Zum Inhalt springen

ADB:Henkel, Heinrich (Musiker)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Henkel, Heinrich“ von Caroline Valentin in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 50 (1905), S. 188–190, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Henkel,_Heinrich_(Musiker)&oldid=- (Version vom 19. November 2024, 11:30 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Henke, Wilhelm
Nächster>>>
Henle, Jakob
Band 50 (1905), S. 188–190 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Heinrich Henkel (Musiker) in der Wikipedia
Heinrich Henkel in Wikidata
GND-Nummer 116709642
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|50|188|190|Henkel, Heinrich|Caroline Valentin|ADB:Henkel, Heinrich (Musiker)}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=116709642}}    

Henkel: Heinrich H., Musiker, wurde am 16. Februar 1822 zu Fulda geboren und starb am 10. April 1899 zu Frankfurt a. M. Sein Vater war Stadtcantor und Organist zu Fulda, eine Stellung, die bereits Vater und Großvater mütterlicherseits, Sebastian und Balthasar Zahn, innegehabt hatten. Letzterer war 1750 vom Fürstabte v. Buseck aus Schmalkalden berufen worden. Der Vater Michael H. hat sich als Componist für die Orgel einen guten Ruf erworben; er war ein Schüler Vierling’s, dieser ein Schüler Bach’s. So wurden die Traditionen gründlichster, gediegenster musikalischer Schulung auch auf den Sohn vererbt. Noch ehe Heinrich H. in das Gymnasium seiner Vaterstadt eintrat, begann er Clavier und Orgel zu spielen und versah mit dem zehnten Jahr schon das tägliche Orgelspiel in der Stadtpfarrkirche. Im J. 1839 wurde er nach Absolvirung des Gymnasiums von seinem Vater zu dem berühmten Claviermeister Aloys Schmitt nach Frankfurt gebracht, zugleich begannen seine Studien in der Harmonie und dem Contrapunkt bei dem als Theoretiker und Componisten hochgeschätzten Hofrath Anton André in Offenbach. Die Studien bei beiden Männern nahmen einen äußerst günstigen Verlauf; Hofrath André nahm nach Jahresfrist den jungen H. ganz ins Haus. Er war gerade mit der Vollendung seines großen theoretischen Lehrbuchs beschäftigt und dictirte, durch geschwächtes Augenlicht am Schreiben verhindert, H. den letzten Band „Die Kunst der Fuge“ in die Feder. Eine reiche Fülle musikalischer Kenntnisse entsproß ihm aus diesem Verkehr mit dem hochgebildeten Manne, der seine durch den Vater schon gepflegte Neigung für die classische Musik und seinen Geschmack noch mehr befestigte. Die im André’schen Besitz befindlichen Mozartmanuscripte studirte er zu seiner Zeit genau und half ihren Katalog anfertigen; Mozart blieb bis an sein Lebensende der von ihm am höchsten verehrte Meister. Nach dem Tode André’s 1842 besorgte er die Revision der Fugenlehre und schrieb ein Vorwort dazu. In die Heimath zurückgekehrt, fand H. eine Fülle von Arbeit; er übernahm den Musikunterricht seines erkrankten Bruders am Schullehrerseminar, gründete einen gemischten Gesangverein und veranstaltete unter Zuziehung tüchtiger Dilettanten und der Militärcapelle Abonnementconcerte. Auch die musikalische Leitung der unter Erk und Hennig stehenden Meiningenschen Operntruppe wurde ihm übertragen. Die Jahre 1846 und 1847 verbrachte er in Leipzig bei dem bedeutenden Clavierpädagogen Jul. Knorr, dem Schüler Wieck’s und Freund Schumann’s, anregenden Unterricht genießend und die Richtung für seine eigene Thätigkeit als Lehrer dort empfangend. Er besuchte auch die Collegien des Professors Merkel über Kehlkopfkunde und Gesangsorgane und die Moritz Haupt’s über mittelhochdeutsche Sprache und Litteratur. Reiche Anregung floß ihm aus dem Verkehr mit Dr. Brendel, Hauptmann, Riccius und Lobe und dem collegialischen Zusammenleben mit jüngeren Kunstgrößen, wie Ludwig Meinardus, Emil Büchner, Theodor Coccius, die wie er der Schumann’schen Muse huldigten und sich zusammen in dessen Kammermusikwerke vertieften. H. wurde durch seinen Landsmann Heinrich König auch in litterarische Kreise eingeführt; in den festen Abenden bei Gustav Kühne traf er auch mit musikalischen Notabilitäten, wie Mendelssohn, Moscheles und Gade zusammen. 1848 und 1849 wirkte er in Fulda; doch konnten seinem weiterstrebenden Sinn die dortigen kleinen Verhältnisse auf die Dauer nicht behagen, und so ergriff er gern die sich ihm im October 1849 bietende [189] Gelegenheit, in einen anderen Wirkungskreis einzutreten. H. wurde von dem Musikalienhändler André in Frankfurt zur Mitwirkung in einem Concert herangezogen, welches dieser zur Feier der Aufstellung eines von ihm aufgefundenen Mozartporträts gab. Henkel’s Clavierspiel und einige eigene, von dem Sänger Stigelli vorgetragene Lieder gefielen so, daß die Sängerin Graumann, später berühmte Gesangslehrerin Frau Marchesi, Henkel’s Mitwirkung in ihrem Concert erbat. Hier trug er Schumann’s Clavierquintett zum ersten Mal in Frankfurt mit Beifall vor, die neue Richtung vorzüglich vertretend; dies trug ihm von allen Seiten Anträge ein. So entschloß er sich zur Uebersiedlung und wirkte fortan in Frankfurt nach den verschiedensten Richtungen hin. Sich zunächst dem Unterrichte mit aller Kraft zuwendend, gewann er bald eine große Anzahl von Schülern für Clavier, Gesang und Musiktheorie, und der Gedanke wurde schon bald in ihm rege, eine allgemeine Musiklehranstalt zu gründen. Verwirklichen sollte er sich erst 1860, wo auf Henkel’S eifriges Bedeuten die „Frankfurter Musikschule“ entstand, in deren Vorstand er mit anderen Frankfurter Künstlern trat. Während der letzten vierzehn Jahre seines Lebens leitete er sie allein. Der von ihm gegründete Kirchengesangverein stellte unter seiner zehnjährigen Leitung die Musik in den katholischen Kirchen Frankfurts auf eine künstlerische Stufe; er führte dort Messen und andere Kirchenwerke von Mozart, Haydn, Hummel, André und Cherubini auf. Im philharmonischen Verein, dessen Direction er nach des Musikdirectors Messer’s Tode übernommen hatte, wie in den von ihm gegründeten Kammermusikconcerten stellte er sich stets die Aufgabe, neben den Werken der Classiker auch denen neuer, unbekannter Künstler Geltung zu verschaffen. Zur Zeit des bundestäglichen Frankfurt verkehrte H. mit seiner liebenswürdigen Gattin viel in jenen ersten Kreisen, an deren musikalischen Darbietungen auch Bismarck und seine Gattin gern theilnahmen. Hier fand auch die erste Aufführung von „Paradies und Peri“ in Frankfurt statt, die H. mit einigen guten Solisten und kleinem Chor zu Stande brachte. So sehr auch die Direction eines großen Gesangvereins ihn angezogen hätte, er mußte die ihm gewordenen Rufe nach Darmstadt, Aachen, München und Sondershausen ablehnen, da seine Gesundheit früh durch Lungenentzündungen geschwächt war und er sich deshalb den Erregungen einer größeren Stellung nicht aussetzen durfte.

Als Schriftsteller wie als Componist hat H. eine vielfache Thätigkeit entfaltet. Didaktische Clavierwerke, Instrumental- und Vocalcompositionen sind von ihm veröffentlicht; er schrieb eine Biographie Aloys Schmitt’s, eine Schilderung der Familie André, einen Führer für die Wahl der Litteratur beim Clavierspiel. Ehrende Auszeichnungen wurden ihm durch Verleihung des Musikdirectortitels im J. 1883 und durch den 1890 seitens der philosophischen Facultät der Universität Marburg verliehenen Titel eines „Doctor musices et liberalium artium honoris causa“ zu theil. Seine Umarbeitung des ausgedehnten André’schen Theoriebuchs zu einem kurzen praktischen Lehrbuch trug ihm vom Großherzog von Hessen die große goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft ein. Gleiche Auszeichnung verlieh ihm der Herzog von Coburg-Gotha für eine ihm gewidmete Ouvertüre; Kaiser Wilhelm I. dankte H. mit eigenhändigem Cabinetschreiben für das ihm 1870 gewidmete Te Deum. Besonders in der letzten Zeit seines Lebens, als er sich, mit Ausnahme der Lesethätigkeit, von jeder öffentlichen Betheiligung am musikalischen Leben Frankfurts zurückgezogen hatte, beschäftigten ihn wissenschaftliche Werke. Eine populäre „Geschichte der Musik“, eine „Methodik des Clavierunterrichts“, eine „Geschichte der Tonschrift“ hat H. im Manuscript hinterlassen. Seine werthvolle musikalische Bibliothek, zum Theil von den Vätern ererbt, doch durch ihn [190] namhaft vermehrt, ging im Juni 1900 in den Besitz der „Freiherrlich Karl v. Rothschild’schen öffentlichen Bibliothek“ über, wo sie als „Dr. Heinrich Henkel’sche Bibliothek“ aufbewahrt bleiben wird. Zwei seiner Töchter, unter des Vaters Leitung musikpädagogisch geschult, führen die Frankfurter Musikschule fort.