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ADB:Henschel, Werner

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Artikel „Henschel, Johann Werner“ von Hyacinth Holland in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 50 (1905), S. 203–205, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Henschel,_Werner&oldid=- (Version vom 17. November 2024, 05:24 Uhr UTC)
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Henschel: Johann Werner H., Bildhauer, geboren am 14. Februar 1782 in Kassel, † am 15. August 1850 zu Rom, stammte aus einer uralten Stückgießerfamilie; sein Vater Karl H. war der Vorstand des damals herrschaftlichen, vom Landgrafen Karl erbauten Gußhauses. Nach gutem Schulunterricht trat er beim väterlichen Geschäft in die Lehre und wurde streng [204] zünftig 1799 zum Gesellen der Roth-, Stück- und Glockengießer-Profession aufgeschworen, erhielt dann bei dem Porträtmaler und Hof-Dessinateur Joh. Kobold Unterricht im Zeichnen und Malen und durch den Hofbildhauer Heyd im Modelliren und „Steinhauen“, bezog die Akademie, wo er unter Rahl’s Leitung einen Herkules mit der Keule und eine Gruppe (Herkules und Omphale) durchführte. Infolge dieser Leistungen wurde ihm 1805 ein Stipendium nach Paris zuerkannt, damals durch die Vereinigung der unermeßlichen Kunstschätze eine vielbegehrte hohe Schule. Hier war es auch, wo H. mit Savigny, Jakob Grimm und dem Maler Ludwig Hummel in Berührung kam. Trotz seines lebenslustigen, freudetrunkenen Wesens modellirte H. im Atelier von Pierre Jean David (David d’Angers) eine von Engeln umgebene „Madonna“, welche hervorgegangen aus der jungen, durch Wackenroder und Novalis inspirirten romantischen Schule, als „ein ganz altdeutsches Werk, wie von Holbein“ (!) gepriesen wurde. Zurückgerufen von der westfälischen Regierung, um für den Königsplatz in Kassel ein colossales Standbild Napoleon I. anzufertigen, kam H. durch Partei-Intriguen um den Auftrag, da nur, wie es hieß, von einem Franzosen ein solches Werk gemacht werden dürfe. Die wenig gelungene Arbeit wurde nach dem Sturze des Imperators niedergelegt und die Statue dabei zerbrochen, aus einem Theil des Leibes machte man eine – Spieltischplatte für den Kurfürsten, die übrigen Trümmer aber blieben in Kassel zerstreut; nicht allein die „Stones of Venice“ haben nach Ruskin eine eigene Sprache, auch andere Denkmale „aere perennius“ könnten Vieles erzählen! – H. machte in Kassel eine Anzahl kleinerer Arbeiten, bis er 1818 im Auftrag der damaligen Kurprinzeß Auguste und deren Schwester Marie (Königin von Holland) jene schöne Gruppe der Charitas begann, eine lebensgroße, halb kniende Figur mit zwei Kindern, welche seinen Namen vortheilhaft bekannt machte. Nun folgten mehrere Büsten, darunter jene des berühmten Göttinger Physikprofessors und Humoristen G. Chr. Lichtenberg; als guter Sohn skizzirte er auch die Büsten seiner Eltern aus Anlaß ihrer silbernen Hochzeit (1829). In Aaken’s Menagerie modellirte H. viele Löwen und Tiger, die bei späterer Gelegenheit ihm gut zu statten kamen. Für den prachtliebenden Kurfürsten Wilhelm II. von Hessen fertigte H. allerlei Reliefs, auch das Grabmal des jungen Grafen Julius Wilhelm Albert von Reichenbach. Daneben bethätigte er sich artistisch am Maschinengeschäft seines Vaters und trat nach dem Tode desselben (1835) als Theilhaber in die großartigen Unternehmungen seines Bruders Anton, welcher nicht nur die Gießerei übernahm, sondern auch eine Fabrik für Feuerspritzen, Pumpwerke, Wagen, die berühmten Henschel’schen Oefen, Kirchenglocken, Tische und Gartenstühle gründete, ferner Ziegeleien, Kohlenwerke und Torfstiche in sein Bereich zog und zuletzt sogar auf das Gebiet der theoretischen Kunstschriftstellerei überging. In dem von der heitersten Geselligkeit belebten Hause des Bruders gab es Maskenbälle, Feste und Hummel-Concerte, hier verkehrten Bettina v. Arnim, Karoline v. d. Malsburg, die Brüder Grimm, Minister v. Hassenpflug und viele andere Größen und Zeitgenossen, welchen E. Geibel seinen „König Roderich“ zum Vortrag brachte. Mitten im Strudel dieses vielbewegten Treibens entwarf H. die Skizze zu einer Gruppe, welche als „Hermann und Dorothea am Brunnen“ die Aufmerksamkeit König Friedrich Wilhelm IV. erregte, der die lebensgroße Ausführung in Marmor für den Charlottenhof zu Potsdam bestellte. H. verfügte sich 1843 nach Carrara und zur weiteren Vollendung nach Rom, wo er nach seinem leicht beweglichen Temperament auf vielen Ausflügen nach anderen Theilen Italiens, „des Lotos süße Kernfrucht fand, die der Heimath Angedenken und der Rückkehr Sehnsucht austilgt“. Längst vor der Potsdamer [205] Brunnengruppe hatte H. das Bonifacius-Denkmal für Fulda geschaffen, welches, schon 1837 in der Werkstätte der Brüder in Bronze gegossen, doch erst am 17. August 1842 zum elfhundertjährigen Jubiläum in der Stadt Fulda enthüllt wurde, eine etwas schwerfällige, aber energisch vorschreitende Gestalt, die, in der Rechten das Kreuz, in der Linken die Bibel haltend, damals emphatisch gepriesen wurde. H. genoß überhaupt die Freude, daß seine Schöpfungen noch zu Lebzeiten des Meisters bereitwillig Anerkennung fanden, wozu die spätere Nachwelt sich etwas rückhaltender verhalten möchte. Im J. 1818 warde H. Mitglied der Akademie zu Kassel, 1832 Professor der Modellir- und Bildhauerkunst und schließlich Hof-Bildhauer des Kurfürsten Friedrich Wilhelm I. von Hessen. Henschel’s Porträt zeigt uns Ludwig Grimm in der schönen Radirung, welche die am Morgen des 6. April 1828 den Manen Albrecht Dürer’s bereitete Huldigung darstellt, womit am Grabe des großen Meisters das erste deutsche Künstlerfest in Nürnberg inaugurirt wurde.

Vgl. Nagler, 1838. IV, 109 ff. – Die ausführliche Schilderung Henschel’s im Neuen Nekrolog der Deutschen. Weimar 1852. I, 489–536. – Ernst Förster, Gesch. der deutschen Kunst, 1860. IV, 243; V, 66 ff. – G. Wittmer in Lützow’s Zeitschrift Nr. 20 vom 13. April 1882. XVII, 410 ff. – Singer 1896. II, 160 (8 Zeilen!).