 1], der sich in einer eigenen Schrift gegen den Vorwurf verrätherischer Conspiration gewehrt hat, sei mißachtet worden. Vier Jahre später, da er selbst bei Seite geschoben war, ließ sich F. den rechtmäßigen Vollzug seiner Wahl bescheinigen. Das aber ist unzweifelhaft, daß die Erhebung dieses Coadjutors die letzte energische Opposition der alten Tendenzen des Ordens gegen die politischen Combinationen einer neuen Zeit einleiten sollte. Seine Widersacher nannten ihn zornig und frevelmüthig, einen „wüsten Kopf und frechen, aufgeblasenen, wüthenden Mann“, seine Freunde aufrichtig und brav, nicht fähig Unrecht zu leiden, voll guten Willens. Es ist [248] offenbar, daß dieser sich nun mit Nachdruck gegen eine Verständigung mit Polen und Preußen und deren Fürsprecher richtete, daß F. sogar den Plan des Deutschmeisters, das Herzogthum Preußen für den Orden zurück zu erobern, aus eigenem Antriebe unterstützte. Hieraus bahnte sich die unglückliche Entscheidung an und entsprang unmittelbar der Bürgerkrieg, der für die Geschicke des Landes verhängnißvoll wurde. Die erzbischöfliche Coadjutur Christofs von Meklenburg bildete den Ausgangspunkt, Briefe des Erzbischofs an seinen Bruder in Preußen dienten als Vorwand zum Angriff. Sie wurden aufgefangen und galten dem Orden als Beweis für die kriegerischen Anschläge Wilhelms in Verbindung mit dem abgefallenen Landmarschall und mit ausländischen Fürsten. König Sigismund August nahm sich Münsters an, mißbilligte die Wahl Fürstenbergs, indem er sie für eine Gefahr in dem drohenden Zusammenstoß mit Rußland ausgab, und kündigte eine militärische Dazwischenkunft in den livländischen Angelegenheiten an. Die Gegenpartei raffte alle Kräfte zusammen: die Stände erklären dem Erzbischof die Fehde, unterstützt durch städtische Mannschaft von Riga bricht ein Ordensheer unter der Leitung Fürstenberg’s, der für den Kampf zum obersten Feldherrn ernannt war, in das Erzstift, Markgraf Wilhelm wird in seiner Residenz Kokenhusen gefangen (1556 Juni) und in ein strenges Gewahrsam abgeführt; sein Coadjutor Christof wird als unschuldig entlassen. In den diplomatischen Verhandlungen, bei welchen viel mehr F. als der alte Meister Galen auf Seiten des Ordens im Vordergrunde steht, machte man aus seiner Hinneigung zu Schweden und zu Dänemark kein Hehl. In dem Maße jedoch, in welchem sie unfruchtbar zu bleiben versprach, nahm die Verwicklung mit Preußen und Polen zu: auf dem Verhältniß zu ihnen ruhte die Entscheidung. Das Reich, Dänemark, Schweden, Lübeck, Meklenburg, Pommern vermitteln, aber Polen, das eine große Truppenmacht an der Grenze hat, gibt den Ausschlag. F., der nach dem Tode Galens im Mai 1557 selbst Meister geworden und nun mit seiner Heerschaar an der kurländischen Grenze bereit steht, muß, um den Krieg abzuwenden, auf Verlangen des Königs sich nach Poswol (Litauen) begeben, vor Sigismund August einen Fußfall thun und Frieden geloben. Die Verträge, die hier dictirt wurden (5. Septbr. 1557), bezeichnen in Wirklichkeit das Ende der livländischen Conföderation; die Politiker des Ordens beschleunigten es, indem sie es abzuwehren gedachten. Der Erzbischof wird restituirt, der Coadjutor bestätigt, die Coadjutur frei gegeben unter Anerkennung des Recesses von 1546. Was aber damals Beschluß des Landes, ist jetzt ein Gunstbeweis des polnischen Königs; die Gewalt über die uneinigen Stände ist ihm gegeben, kein einheitliches Regiment steht im Wege; die Unterwerfung der Landestheile, die er begehrt, ist nur noch eine Frage der Zeit. Früher war die Möglichkeit vorhanden die Selbständigkeit und eine Kraft des Widerstandes gegen die Russen in einer weltlichen Staatenbildung unter der Hoheit Polens, die nicht unwiderruflich war, zu finden. Seit dem Tage von Poswol ist jeder Halt geschwunden. Die Ansprüche des Ordens bleiben dieselben den neuen Verhältnissen zum Trotz, Meister F. vertritt sie als ein Held der alten Ritterzeit mit Zähigkeit und Ungestüm: die Erkenntniß der politischen Lage scheint ihm ganz zu fehlen. Die einzige freiwillige Concession Fürstenberg’s an die Reform in Staat und Kirche der Zeit mag man in einem geistlichen Liede erblicken, das er in den ersten Jahren seiner amtlichen Laufbahn (vor 1545), nicht ohne Anklang an den protestantischen Zug der Zeit, gedichtet hat („Ach Godt wil my erhören“). Im Kampfe vermochte F. sich so wenig zu behaupten wie in der hohen Politik. Im Januar 1558 erfolgte der Einfall der Russen in Livland, das Zeichen zum äußeren Zusammensturz der Conföderation war gegeben. Die Russen, die aus zahlreichen Theilherrschaften zu einem despotischen Staate vereinigt worden, [249] folgten dem natürlichen Trieb nach Erwerb der Meeresküste: es lag nahe ihm durch eine gemeinsame Action mit Verbündeten oder mit Schirmherren zu begegnen. Im Schwanken seiner Entschließungen knüpft F., dem auf dem Schlachtfelde das Glück nicht zur Seite steht, bald mit Dänemark und Schweden, bald mit Polen an, ohne zu sicheren Ergebnissen zu gelangen. Schon im Juli wird ihm, da die Last des Alters seine hohe Gestalt beugt, ein Coadjutor beigegeben in der Person Gotthard Kettler’s, des Komturs von Fellin, der bereits seit Jahren im Reich und in Polen im Interesse des Ordens thätig gewesen. Er erzielt einige Waffenerfolge; auf diplomatischem Gebiete gewinnt er die Leitung, er wirkt nach allen Seiten, aber die vornehmste Aufmerksamkeit widmet er Polen, auf dem allein die Hoffnung steht. F. nimmt an den Geschäften Theil, aber durch weite eigenmächtige Zugeständnisse an Dänemark durchkreuzt er die Pläne seines Coadjutors, wie er die Unzufriedenheit der Ordensgebietiger erweckt. Zu Beginn des Jahres 1559 sieht er sich zur Abdankung gezwungen; bis zur Rückkehr Kettler’s aus Polen soll er im Amte bleiben. Während F. nun einen Theil des Landes Schweden anträgt, um die Kriegskasse zu füllen, und zu Riga die erste Landschatzung in Livland ausgeschrieben wird, einigt sich Kettler mit sehr umfassenden Vollmachten ausgestattet mit König Sigismund August in Wilna 31. August. Polen-Litauen gewährt seinen Beistand für den Kampf mit den Russen gegen Abtretung gewisser Gebiete an der Düna und unter Aufrichtung seiner Schirmherrschaft über Livland: der Vorbehalt der Oberrechte des Reichs hatte auf beiden Seiten nur formalen Werth. Hiermit war das Meisterthum Fürstenberg’s durchaus beendet. In Folge der diplomatischen Transactionen und auf das ausdrückliche Verlangen des polnischen Königs, dessen Politik mit derjenigen Fürstenberg’s nicht harmoniren konnte, übergab der alte Meister in einer Versammlung der Gebietiger zu Wenden das Regiment, September 1559. Schwachheit, Alter und Unvermögen gibt er selbst als Ursachen seines Rücktritts an. Die Stände wurden ihres Eides entlassen, er schied ohne Anhang aus dem Amte. Die feindlichen Richtungen, die sich in dem Thun beider Meister begegnen, führen sie noch einmal wider einander. Der Rücktritt Fürstenberg’s gibt im Lande zu einer scharfen Kritik seines ganzen Verhaltens Anlaß, die politischen Schritte Kettler’s werden vom alten Meister, der noch immer vom Reich und vom Deutschmeister des Ordens die Rettung des Landes erwartet, unumwunden getadelt. Am Ende sind die Schwierigkeiten, die fast bis zur Abdankung Kettler’s führten, durch eine Abkunft sehr materieller Art gehoben: gewisse Gebiete werden F. zum Unterhalt verschrieben, darunter das durch seine natürliche Lage und durch seine Befestigungen ausgezeichnete Schloß Fellin (April 1560). Hier endete sein Aufenthalt in Livland. Ueberhaupt noch kriegerisch thätig setzte er im August 1560 von seinem Schloß aus den Russen energischen Widerstand entgegen. Durch Verrath der Landsknechte werden die Belagerten zur Uebergabe gezwungen, mit einer reichen Beute fällt F. in die Hände der Russen (20. oder 21. August). Kettler traf die Anklage, daß er den alten Meister nicht habe entsetzen wollen. In Moskau blieb er mit vielen Landsleuten der Gefangene des Zaren Iwan Wassiljewitsch. Eine wohl verbürgte Kunde, die nach Livland drang, ließ sein Gewahrsam weder arm noch drückend erscheinen. Ein Jahr später macht der Deutschmeister einen vergeblichen Versuch zu seiner Befreiung, im J. 1564 wird er erneuert, doch auch jetzt haben die reichen Geschenke, die dem Zaren überliefert werden, keinen Erfolg. Mit dem November dieses Jahres, wo ihn Rafael Barberini, der Gesandte der Königin Maria von England, in Moskau gesehen, schwindet Fürstenbergs Spur aus der Geschichte. Dem Lande, dem er als Meister vorgestanden, blieb sie tief aufgedrückt.

[250] Ferdin. v. Fürstenberg’s Monum. Paderborn. Amsterdam 1672. Ueber baltische Quellen und Litteratur vgl. Winkelmann, Biblioth. Livoniae hist., 2. Ausgabe, Berlin 1878.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Jasper von Münster (gest. 1577), Deutschordenslandmarschall.