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ADB:Schmitt, Alois

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Artikel „Schmitt, Aloys“ von Weber. in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 32 (1891), S. 42–45, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schmitt,_Alois&oldid=- (Version vom 14. November 2024, 04:38 Uhr UTC)
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Schmitt: Dr. Aloys S., hervorragender Pianist und namentlich durch seine Studienwerke auch für spätere Zeiten bedeutender Componist, ist geboren am 26. August 1788 zu Erlenbach am Main als Sohn des dortigen Lehrers und Organisten. Letzterer, der Vater, hatte in dem Benedictinerkloster Brombach eine sorgfältige allgemeine wie namentlich auch musikalische Bildung genossen und ließ die Früchte dieser Erziehung seinem Sohne in reichlichstem Maaße zu Gute kommen, wobei in der strengen, oft fast rigorosen Auffassung des Vaters die Keime zu der späteren zähen Kraft, Festigkeit und Ausdauer des Sohnes gelegt wurden. Die Mutter wird als eine wackere Frau voll tief religiösen Sinnes gerühmt. 1791 zogen die Eltern nach Obernburg, wohin der Vater als Rector versetzt wurde. Die Praxis des Unterrichts erstreckte sich auf Clavier, Orgel, Violine und Theorie. Mit dem frühreifen Knaben wurde bald eine Kunstreise an benachbarte fürstliche Höfe und Klöster gemacht, die neben praktischen Rücksichten auch als Feuerprobe für das Talent des Knaben gelten sollte. Hierbei erregte derselbe das Interesse J. G. André’s in Offenbach, der sich des Knaben anzunehmen versprach und denselben 1800 in sein Haus aufnahm. Hier blieb Aloys nun 5 Jahre in dem Genuß einer sorgfältigen Erziehung, als deren Genossen sich nachmals C. Arnold und W. Speyer einen Namen zu machen wußten. Neben dem Lehrer und väterlichen Freunde gewannen der als gewichtiger Theoretiker bekannte Vollweiler und der als vorzüglicher Clavierspieler beliebte Ph. C. Hoffmann einen fördernden Einfluß auf den Jüngling. Namentlich wußte der Schüler von des letzteren vielgerühmtem Anschlag viel zu profitiren. Durch rege Antheilnahme an den mannichfachen Kunstgenüssen des nahen Frankfurt wurde die musikalische Erziehung wesentlich gefördert. 1806 von seinem Freund und Lehrer für „flügge erklärt“, ließ sich S. in Frankfurt nieder und errang durch sein erstes öffentliches Auftreten am 23. März 1810 einen großen Erfolg. Die Zwischenzeit hatte er mit Studien und Compositionen redlich ausgenutzt, namentlich stammen aus dieser Zeit zahlreiche seiner besten Etuden. Die Bekanntschaft mit dem zur Aufführung seiner „Sylvana“ in Frankfurt anwesenden C. M. v. Weber war nur eine vorübergehende. Inzwischen leitete er auch in Gemeinschaft [43] mit André einen gemischten Chor in Offenbach, für welchen er zahlreiche Cantaten schrieb, darunter viele, die werth wären, der Vergessenheit entrissen zu werden. Bei der vierhändigen Begleitung dieser Stücke wurde S. auf’s beste durch seinen von ihm zu einem vorzüglichen Clavierspieler herangezogenen jüngeren Bruder Jacob unterstützt. Im Hause des reichen Weinhändlers Ewald, wo die Proben stattfanden, lernte S. u. A. auch Börne und Jean Paul kennen, welch letzterem er ein Orchesterstück „Tongemälde“, op. 43, widmete. Von 1814 an datiren eine Reihe von Kunstreisen an den Niederrhein, nach Holland und Belgien, die den Ruhm des Virtuosen und Componisten sehr verbreiteten und denen sich später solche nach Baiern (1821), Norddeutschland (1822) u. a. anschlossen. Auch in Frankfurt entwickelte er eine von den größten Erfolgen begleitete Concertthätigkeit, während sich auch sein Ruhm als hervorragender Lehrer verbreitete. Er trat in freundschaftliche Beziehungen zu Spohr, Hummel, Romberg, Schunke, Moscheles. 1820 erschienen seine ersten von der Kritik äußerst beifällig aufgenommenen Etuden op. 16. 1821 spielte sein Schüler Ferdinand Hiller zum ersten Mal öffentlich. Derselbe rühmte sich später noch, von S. in das wohltemperirte Clavier von Bach eingeführt worden zu sein. In Berlin lernte S. 1822 Spontini und Zelter kennen; glänzende Anerbietungen zur Niederlassung daselbst lehnte er ab. 1824 wurde er in München aus Anlaß der Composition und Ausführung eines zur Gedächtnißfeier des Regierungsjubiläums König Max I. verfaßten Clavierconcerts op. 60 zum „Kammercomponisten“ ernannt. 1824 erfolgte seine Verehelichung mit Aug. Carol. Wohl in Frankfurt. Im Winter 1824–25 gründete er in München, wohin er sich mit seiner jungen Gattin zu vorübergehendem Aufenthalt begab, einen Singverein aus aristokratischen Kreisen. Der Winter 1825–26 fand ihn in Berlin in voller künstlerischer Thätigkeit. Er wird Lehrer der damaligen Kronprinzessin Elisabeth von Preußen, verkehrt freundschaftlich mit Fürst Radziwill, Hegel, Ritter, Hummel und im Mendelssohn’schen Hause. Leider datirt von diesem Aufenthalt auch der Anfang eines langwierigen Leidens. 1826 wurde er in Hannover zum Hoforganisten und Kammermusikus des Herzogs Adolph von Cambridge ernannt; er gründete daselbst den nach ihm benannten Gesangverein. Auf einer Fußreise in den Harz lernte er Heine kennen (vgl. dessen Harzreise). Die Weiterreise nach dem Norden wurde durch die Nachricht vom Tode seiner Mutter unterbrochen. In Hannover componirte er seine erste Oper „Der Doppelproceß“ (1826 aufgeführt). Am 2. Februar 1827 wurde ihm sein erster Sohn Georg Aloys (jetzt Hofcapellmeister in Schwerin) geboren. 1829 erfolgte die Rückkehr nach Frankfurt. Durch den Tod seines Schwiegervaters kam S. in den Besitz eines ansehnlichen, seine persönlichen Verhältnisse zu vollkommen unabhängigen gestaltenden Vermögens. In der Folge zog er sich von der Virtuosenlaufbahn zurück und lebte ganz dem Unterricht und der Composition. Selten trat er mehr öffentlich auf. Von weit her kamen Schüler gereist, seinen vorzüglichen Unterricht zu genießen. Clementi galt ihm dabei als Muster und Vorbild für den Virtuosen sowohl als auch für den bildenden Techniker. Neben seinen eigenen bewährten Compositionen verwendete er beim Unterricht Stücke von Jacob Schmitt, Field, Berg, Hummel, Haydn, Mozart, Scarlatti, seltener Bach, für den er die wenigsten Schüler für reif hielt, und ebenso Beethoven, der seiner Richtung ferner lag, wenn er auch dessen C-moll-Concert als besonderes Lieblingsstück oft und gern spielte. Ueberall wies er seine Schüler aber auch auf die Vortheile einer allgemeinen wissenschaftlichen Bildung hin. 1829 trat er in freundliche Beziehungen zu Paganini. 1830 machte er eine Reise nach Wien, wo er glänzende Aufnahme fand und mit Streicher und dessen Instrumenten bekannt und befreundet wurde. Der Plan, sich in Wien niederzulassen, scheiterte an persönlichen Verhältnissen. 1831 erschien [44] seine komische Operette „Die Patrioten“ und wurde gut aufgenommen, desgleichen seine Etuden op. 67 etc. 1832 wurde seine Oper „Valeria“ in Frankfurt und Mannheim mit großem Erfolg aufgeführt. In das Jahr 1833 fällt eine Begegnung mit Kalkbrenner, eine Reise nach Holland und seine Ernennung zum Ehrenmitglied des Vereins zur Förderung der Tonkunst daselbst. Bei einem Aufenthalt in London 1835 trat er nur in Privatkreisen auf. 1834 erfolgte in Frankfurt die Gründung des „Instrumentalvereins“ (später „philharmonischer V.“), dessen Dirigent S. bis 1844 blieb und in dessen Concerten er hier und da spielte. 1839 wurde im Dom zu Frankfurt erstmals eine große Messe mit Orchester von ihm aufgeführt. 1841 lernte er Liszt kennen, der seine Etudenwerke wohl kannte und studirt hatte. 1842 lernte er in Paris Chopin kennen und achten. Das Jahr 1842 brachte ihm den Verlust seines väterlichen Freundes André. Mehrmals leitete S. die pfälzischen Musikfeste und zwar 1839 in Zweibrücken, wo er sein „Tongemälde“, 1841 in Dürkheim, wo er seine „Huldigung der Tonkunst“ und 1842 in Neustadt, wo er seine „Macht der Töne“ zur Aufführung brachte. 1843 concertirten in Frankfurt u. A. Liszt, Rubini, Döhler, Thalberg, Ernst, Hiller, mit denen S. in persönliche Berührung kam. Ein Oratorium „Moses“ von S. kam 1841 in Mainz, 1843 in Nürnberg, 1844 in Frankfurt mit großem Erfolg zur Aufführung. 1843 wurde außerdem seine Oper „Das Osterfest zu Paderborn“ sehr beifällig aufgenommen. Von 1844 an trat er mit Spohr in näheren freundschaftlichen Verkehr, in dessen Verfolg sich ein interessanter Briefwechsel entspann. Der Winter 1844/45 brachte ihn in persönliche Berührung mit Mendelssohn, Moscheles, Döhler, Rosenhain, Evers, v. Mayer, Piatti, Vivier. 1845 erschien die Oper „Die Tochter der Wüste“, ohne jedoch einen nachhaltigen Erfolg erreichen zu können. Ein öffentliches Auftreten in München, wo er Lachner kennen lernte, hatte die Verleihung des bair. Michaelsordens im Gefolge. Die Saison 1848/49 brachte ihm in Holland, das er mit Vorliebe besuchte, neue Erfolge Ein 1848 componirtes Pastoraloratorium „Ruth“ kam 1850 in Offenbach zur Aufführung. 1850 kam S. nach Gießen, concertirte daselbst, trat in freundschaftliche Beziehungen zu J. v. Liebig und wurde von der Universität zum Dr. phil. hon. c. creirt. Außerdem erhielt er noch im Verlauf der nächsten Jahre vom Kaiser von Oesterreich die große goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft und vom Herzog von Nassau den Adolphsorden. 1851 erlebte er in Celle die Freude, seinen Sohn Aloys seinen „Moses“ dirigiren zu sehen. Er wurde hier mit Marschner bekannt. 1852 begann er die Veröffentlichung seines größten Unterrichtswerkes, der „Methode des Clavierspiels“. In den Jahren 1848–52 schrieb er auch ein Unterrichtswerk für Violine für seinen Sohn (Mscr.). 1854 erschien die Musik zu „Die Sage vom Kugelberg bei Aschaffenburg“. Die letzten 12 Jahre seines Daseins waren einem still beschaulichen, durch viele Correspondenz belebten, durch edelste Hausmusik (auch mit Clara Schumann) verschönten Leben unter regster Antheilnahme an allen künstlerischen Ereignissen der Stadt gewidmet. Wiederholte Besuche in der Heimath belebten die alten theueren Erinnerungen. 1863 wurde in seinem Beisein an seinem Geburtstage eine Gedenktafel enthüllt. Seine Heimathgemeinde beging Jahre lang seinen Geburtshause durch eine kirchliche Feier. Große Freude bereitete ihm die Reise nach Schwerin 1861, wo sein gefeierter Sohn das Musikfest leitete. 1865 nahm er einen Curaufenthalt in Engelberg (Schweiz), ohne aber den Fortschritten eines alten Leidens nachhaltig Einhalt thun zu können. Am 25. Juli 1866 „endete ein Schlagfluß nach kurzem Leiden ein reiches, thätiges und edles Künstlerleben“. – S. war ein außerordentlich fruchtbarer Componist. Er schrieb nahezu in allen Kunstgattungen, oft mit überraschendem Erfolg, immer aber mit edelster Hingabe und heiligster [45] Begeisterung. Für die Nachwelt werden vor allem seine Unterrichtswerke von Bedeutung sein. H. Henkel, dessen liebevoller und eingehender Schilderung (Leben und Wirken von Dr. A. S., Frankfurt, Sauerländer 1873) obige Skizze gefolgt ist, sagt über seine Clavieretuden, „sie zeichnen sich ebenso sehr durch ihren Compositionswerth wie durch technischen Gehalt aus. Sie sind in glücklichster Stimmung der Productionskraft erfunden, nicht trockene oder mercantilisch bestellte Waare, sondern durch freie Erfindung, Frische, Naturwüchsigkeit, durch Charakteristik, durch Mannichfaltigkeit von Form und Inhalt, durch reiche Melodik und Harmonik der großen Mehrzahl nach schöne und interessante Tonstücke“ –, im ganzen 408 Nummern in 22 Heften. Darunter besonders wichtig op. 16, Bonn, Simrock, op. 61, Wien, Spina. Außerdem schrieb er für Clavier: Sonaten, Rondos, Variationen etc., 4händige Stücke, Duos für Clavier und Violine, Clavier und Violoncell, Clavier und Flöte, Kammermusikwerke mit und ohne Clavier, Concerte u. A. für Clavier und Orchester, Violine mit Orchester, Flöte mit Orchester; Ouverturen für Orchester; zahlreiche Gesangsstücke, Lieder, Cantaten, Messen. Im Manuscript vorhanden sind 5 Opern, 2 Oratorien, 5 Messen und andere Werke für die Kirche, Cantaten, Lieder, Symphonien, Ouverturen, Clavierconcerte und Concertstücke, Soli für Clavier, Duos, Trios, Quartette, Quintette und Sextette (zum Theil unvollendet). Noch ist zu erwähnen, daß die eigenthümliche Spielart Schmitt’s, auf besonderen Anschlagsnuancen und origineller Technik beruhend, s. Z. unter dem Namen „Schmitt’scher Anschlag“ und „Schmitt’sche Schule“ bekannt und weit verbreitet war.

Weber.