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ADB:Ferdinand von Fürstenberg

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Artikel „Ferdinand v. Fürstenberg, Fürstbischof von Paderborn und Münster“ von Josef Bernhard Nordhoff in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 6 (1877), S. 702–709, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ferdinand_von_F%C3%BCrstenberg&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 01:14 Uhr UTC)
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Ferdinand v. Fürstenberg, Fürstbischof von Paderborn und Münster, geboren zu Bilstein den 21. Octbr. 1626, † den 26. Juni 1683, entsproß der Ehe Friedrichs v. Fürstenberg und der Anna Maria v. Kerpen und zwar in der Reihe von vielen Kindern als das elfte. Von Kindesbeinen an sorglich erzogen, auffallend begabt und dem geistlichen Stande bestimmt, weilte er zu seiner Ausbildung 6 Jahre bei den Jesuiten in Siegen, wo er bereits Geschmack an der Dichtkunst und, von P. Johann Velde angeleitet, an vaterländischer Geschichte fand. Seit 1644 hörte er an der Jesuiten-Akademie zu Paderborn philosophische Vorlesungen und zwar mit solchem Erfolge, daß er von allen Schülern zuerst als Baccalaureus ausgerufen wurde. Als Paderborn 1646 in Wrangel’s Gewalt fiel, begab sich F. mit seinen Brüdern nach Münster, um seine Studien fortzusetzen. Doch neue Lehrer und neue Systeme und dazu der Tod der Eltern verleideten ihm dieselben; daher er sich vorerst an der Hand des Rechtskundigen Johann v. Hardt zu Bilstein, darauf zu Köln auf die Jurisprudenz verlegte. Hier trat er einer hohen, einflußreichen Persönlichkeit näher. Fabio Chigi, der Legat des Papstes und Vertreter beim westfälischen Friedenscongreß, ward von Ferdinands Gelehrsamkeit und Wesensanmuth gleich sehr eingenommen, und beide traten in einen lebhafteren, den Wissenschaften und Künsten gewidmeten Verkehr. Als Chigi dann Cardinal geworden, lud er den jungen Freund nach Rom ein und dieser folgte ihm 1652 und nachdem er 1655 als Alexander VII. den päpstlichen Stuhl bestiegen, ernannte er F. zum Geheim-Kämmerer, zeichnete ihn vor den Italienern als Muster eines adelichen Jünglings aus und beehrte ihn mit Aufträgen. F. rechtfertigte diese Gunst in solchem Maße, daß er von den berühmten Dichtern und Gelehrten Roms zum Mitgliede, sodann zum Präfecten der Akademie der Humanisten einstimmig erwählt wurde – eine Auszeichnung, die noch keinem Fremden, geschweige einem Deutschen, zu Theil geworden war. Wie er seine Genossen für höheres geistiges Leben zu entflammen wußte, so nährte er in ihrem Umgange zwei Hauptadern seines Strebens, die poetische und die historische. Mit den Gelehrten, worunter auch sein Landsmann Torck war, unternimmt er poetische Weltkämpfe, antiquarische Untersuchungen bis nach Neapel hin. Dabei belebt sich sein Jugendtrieb, gerichtet auf die Vergangenheit seiner [703] sächsischen Heimath und namentlich des Paderborner Landes. Er verfolgt sie von den Urzeiten, wo sie im Dämmerlichte der classischen Geschichtschreiber einige Gestalt annimmt, durch die fränkischen und sächsischen Quellen hindurch, durchstöbert einschlägige Handschriften und Urkunden, copirt Brauchbares und Werthvolles und bestimmt fähige Köpfe der Heimath, dort ein Gleiches zu thun. Dabei kam ihm die Freundschaft des vaticanischen Bibliothekars Holstein und nicht minder die Gunst wie der historische Sinn des Papstes, der selbst an welthistorischen Wandlungen so unmittelbar Theil genommen und alle möglichen Actenstücke über den westfälischen Frieden gesammelt hat, zu Statten. F. konnte aus der Vaticana Briefe und Actenstücke, Handschriften und Urkunden benutzen, die so leicht vor ihm und nach ihm Keinem wieder zu Gebote standen. Genug, seine Bestrebungen, die schönwissenschaftlichen wie die historischen, fanden sich im Umgange mit den Gelehrten, mit den Büchern und Geschichtsquellen, wie sie die ewige Stadt bot, wie neu befruchtet, und sie sollten in der Heimath erst recht blühen und reifen. Dabei steht er dem administrativen Leben nicht fern; als päpstlicher Gesandter geht er nach Wien und anderen Orten und 1660 überbringt er dem Bischof Franz Wilhelm v. Wartenberg von Osnabrück den Cardinalshut und erwirbt bei dieser Gelegenheit die Gewogenheit des münsterischen Fürstbischofs Bernard v. Galen.

Ungefähr ein Jahr später kehrte er als Bischof für immer von Rom in seine Heimath zurück. Er hatte mit 8 Jahren die niederen Weihen und ein Canonicat in Hildesheim, am 20. Oct. 1644 vom Kaiser ein solches in Paderborn, 1650 daselbst schon vom Weihbischofe Frick die Subdiaconats-, zu Rom die Priesterweihe erhalten. Nun, als der Fürstbischof von Paderborn, Th. A. von der Reck, starb, wurde er, dem Domcapitel durch seine Fähigkeiten und Verbindungen wohlbekannt, am 21. April 1661 zu dessen Nachfolger erwählt und durch den Domherrn Adolf v. Lippe in Rom davon benachrichtigt. Der Papst empfahl ihn hocherfreut dem Kaiser und weiß in einem Schreiben an das Capitel nur Tugenden von ihm zu offenbaren, der Cardinal Rospigliosi, später Papst Clemens IX., consecrirte ihn. Mit Schmerzen sahen ihn die Freunde, mit Thränen in den Augen der Papst von Rom scheiden. Am 29. August erhielt er die kaiserliche Bestätigung, am 2. October betritt er sein Land; außerordentliche Feierlichkeiten verherrlichen seinen Einzug.

F. regierte über Paderborn 22 Jahre und die letzten 5 Jahre zugleich über Münster; denn für dieses Hochstift war er schon 1667 nach einer zwischen ihm und dem Kurfürsten von Köln streitigen Wahl vom Papste zum Coadjutor ernannt und vom Kaiser bestätigt, aber, solange Bernard v. Galen († 1678) lebte, dort allen Geschäften fern geblieben.

F. war ein Regent des Friedens, wol militärischen Vortheilen zugewandt, aber kriegerischen Actionen abgeneigt. Daher begünstigte er höchstens auswärtige Kämpfe gegen Nichtkatholiken: so unterstützte er die Insel Candia mit einer bedeutenden Geldsumme, Oesterreich durch auserlesene Truppen gegen die Türken, und so bot er 1671 Köln Paderborns und Münsters Hülfe an, falls der Kurfürst die damals günstige Gelegenheit wahrnehme, Hildesheim, „die häretische Stadt, zum Frommen der katholischen Sache zu erobern“. Im zweiten französischen Raubkriege nahm Paderborn weniger Partei für die Kaiserlichen, litt daher auch 1679 so unter deren Einquartierung, daß F. gegen Conring des deutschen Reiches Zerrüttung beklagte und die Kaiserlichen als Harpyien brandmarkte. Der General Sporck, der sein Vaterland gewiß möglichst schonte, erlangte am 1. Juli 1674 wegen der dem Stifte geleisteten Dienste von F. für seinen Elternhof im Delbrückischen immerwährende Befreiung von Lasten und Diensten und ebenso für dessen Inhaber, seinen Bruder Philipp und dessen Erben Freiheit von allem [704] persönlichen Eigenthum. Paderborn begrüßte die nachrückenden Franzosen als Befreier, das Land stand ja von Alters her durch den Hauptheiligen Liborius mit Le Mans in geistiger Verbrüderung und F. beobachtete Rücksichten der Etiquette gegen Ludwig XIV. Allein sein Lob sollte sich bald in Jammer verwandeln, als die Fremdlinge Höxter verließen, und 1679 erschien ihre Haltung von Lippstadt aus so bedrohlich, daß er die französischen Officiere durch Geschenke an Wein und Hafer von Einfällen in sein Land abhalten mußte, bis der Friede mit Kurbrandenburg dem Kriege ein Ende machte.

Schon vorher hatte er die Kriegsfäden seines Vorgängers, Bernard v. Galen, im Hochstift Münster zerrissen und die münsterischen Hülfstruppen aus Dänemark abberufen, welche Galen nach dem Siege des großen Kurfürsten bei Fehrbellin (am 18. Juni 1675) gegen Schweden gestellt, wie er vordem dessen Bundesgenossen, Frankreich, unterstützt hatte. Am 17. Nov. 1678 erneuerte F. gleichwol den Subsidientractat mit Dänemark, verließ ihn jedoch wieder, sobald der Frieden zu Nymwegen für Schweden günstig ausgefallen war, und schloß am 29. März 1679 mit letzterer Macht und mit Frankreich einen Separatfrieden, wornach Schweden zur Erstattung der Kriegskosten von 100000 Thlr. das 19 Jahre später eingelöste Amt Wilderhausen an Münster verpfändete, Frankreich 50000 Thlr. zahlte und versprach, bei der Krone Schweden für die Erhaltung der katholischen Zustände, wie sie von Bernard v. Galen in den Herzogthümern Bremen und Verden hergestellt waren, einzutreten. Andere Schwierigkeiten wegen Zurückberufung der Truppen wurden 1681 auf Vermittlung Kurbrandenburgs beigelegt. Am 23. August 1679 schloß F. zu Lügde noch eine Defensivallianz mit den braunschweigischen Herzogen gegen alle Einfälle von außen. Trotz des Friedens suchten die Franzosen durchs Münsterische eine leichte Bahn in die brandenburgischen Westgebiete und auch, nachdem der große Kurfürst den opferschweren Frieden von St. Germain-en-Laye eingegangen war, zögerten sie mit dem Abzug aus der Grafschaft Mark und verheerten dabei die münsterischen Grenzgebiete. Um dann Frankreich nicht zum Feinde zu haben, schloß F. mit ihm noch am 14. Sept. 1680 einen Defensivallianzvertrag und suchte dafür auch mit gewissem Erfolge benachbarte Fürsten zu gewinnen; am 14. Sept. 1682 trat er in ein später auch von Kurköln angenommenes Bündniß mit Dänemark und Brandenburg, welches den Frieden im Reiche und namentlich ein friedlicheres Verhältniß mit Frankreich, überhaupt, unbeschadet der Treue gegen das Reich, den gegenseitigen Schutz der Verbündeten bezwecken sollte.

Schaut durch diese Acte die traurige Rathlosigkeit der Kleinstaaterei, so bewegte sich Ferdinands innere Verwaltung auf festem Boden – zum Segen seiner beiden Länder. Sie hatten sich, als er die Regierung übernahm, von den Wunden des großen Krieges noch nicht erholt, Münster hatte dazu unter der Kriegspolitik Bernards v. Galen entsetzlich gelitten und eine gewaltige Schuldenlast zu tragen. Ein Freund städtischer Freiheiten war F. zwar nicht; das hatte vor allem Paderborn zu erfahren. Für Münster trug er sich im übrigen mit verschiedenen Plänen, die bestimmt waren, Stadt und Akademie zu heben, doch hat der Tod die Ausführung verhindert.

Um so mehr gediehen seine Einrichtungen, kirchliche und staatliche, im Paderborner Lande. Vom dortigen Adel verlangte er behufs Landtagsfähigkeit den Nachweis von 16 echten Ahnenwappen, dort schützte er die Waldungen, erneuerte er die Verbote gegen Zertheilung und Veräußerung der Meierhöfe, legte zu Neuhaus eine Färberei und Tuchmacherei an und begünstigte das bis heute noch hinsiechende Fabrikwesen, pflegte und brachte in Ruf die mineralischen Heilquellen zu Schmechten und Driburg. Den Verkehr zu heben, wurde eine wöchentliche Fahrpost von Neuhaus über Rietberg nach Amsterdam und anderseits über [705] Paderborn, Marburg nach Cassel geleitet. Sparsamke und finanzielles Talent, wie alle Bischöfe seines Hauses es besaßen, gewährten ihm stets die nöthigen Mittel und damit wußte er selbst größere Heimsuchungen, wie die kaiserlichen Einquartierungen und die wol damit überkommenen Krankheiten und Theuerungen, die Viehseuchen, die Brandverheerungen, welche dann diesen, dann jenen Ort ergriffen, zu mildern oder ihre Folgen zu beseitigen, überhaupt einen bleibenden Wohlstand ohne neue Auflagen zu schaffen.

Das Rechtswesen wurde verbessert und geschärft, den Gerichten unterschiedslose Strenge selbst gegen des Fürsten Anverwandte geboten und ebenso wurde, wahrscheinlich zur Bekämpfung von Quacksalbereien, eine neue Medicinalordnung eingeführt.

Seine vornehmste Sorge ging auf die Bildung und Erziehung des Clerus und durch diesen des Volkes. Die Synodalgerichte mußten gegen die Unsitten einschreiten, die Geistlichen behufs Erlangung von Pfarreien den Pfarrconcurs oft unter seinen Augen bestehen. Weiterhin belebte er Seelsorge und Glauben, indem er bald nach seinem Amtsantritte den Pfarrern zu Hülfe und Dienst zwei Jesuiten als Missionäre anstellte, die jährlich wenigstens ein Mal in den Städten, Flecken und Dörfern des Bisthums katechisiren, predigen und beichthören mußten. Der Katechese wohnte der Bischof wol selbst an. Schulen wurden, wo sie nicht bestanden, überall eingerichtet, auch von den Missionären besucht und darin insbesondere auch religiöse Gesänge gelehrt, damit die Gassenhauer (d. h. die Volkslieder) verdrängt würden. Der normalen Seelsorge der Pfarrer ging also ganz im Geiste des restaurirten Katholicismus eine außerordentliche zur Seite, welche namentlich die Befestigung und Verbreitung des Glaubens bezweckte, und diese hat F., wie seine Amtsbrüder zu Osnabrück und Münster, auf die Schultern der Mönche, namentlich der Franciscaner-Observanten und der Jesuiten gelegt. Das Institut der Missionen entsprach in der Heimath so sehr den Erwartungen, daß er es weit über die Grenzen seiner Diöcese, ja über die Meere hinweg, als Stütze seiner Glaubensgenossen und zur Bekehrung von Heiden und Andersgläubigen durchführte. Er stiftete nämlich am 5. April 1682 aus eigenen Mitteln einen Fonds von über 100000 Thlrn. für 15 Missionsbezirke und 16 Missionarien, davon kam eine Mission mit 8 Priestern auf China und Japan, die übrigen auf Deutschland und den Norden, zu dessen apostolischem Vicar er seit dem 16. Sept. 1680 ernannt war, nämlich auf die Bisthümer Münster, Paderborn, auf das Emsland, das Herzogthum Westfalen, das Siegerland, die Wesergegend mit dem Sitze Hameln, Hannover mit Celle oder Hannover, oder falls hier der Sitz verweigert würde, mit Hildesheim, Niedersachsen mit Magdeburg oder Halberstadt je eine, die letzten 6 auf den Norden, auf Bremen, Hamburg, Lübeck, Glückstadt, Friedrichsstadt mit Holstein, und Fridericia in Jütland. Der Jesuitenorden nahm die Fundation dankend an und stellte vorerst die Missionäre an, der jeweilige Bischof von Paderborn, sowie das Haupt der Fürstenberger Familie erhielten das Protectorat, drei geistliche Würdenträger zu Paderborn das Curatorium der Stiftung. Später sorgte der Bischof von Paderborn für die fünf Missionen Westfalens und die ihnen zustehenden Fonds, der Bischof von Münster verwaltete den größeren nachmals durch ein Ranzauisches Vermächtniß erweiterten Theil der Stiftung, welcher den nordischen und asiatischen Missionaren zu Gute kam.

Ein eifriger Oberhirt, vollzog F. alle Pontificalhandlungen in der Diöcese selbst; nur für Münster bestellte er einen ständigen Weihbischof, für Paderborn zog er nur in Nothfällen auswärtige Hülfe heran, so sehr auch seine Studien, die laufenden Regierungsgeschäfte und neue Schöpfungen seine Kräfte und Zeit in Anspruch nahmen.

[706] Zahllose Stiftungen und Bauten schuf er überdies in seiner Heimath, so in Paderborn Kirche und Kloster der Kapuzinermönche zu Brakel (1665), das Kloster der Prediger zu Warburg (1669), das Kloster und die Kirche der Franciscaner-Observanten zu Paderborn (1671), die Jesuitenkirche daselbst in Folge eines Gelübdes, die Pfarrkirchen zu Neuhaus und Altenbeken (1669), zahlreiche Capellen – ferner im Kölnischen das Franciscanerkloster zu Hardenberg (1683), die Kirchen zu Cörbecke, zu Obernkirchen – zu Wurgesten an der Weser die Michaelskirche. Im Münsterischen legte er den Grund zu den Observantenklöstern in Aschendorf und Warendorf (1683), schenkte an den Domaltar ein Antipendium mit dem Martyrium des hl. Paulus, ein Crucifix und mehrere Candelaber, alles in schwerem Silber, dem bischöflichen Hofe vermachte er Prachtgeräthe in Silber von ungefähr 1000 Pfund. In dankbarer Erinnerung an seinen Studienort baute er den Jesuiten zu Siegen ein neues Gymnasium (1683). Und in seinem Testamente am 29. April 1683 konnte er von einem wirklich fürstlichen Schatze an Capitalien, Renten, Gefällen, Kleinodien, Utensilien, Prachtgeräthen, wie reichlich er auch seine Familie, ihre Glieder, Anverwandte, Freunde, Beamten und Diener bedachte, jene Stiftungen erweitern und neue hinzufügen, insbesondere den Capiteln, Collegiatkirchen, Klöstern, Armen und wissenschaftlichen Zwecken splendide Gaben legiren, für die Fundation eines Seminars zu Paderborn allein 20000 Thlr. aussetzen.

Die Neubauten, die kostbaren und schönen Utensilien und Kleinodien Ferdinands weisen schon auf eine Künstlerschaft hin, die sich an seinem Hofe sammelte oder bildete; die Kirchen-, Capellen- und Klosterbauten entbehren meistentheils der weiteren Zieraten – einige Kirchen erheben sich noch in den nachlebenden Grund- und Höhenformen des Mittelalters, stammen also jedenfalls von localen, den neuen Stilrichtungen abholden Meistern; dafür sind die Altäre, das Möbelwesen, überhaupt der profane und kirchliche Hausrath, ganz nach damaligen Grundsätzen um so prachtvoller und üppiger geformt, um so fleißiger ausgearbeitet, die Interieurs- und Cabinetsmalerei sorglich gepflegt, die Kleinkünste den monumentalen weit voraus. Nur die Paderborner Jesuitenkirche zeichnen bedeutendere Dimensionen und stilistische Zierden aus; dreischiffig mit reicher Façade ohne Thurm, mit Emporen in den Nebenschiffen und nach unten hin mit einer Verbindungsempore für die Orgel, mit kleinen Fenstern noch in den Oberwänden, folgt sie dem Systeme landesüblicher Jesuitenkirchen, verräth jedoch trotz aller protuberanten Details mit einigem spitzbögigen Stabwerk noch alte örtliche Kunsterinnerungen. Den Architekten spielten bei den reichern Bauten wahrscheinlich entweder auswärtige Meister (Pictorius von Münster) oder des Fürsten Studiengenosse, der Jesuit Grothues, von dem noch Copien aller Grundrisse erübrigen, oder auch die Maler, die in seinen Diensten standen und in Zeichnung und Oel auch geschickt Architekturen darstellten. Ihre Kunstgattung erhebt nun mit den Kleinkünsten über Architektur und Bildhauerei kühn das Haupt, und bezeichnend genug sind uns ihrer einige mit Namen bekannt, von den übrigen Künstlern keine. Ein Maler, C. Fabricius, ohne Zweifel ein Paderborner, malte für den Fürsten 1664–66 nach naturgetreuen Aufnahmen des Landes Städte und Gegenden für das Residenzschloß Neuhaus in Oelbildern von verschiedener Größe, gelungen in der Perspective und in der Darstellung des Baumschlages – ein anderer besonders von F. begünstigter Maler, J. Georg Rudolphi aus Brakel, schuf große und kleine Kirchengemälde in Oel und entwarf für die Kupfer der Monumenta Paderbornensia (ed. 1672) die allegorischen Darstellungen und die Landschaften, die von den auswärtigen Meistern L. Visscher, J. de Ram und namentlich von R. de Hooghe gestochen sind. Ferdinands Bruder, Dietrich Kaspar (s. d. A.), malte für dieses Buch und A. Bloetelingh stach das schöne Porträt Ferdinands und jedenfalls auch das des Bischofs Dietrich.

[707] Weit mehr leuchtet Ferdinands Residenz als Mittel- und Sammelpunkt von Gelehrten hervor: er selbst war ein Freund zunächst der religiösen Wissenschaften, in diesem Sinne auch ein Eiferer für die Jesuitenakademien, das Erziehungsinstitut der französischen Nonnen und die Volksschulen; doch dabei betrieb er selbst Dichtung und Geschichte mit eminentem Erfolge. Die Lateindichtung, welche vorzugsweise die Jesuiten noch pflegten, handhabte er gewandt in Sprache und Form, nüchtern im Gehalt, aber deshalb auch freier vom damaligen Schwulste und mythologischem Apparate in zahlreichen Poemen frommen, freundschaftlichen und dedicativen Gehalts. Die römischen Classiker und die Neulateiner, zumal Sannazaro, hatten sich ihm tief eingeprägt. Die Lateindichtungen, welche ihn vornehmlich in der Jugend beschäftigten, haben, so weit sie auch hallten, doch nur in soweit nationale Bedeutung, als dermalen in die Ausläufer der Humanistenpoesie die Keime der nationalen Litteratur verzweigt eingriffen, daher auch der Polyhistor D. G. Morhof „die Majestät und Lieblichkeit“ seiner Gedichte preist. Nicht als Dichter, wol als Gelehrter wurde F. der Rudolf v. Langen in seinem Lande.

Nachhaltig, nach Umständen, volksthümlich haben Ferdinands historische Bestrebungen gewirkt, wie sie auch seinen denkenden und ordnenden Anlagen mehr entsprachen. Schon in Knabenjahren daran erbaut, in Rom von Holstein mit den gehaltvollsten Documenten über seine Heimath und Paderborn, die Stadt seines Canonicats, versehen, suchte er allerhand Material über ihre Vergangenheit zusammen, indeß er hier durch den Jesuiten Joh. Grothues aus dem Paderborner Domarchiv, aus Handschriften und Inschriften die ergiebigsten Sammlungen anstellen ließ. Als er den Bischofsstuhl bestiegen, konnte er dem von Münster herangezogenen Jesuiten Nicolaus Schaten, der sich früher in den Archiven Osnabrücks fleißig umgesehen hatte, das hauptsächliche Quellenmaterial für dessen Historia Westphaliae (ed. Neuhusii 1690 und Monasterii 1773) und Annales Paderbornenses (ebendort tom. I–II. 1693–98 und Monasterii 1774–75) liefern und bearbeiten, und nach Schaten’s Tode (1667) bewilligte er dem Jesuitenkloster für die Arbeiten des ersten Fortsetzers, Joh. Kloppenburg, eine Jahresentschädigung, sowie testamentarisch für den Druck eine Summe von 1000 Thlr. Erst 1741 erschien der dritte bis 1618 reichende Band. Schade, daß F. selbst vielleicht wegen zu vieler anderen Arbeiten seinen Plan, das Leben der Bischöfe von Paderborn und von Le Mans zu schreiben, nicht ausgeführt hat, noch mehr, daß seine historischen Collectaneen heute in verschiedene Hände zerstreut oder verschwunden sind.

Als Bischof vervollständigte er zunächst ernstlich die einschlägigen Sammlungen in den Archiven, Bibliotheken und an den Denkmälern des Landes, um daraus erwachsen zu lassen seine „Monumenta Paderbornensia“ – eine reife, noch heute saftreiche Frucht seiner poetischen und historischen Begabung zugleich. Was auch neuere Forschung hier und da wegschneidet oder zuzusetzen hat, fest und dauernd steht der Kern, wie ein Monument, woran Verwitterung nur die Außenseite benagt. Ein schöneres, idealeres Denkmal hat selten ein Fürst seinem Lande gesetzt, wie F. mit dieser Geistesblüthe. Gründliche Arbeiten über einen zeitlich und örtlich noch so begrenzten Gegenstand gebieten oft ein um so mühsameres Eindringen in die weiteste Vergangenheit, sie verheißen dafür aber, wenn auch nicht immer die erwarteten Goldkörner, so doch manche sonst übersehene Blüthe am Wege und eine lebendigere Auffassung des harmonischen Zusammenhanges der näheren und ferneren, der kleinen und großen Weltbegebenheiten. So folgte F. auch mit allem Interesse den historischen Leistungen der Landsleute, wie der Ausländer, den kirchen- wie den profangeschichtlichen, jenen eines Baluze [WS 1] mit derselben Aufmerksamkeit, wie denen eines Conring, er gewährt mit Rath, [708] Materialien, Büchern, selbst wol mit einem Geldsümmchen Unterstützung. Namentlich theilte er aus einer Abschrift von Innocenz’ III. Registrum super negotio imperii und den jetzt noch kaum ausgebeuteten Regesta Honorii III., die er in Rom fertigen ließ, jenes Registrum dem Baluze für dessen Epistolae Innocentii III. mit (Wilmans, Westf. Urk.-Buch III. S. 66) und wie hochverdient machte er sich um das Riesenwerk der von den Jesuiten bearbeiteten Acta Sanctorum. Mit ihrem Begründer Bolland bekannt, verschaffte er, nachdem auf seine Empfehlung Papst Alexander den Monat Februar huldvollst entgegengenommen, den Bearbeitern vom Orden reichliche Mittel, und zumal den Hauptgelehrten Papebroch und Henschen Zutritt zu den wichtigen Handschriften und Codices der Vaticana, und als Bischof unterstützte er ihre Reisen oder er gab Winke und Beiträge. Sie dankten ihm auch vor aller Welt mit Worten, Dedicationen oder durch Beigabe seines Porträts. Ferdinands wissenschaftlicher Eifer fand in der Nähe Nachfolge, in der Ferne Anklang, die Jesuiten zu Paderborn betrieben fortab ernstlich historische Studien und Forschungen, der gelehrte Arzt Rottendorf zu Münster würdigt und unterstützt seine Arbeiten, für Hildesheim, Lippe, Münster, Osnabrück liefern später Männer, wie Christian Th. v. Plettenberg, Meinders, Nünnig, Lodtmann auch Monumenta, wie er für das Paderborner Land. Strebensgenossen, Freunde und Bewunderer seiner Leistungen wurden ferner der münsterische Domdechant Rotger Torck, die Italiener Alexander Pollinus, Natalis Rondininus, die Jesuiten Jac. Balde, Joh. Bistel und deren Ordensgenossen in Frankreich Joh. Commirius, Jac. Wallius, Leon. Frizon, die beiden Gelehrten der Königin Christine von Schweden Nic. Hanisius, Luc. Langermann, Vetus Bering in Dänemark, der deutsche Dramatiker Herzog Anton Ulrich von Braunschweig, die Historiker Gelenius, Crombach, Overham, Grothues, Heinrich Meibom, Joach. Mader, ganz besonders Herm. Conring und Steph. Baluze in Rheims u. v. A.

F. war eine zart constituirte, doch vornehme Erscheinung, angenehm oft heiter an Wesen, doch streng gegen Widerstand, froh seiner Thaten, stolz auf seine Familie, frommgläubig im Denken und Handeln – im Ganzen ein hervorragender Mensch und Kirchenfürst.

Werke: außer dem genannten „Registrum“ und den „Regesta Honorii III.“„Theodorici, canon. Paderborn. discipuli et amici B. Lanfranci expositio orationis Dominicae“, copirt im Vatican (später anderweitig edirt). – „Luc. Holstenii Postuma de regulis monasticis, de actis martyrii ss. Perpetuae ac Felicitatis et monumentorum Rom. Collectio“, cf. Conring, Epistolae ad Baluzium Helmstad. 1694. p. 45. – „Collectanea historica et litteraria“ in verschiedenen Bibliotheken zerstreut. – „Vita Ferdinandi … ab ipso descripta“, in einem Exemplar nur bis zur Thronbesteigung reichend. – „Monumenta Paderbornensia ex hist. Romana, Francica, Saxonica eruta et notis illustrata“, Paderb. ap. Joh. Hessium 1669; die zweite (Pracht-) Ausgabe corrigirt von Ad. Overham, bevorwortet von B. Rottendorf mit vielen Kupfern von den im Texte genannten Künstlern als „M. P. … eruta et novis inscriptionibus, figuris, tabulis geographicis, et notis illustrata“, Amstel … Elsevir … 1672; 3. Ausgabe „M. P. … Manes Ferdinandei, ed. tertia prioribus auctior et emendatior“, Norimbergae et Lipsiae … Riegel … 1713, mit den von J. C. Fleischmann ungeschickt nachgestochenen Kupfern der Elseviriana; sodann „M. P. … editio quarta prioribus correctior“, Lemgoviae … Meyer … 1714, mit den zeitgemäß veränderten Kupfern der Elseviriana, Ferdinands Zusätzen, und der über 1661–1702 erweiterten Stammtafel etc. – alle vier Ausg. in 4. – „Poemata Ferdinandi L. B. de Furstenberg. Accedunt adoptivorum Carminum libri II. Editio altera, priori auctior“, Amstel. … Elsevir. 1671, herausgegeben vom [709] Schwestersohn Christian Th. v. Plettenberg, zuerst 1662 zu Antwerpen bei Moretus unter dem Namen „Ferdinandi Archontori“ in „Septem illustr. virorum Poemata“, die 1672 von neuem in Amsterdam erschienen. – „… Principis Ferdinandi … de Furstenberg votiva Epigrammata divis titularibus … cum poematiis Jac. Wallii … Papebrochii … redditam … principi sanitatem gratulantium, quem mortuum fama evulgaverat“ s. l. a. nom. typ., in 8., also c. 1676 (cf. Bibliothèque des écrivains de la compagnie de Jésus, Série 5, p. 567). – Ferdinand edirte die zuerst von seinem Bruder Wilhelm 1645 zu Köln bei Kalckow herausgegebene „Philomati (i. e. Fabio Chigi) Musae juveniles“ als editio altera priori auctior zu Antwerpen ex officina … B. Moreti 1654. – Descr. com. Lippiae (Karte) 1684.

Außer den einschlägigen Werken diverse Porträts, Kupfer, Oelbilder und Münzen. – (Luc. Nagel) Compendium vitae … Ferd. D. G. Episcopi Pad. et Monast., Lemgoviae 1714 mit den Manes Ferdinandaei in der Lemgoer Ausgabe der Mon. Pad. 1714. – Denkmale des Landes Paderborn von Ferd. v. Fürstenberg, übersetzt und mit einer Biographie des Verfassers versehen von Micus, Pad. 1844. – Annales Paderborn. ed. princ. I. p. 1–2. – Bessen, Gesch. des Bisthums Paderborn II. 231–409. – Kock, Series episc. Monast. IV. 22 sq. – Erhard, Gesch. Münsters, 1837, S. 538. 548 ff. – Seibertz, Westf. Beiträge I. 178 ff., II. 67. AA. SS. April. II, Mai. I (die Dedicationen), Jun. I. 507. – L. Frizon, Poeticorum operum lib. XXIV, Paris, 1675. Bord. 1689. – Hülsenbeck, Paderborner Gymnasial-Programm 1877. S. 4. 8. – J. Evelt, Die Weihbischöfe von Paderborn, 1869. S. 11. 125. – Mertens, Der hl. Liborius, 1873. S. 46. – Lipp. Regesten I. 36.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Étienne Baluze (* 1630 in Tulle, Limousin; † 1718 in Paris) frz. Historiker