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ADB:Heinrich I. (Herzog von Schlesien-Breslau)

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Artikel „Heinrich I., genannt der Bärtige, Herzog von Schlesien“ von Colmar Grünhagen in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 11 (1880), S. 602–604, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Heinrich_I._(Herzog_von_Schlesien-Breslau)&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 10:18 Uhr UTC)
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Heinrich I., genannt der Bärtige, Herzog von Schlesien, stirbt den 19. März 1238, der erste schlesische Fürst, der thatsächlich ganz unabhängig von Polen regierte, insofern die Testamentsbestimmung Herzog Boleslaws III., welche [603] eine gewisse Superiorität an den Besitz von Krakau knüpfte, vom Anfange des 13. Jahrhunderts an ganz außer Geltung kam. Obwohl der jüngere Sohn Boleslaw des Langen ward er doch schon bei Lebzeiten des Letzteren zum Nachfolger bestimmt, während der ältere Sohn Jaroslaw für den geistlichen Stand bestimmt und zum Bischofe von Breslau gemacht ward. Beim Tode seines Vaters Boleslaw (Decbr. 7 1201) wußte ihm sein Oheim Mesko von Ratibor ein Stück Land, nämlich das Herzogthum Oppeln, zu entreißen, welches seitdem auch der oberschlesischen Linie der Piasten geblieben ist. H. mußte das damals sich gefallen lassen, wir sehen ihn aber bald eine achtunggebietende Stellung unter den polnischen Fürsten einnehmen, deren er z. B. 1208 am Weihnachtstage bei Gelegenheit der Taufe eines seiner Söhne eine Anzahl in Glogau mit sehr glänzendem Gefolge von geistlichen und weltlichen Würdenträgern vereinigte, und er wird die Seele der 1222 und 1223 auf Antrieb des Papstes von den polnischen Fürsten gegen die heidnischen Preußen unternommenen Kreuzzüge, durch welche in der Kulmer Burg dem Bekehrungswerke ein fester Stützpunkt gewonnen ward. In der Urkunde, welche dieses Gebiet dem Bischof Christian verlieh, wird für Herzog H. eine dauernde Mitwirkung an der Behauptung des Landes vorausgesetzt und wenn wir in Erwägung ziehen, daß er der erste unter den piastischen Herzögen ist, der und zwar zu eben jener Zeit 1222 dem deutschen Orden eine Schenkung macht, so liegt die Vermuthung sehr nahe, daß die von so welthistorischer Bedeutung gewordene Berufung des Ordens nach dem Preußenlande auf Herzog Heinrichs Antrieb erfolgt sei. In dem Zusammenhange der vielfachen Fehden, welche H. mit den großpolnischen Herzögen durchzufechten hatte, gehört auch der heimtückische Ueberfall, welchen im Novbr. 1227 Wladislaw Odonicz und Swantopolk von Pommern ihm unweit Gonsawa, wo er eine Zusammenkunft mit jenen Fürsten gehabt hatte, bereiteten. Den Herzog H. rettete nur die Aufopferung seines treuen Ritters Peregrin von Wiesenburg vor meuchlerischer Ermordung, wie sie seinen Verbündeten Herzog Lesko von Krakau traf. Schwer verwundet entkam er. Die Wittwe Leskos, Grymislawa, suchte nun bei ihm Hülfe für ihren Sohn, den er auch mit Tapferkeit und Energie vertheidigte, freilich nicht ohne selbst einen Theil des kleinpolnischen Landes für sich zu behalten, wie er denn von 1229 an sich in seinen Urkunden als Herzog von Schlesien, Krakau und Polen bezeichnet. Allerdings wußte sich in demselben Jahre Konrad von Masovien durch einen verrätherischen Ueberfall seiner Person zu bemächtigen, und in dem von seiner Gemahlin Hedwig vermittelten Vertrage mußte er seine Freiheit mit dem Verzichte auf Krakau erkaufen, doch erklärte der Papst den erzwungenen Eid für ungültig und H. behauptete sich bis an seinen Tod im Besitze Krakaus. Auch nach anderer Seite hin war er siegreich, Burg und Land Lebus entriß er (1230) wiederum dem Magdeburger Erzbischofe, erwarb auch einen ansehnlichen Theil von Großpolen bis zur Warthe, und herrschte von 1229/30 an auch über Oberschlesien bei der Minderjährigkeit der Söhne Kasimirs, so daß er bis zu seinem Tode 1238 seinem Sohne gleiches Namens ein großes Landgebiet hinterließ, das von Frankfurt a. O. im Norden bis über Sendomir und von der Warthe bis an die Grenzen Böhmens und Mährens sich erstreckte. Die schon von Heinrichs Vater begonnene Germanisation Schlesiens ward erst unter seiner Regierung in größerem Umfange durchgeführt, gefördert auch durch seine Vermählung mit der deutschen Prinzessin Hedwig, der Tochter des auch in Franken reich begüterten Herzogs Bertold von Meran (in Dalmatien). Eine große Anzahl von Dörfern in Nieder- und Oberschlesien wurden jetzt zu deutschem Rechte ausgesetzt und an deutsche Colonisten ausgethan, auch zahlreiche Städte als deutsche Gemeinwesen gegründet. Mit dem Herzoge wetteiferten nach dieser Seite hin ebenso die jetzt vielfach eingewanderten deutschen Edelleute wie der [604] Bischof und die im Lande begüterten geistlichen Stifter und Ritterorden. Diesen wandte der Herzog zum Theile unter dem Einflusse seiner frommen Gemahlin große Gunst zu, vor Allem dem Orden der Cisterzienser, die ja aller Orten um die Urbarmachung des Landes sich große Verdienste erworben haben. Eine Schöpfung Heinrichs ward das reich dotirte Nonnenkloster Trebnitz, der Lieblingsaufenthalt der Herzogin Hedwig, in dessen Kirche auch H. seine letzte Ruhestätte fand (gegründet vor 1203), auch das nach ihm genannte Cisterzienserkloster Heinrichau (1227). Ebenso verdanken die Augustinerpropstei zu Naumburg am Bober, das Heiligegeisthospital zu Breslau und das große Aussätzigenspital zu Neumarkt wesentlich dem Herzoge ihren Ursprung. Allerdings rief die Begünstigung der Deutschen auch manche Opposition unter dem slavischen Adel hervor; einer der Söhne Heinrichs, Konrad, trat an die Spitze der Unzufriedenen, fand aber gegen seinen Bruder Heinrich, der die deutsche Ritterschaft gegen ihn in den Kampf führte, nach einer Niederlage bei Rothkirch unweit Liegnitz den Tod. Auf der anderen Seite verwickelten die Ansprüche des Breslauer Bischofs Lorenz auf die Zehnten der neuen deutschen Gründungen den Herzog in Streitigkeiten mit der Geistlichkeit, welche zur Folge hatten, daß er thatsächlich im Banne der Kirche gestorben ist. Dadurch, daß H. in einer Zeit, wo die Wehrkraft des Reiches bei der überhandnehmenden Zerbröckelung im Innern und dem fortdauernden Kampfe mit den geistlichen Gewalten, geringer anzuschlagen war, hier in Schlesien ein deutsches Grenzland von imponirender Machtstellung schuf und nicht minder durch seinen Antheil an der Gründung jenes zweiten Bollwerks im Osten, des Ordenslandes Preußen, hat er sich obwohl nicht Reichsfürst doch um die Sicherung der Reichsgrenzen gegen die Slaven ein Verdienst erworben, das bisher schwerlich in seinem ganzem Umfange gewürdigt worden ist.

Zusammenstellung des Quellenmaterials in Grünhagens Regesten zur schlesischen Geschichte, 2. Aufl. Cod. dipl. Siles. VII. Luchs, schles. Fürstenbilder, Bogen 7. Smolka, Herzog Heinrich des Bärtigen auswärtige Beziehungen; schles. Zeitschrift. Bd. XII. S. 98 ff.