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ADB:Heuß, Eduard von

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Artikel „Heuß, Eduard von“ von Hyacinth Holland in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 50 (1905), S. 293–296, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Heu%C3%9F,_Eduard_von&oldid=- (Version vom 27. Dezember 2024, 03:34 Uhr UTC)
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Heuß: Eduard von H., Dr., großherzoglich hessischer Hofrath und Hofmaler, geboren am 5. Juli 1808 zu Oggersheim (Rheinpfalz), † am 24. October 1880 in Bodenheim bei Mainz. Sein Vater war erst Advocat zu Oggersheim, Kreisdirector zu Alzey, dann Obergerichts- und Stadtrath in Mainz. Nachdem Eduard H. schon als Dreizehnjähriger zu [294] Mainz mit Zeichnen und Lithographiren sich beschäftigt hatte, setzte er diese Uebung, sogar mit Wiedergabe anatomischer Präparate, am Gymnasium zu München fort, nach dessen Absolvirung er, gemäß dem Wunsch seiner Mutter, zum Studium der Medicin überging, in der ausgesprochenen Absicht, selbe so bald wie möglich mit der Kunst zu vertauschen. Während H. für den berühmten Physiologen Döllinger viele pathologisch-anatomische Zeichnungen fertigte, betrieb er mit dem für den Zauber der Farbengebung beflissenen August Riedel allerlei Malertechnik, zeichnete zahllose Bildnißskizzen seiner Studiengenossen und Freunde und benutzte die dazwischen liegenden Ferien zu Ausflügen, die sich in der Herbstvacanz zu einer Fußtour mit dem nachmals so gefeierten Louis Agassiz und Anderen durch Italien und Sicilien ausdehnten. Da es nicht an Mahnungen fehlte, sein Fachstudium wieder aufzunehmen, so legte der gehorsame Sohn „Pinsel und Palette unter Schloß und Riegel und bezog das Krankenhaus mit dem festen Vorsatz, nicht eher wieder den Tempel der Musen zu betreten, bis dem Aeskulap der geforderte Tribut gezollt“. Bald war alles Nöthige nachgeholt und die Hochschule 1829 mit der Note der Auszeichnung absolvirt. Während der zum Prosector ernannte junge Doctor am Scheideweg stand, erging an ihn eine Einladung des Ministers v. Montgelas zu einem lebensgroßen Bildniß, das ein gleiches für den Großherzog Ludwig II. in Darmstadt nach sich zog. Von da eilte H., mit besten Empfehlungen ausgestattet, nach Rom, wo er in den blühenden Künstlerkreis der Thorwaldsen, Cornelius, Overbeck, Veit, Jos. Ant. Koch, Reinhart u. s. w. eintrat. „Als Sterne erster Größe funkelten diese hochbegnadeten Lieblinge, von göttlicher Hand an den ewig blauen Himmel Italiens geheftet, in das weichende Dunkel der darniederliegenden Kunst. Der schlummernde Marmor von Carrara erwachte von den pochenden Meiselschlägen des großen Dänen, die kahlen Wände der Villa Massimi schmückten sich mit den unsterblichen Fresken eines Philipp Veit und Jos. Koch, unter deren Pinsel Virgil und Dante ihre Auferstehung feierten. Dort lebte in kleinem Körper der titanische Geist (Cornelius), in welchem die Bibel, Homer, die Nibelungen, Goethe und Shakespeare ihren Meilen langen Schatten (?) werfenden Illustrator fanden. Overbeck, der sanfte, edle, große Meister, nahm hier aus der unerschöpflichen Quelle der Religion Nahrung für seine hohen Werke. Reinhart war der Meister der heroischen Landschaft.“ Dieser emphatische Erguß mag als Heuß’ Programm für seine Kunst, seinen Stil und Charakter gelten. Als echter Epigone und Eklektiker trat er in ihre Fußstapfen, hatte von jedem etwas, entbehrte aber in Zeichnung und Farbe der gründlichen Schulung, blieb also bei aller Anerkennung seines tüchtigen selbsteigenen Vorraths von Talent und Genie doch auf dem halben Wege autochthonen Dilettantismus haften. Die Diagnose der Fachleute lautete über H. wie in Lessing’s Fabel das Urtheil des Adlers und des pfeilschnellen Rennthiers über die Flug- und Lauffähigkeit des Vogel Strauß: ersterer sah den Strauß und sprach: das Laufen des Straußes ist so außerordentlich eben nicht, aber ohne Zweifel fliegt er desto besser; ein ander Mal sah der Adler den Strauß und sprach: fliegen kann der Strauß wol nicht; aber ich glaube, er muß gut laufen können! – Seine glänzende Salonfähigkeit und einer oberflächliche Treffsicherheit gewannen ihm die oberen Regionen, deren bereitwillige Gunst ihn wenig förderte, aber bei den Künstlern blassen Neid erregte, umso mehr, da H. seine gesellige Ueberlegenheit den artistischen Genossen nur zu fühlbar machte, welche dann nur zu sehr sich revanchirten. Eine ähnliche Doppelstellung wurde Hermann Allmers (geboren am 11. Februar 1821 zu Rechtenfleth, † am 9. März 1902 ebendaselbst) als Dichter und Landschafter zu theil. – H. malte den prägnanten Kopf des [295] lustigen J. A. Koch, wobei derselbe wahrscheinlich mithalf, während die anderen Porträts nach Philipp Veit, den beiden Plastikern Hermann Wilhelm Bissen (geboren 1798 zu Schleswig, † am 10. März 1868 zu Kopenhagen) und Thorwaldsen denselben flauen, süßverschwommenen Ausdruck tragen, welcher allen anderen Werken Heuß’, auch seinem Selbstbildnisse eignet. Unter den Damenporträts erscheint auch Mademoiselle Dumont und „omen et nomen“ die durch ihre Schönheit und stattliche Männerreihe berühmte Tochter des Admiral Henry Digby, die taubenäugige Lady Ellenborough, die als Gattin des Karl Freiherrn v. Venningen 1832 für die König-Ludwigs-Schönheiten-Gallerie verewigt, vielen anderen bekannten Diplomaten ihre entzückende milchweise Hand reichte und endlich bei ihrem neunten Gatten, dem syrischen Scheich Abdul von Palmyra 1873 zu Damascus ihre vielbewegte Laufbahn schloß. Sie hat außer Balzac und Edmund About viele Biographen gefunden, wie Freiherr v. Maltzan („Wallfahrt nach Mekka“, 1865. II, 189) und L. Hevesi („Glückliche Reisen“, 1895, S. 334 ff.); die berühmtesten Maler und Kupferstecher, darunter Thom. Lawrence und viele Andere weihten ihr den entzückten Pinsel. So lebte in Bild und Wort, um mit dem biederen Kater Hidigeigei zu sprechen, die entschwundene Schöne „lang’ noch in der Nachwelt Klatsch!“

H. war drei Mal im gelobten Lande Italia; dahin hatte ihn auch die Hochzeitsreise mit seiner Gattin Amalia, der Tochter des Mainzer Stadtrathes J. Krätzer, geführt. Außerdem besuchte H. auf vielen Reisen Holland, Paris und London, theils um alte Meister an Ort und Stelle zu studiren oder eigene Werke zu hinterlassen. In München, wo er eine Ausstellung seiner Arbeiten veranstaltete, malte H. ein Bildniß König Ludwig I. und trat auch mit dem Kronprinzen Maximilian in Fühlung; in Darmstadt verlieh ihm der Großherzog für den „Raub der Europa“ das Ritterkreuz Philipp des Großmüthigen. Ehren und Auszeichnungen begleiteten ihn auf allen Wegen. In Rom entstanden auch mehrere Architekturbilder: Interieurs aus dem Palazzo Colonna; andere Ideen wurden zur Ausführung für spätere Zeiten zurückgelegt. Anfangs wählte er Mainz mit dem benachbarten Edelsitz zu Bodenheim zum bleibenden Aufenthalt, von wo er nach dem Tode seiner Gattin 1853 für längere Jahre nach München übersiedelte. Gewöhnlich begab er sich zur Ausführung seiner Porträts an Ort und Stelle, wodurch ein unruhiges Wanderleben entstand. Seine Thätigkeit blieb unermüdlich, man staunt über die Menge von Arbeiten, welche allein 1844 entstanden; freilich unterlief dabei auch viel Flüchtiges und manche Oberflächlichkeiten. Da waren, meist im wiederholt wechselnden Etat, die Bildnisse des Fürsten Metternich, der Erzherzoge Karl, Stephan und Johann, der Barone Rothschild, des Bürgermeisters Rabecka, B. v. Kübeck’s, Graf Kolowrat’s, des Fürsten von Leiningen-Amorbach, des Grafen Schönborn-Wiesentheid. In London malte er mehrere Bildnisse für die Königin Victoria, copirte, nach Reynolds und Lawrence, auch viele Köpfe aus den Raphael’schen Tapeten zu Hampton-Court; in Paris hatte H. die Bildnisse Guizot’s, Soult’s und der Madame Adelaide vollendet, als ihn über dem Porträt Louis Philipp’s die Revolution vertrieb. Dann entstanden religiöse Stoffe: Christus als Tröster der Kranken, und mancherlei Altarbilder, die der Maler an arme Kirchen verschenkte, die Bildnisse vieler Kirchenfürsten und Bischöfe (Vicari, Frhr. v. Ketteler), eine Kreuzigung, Heimsuchung, ein Cyklus mit 5 religiösen Genrestoffen, welchen der Maler in die Neue Pinakothek stiftete und hiefür als Recompense, auch auf Grund seines Güterbesitzes, die erbliche Nobilisirung erhielt. Sein nie rastender Geist ersann eine ganze Reihe von Compositionen über die Schöpfung, die Kindheit Jesu, den Weg des Kreuzes, die Geheimnisse des Rosenkranzes, das [296] Ammergauer Passionsspiel. Auch im Gebiet der Landschaft bewegte sich H. mit freierfundener, meist an italische oder französische Motive sich anlehnender Inscenirung. Dann wendete er sich wieder zur Ilias, zu Goethe’s Faust, dessen Gedichten und anderen deutschen Lyrikern. Viele seiner Entwürfe ließ er durch jüngere Kräfte, wie durch den Tiroler Jos. Ant. Mahlknecht (geboren 1827 zu Rifeils in Gröden, † am 6. April 1869 zu München) vergrößern und in Farbe setzen. — Einer seiner Söhne Ferdinand v. H. promovirte als Arzt, wendete sich aber gleichfalls zur Malerei und betrieb auch die Bildhauerkunst (Colossalbüste seines Vaters).

Der reiche Nachlaß von Ed. v. H., in welchem sich auch vier Original-Aquarelle von Jos. Anton Koch zur Divina Commedia befanden, wurde 1883 zu Mainz, 1901 und 1903 durch Hugo Helbing in München ausgestellt und zur Auction gebracht. Die betreffenden Kataloge waren mit einer Biographie und vielen Reproductionen nach den Arbeiten des Künstlers ausgestattet.

Vgl. Raczynski, 1840. I, 305; II, 441–442. – Beil. 32 u. 33 zur Augsburger Postzeitung vom 21. u. 25. Juli 1883. – Fr. v. Bütticher, 1895. I, 524. – Singer, 1896. II, 174 (9 Zeilen!).