Zum Inhalt springen

ADB:Hirsch, Siegfried

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Hirsch, Siegfried“ von Georg Waitz in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 12 (1880), S. 468–470, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hirsch,_Siegfried&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 07:15 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Hirsch, Meier
Band 12 (1880), S. 468–470 (Quelle).
Siegfried Hirsch bei Wikisource
Siegfried Hirsch in der Wikipedia
Siegfried Hirsch in Wikidata
GND-Nummer 116905921
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|12|468|470|Hirsch, Siegfried|Georg Waitz|ADB:Hirsch, Siegfried}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=116905921}}    

Hirsch: Siegfried H., Professor der Geschichte an der Universität Berlin, daselbst von jüdischen Eltern am 5. November 1816 geboren. Er besuchte das Gymnasium zum Grauen Kloster und begann, früh entwickelt wie er war, schon im Herbst 1833 das Studium der Geschichte an der Universität. Anfangs von Hinneigung zur Hegel’schen Philosophie, die in Gans, Henning u. A. ihre Vertreter hatte, berührt, wandte er sich bald unter dem Einfluß Ranke’s und seiner Schüler, mit denen gemeinsam er an den für viele so einflußreichen historischen Uebungen theilnahm, der Richtung zu, die als die der historischen Schule bezeichnet werden pflegt. Bestimmt durch Neander’s dogmatische Vorlesungen und den persönlichen Umgang mit ihm trat er zum Christenthum über und wandte sich bald der strenggläubigen Richtung in der Kirche zu. Er betheiligte sich an der Preisaufgabe der Berliner Universität über die Geschichte König Heinrich I. und erhielt das Accessit. Nachdem er dann ein Jahr lang seine Studien in Königsberg fortgesetzt, wohin ihn verwandtschaftliche Verbindungen zogen, schloß er, nach Berlin zurückgekehrt, sich dem Kreise derer an, die unter Ranke’s Leitung die Ausarbeitung der Jahrbücher des sächsischen Hauses unternommen [469] hatten. Mit dem Unterzeichneten gemeinsam ward die Untersuchung über die Unechtheit des von Wedekind herausgegebenen Chronicon Corbejense, für die H. sich bereits in seiner Arbeit über Heinrich I. erklärt, zu Ende geführt und ihr von der Göttinger Gesellschaft der Wissenschaften, die auf Wedekind’s Veranlassung die Frage nach der Echtheit zum Gegenstand eines Preisausschreibens gemacht, der Preis zuerkannt (gedruckt als III. 1 der Jahrbücher 1839). Daneben beschäftigten ihn die Arbeiten für seine Doctordissertation, die zu einem starken Buche: „De vita et scriptis Sigiberti Gemblacensis“ (1841, 509 S.) anschwoll, in dem eine Reihe der gründlichsten und scharfsinnigsten Untersuchungen über Quellenschriften des Mittelalters gegeben sind. Mit dem ersten Theil derselben promovirte H. am 16. September 1839. Ein Nekrolog Fr. Wilken’s in der Allg. Zeitung 1841 sprach den Dank aus, zu dem er sich auch ihm für mannigfache Förderung seiner Arbeiten in den historischen und paläographischen Uebungen, die derselbe hielt, und durch liberale Erleichterungen bei der Benutzung der königlichen Bibliothek verpflichtet fühlte. Im J. 1843 habilitirte sich H. an der Universität Berlin und ward schon 1844 zum außerordentlichen Professor ernannt. Daneben übernahm er die historischen Vorlesungen an der Kriegsschule, hielt auch später dem Prinzen Albrecht (Sohn) und der Prinzessin Alexandrine geschichtliche Vorträge. Ausgebreitete Kenntnisse, die er stets gegenwärtig hatte, und lebhafter Vortrag machten ihn zu einem geschätzten Lehrer. Eifrig betheiligte er sich an der Litterarischen Zeitung, die besonders die Bestrebungen des Ministeriums Eichhorn vertrat, von welchem er auch zur Ausarbeitung größerer Denkschriften, wie über die kirchlichen Verhältnisse Schlesiens, veranlaßt ward. Diese mannigfache Thätigkeit ließ die Jahrbücher Heinrichs II., welche er übernommen hatte, nur langsam vorschreiten. Später kam das Jahr 1848, dessen Bewegungen H. wenig sympathisch waren: er trat mit voller Ueberzeugung dem Kreis derer bei, die ihnen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung entgegenwirkten und arbeitete fleißig an dieser mit; auch einige größere biographische Artikel, wie über den General Höpfner und den Minister Eichhorn, sind hier erschienen. Selbständig veröffentlicht wurden zwei Vorträge, gehalten auf Veranlassung des evangelischen Vereins: „Erinnerungen an den großen Churfürsten und an seine Gemahlin Louise von Oranien“, 1852; „Das Handwerk und die Zünfte in der christlichen Gesellschaft vornehmlich in Deutschland“ 1854 (mit gelehrten Anmerkungen). Als nach Begründung der historischen Commission bei der Akademie zu München die Jahrbücher der Deutschen Geschichte in weiterem Umfang in Angriff genommen wurden, kehrte H. mit Eifer zu den eine Zeit lang liegen gelassenen Studien zurück. Doch war es ihm weder vergönnt das Werk, dem er soviel Arbeit gewidmet, zu vollenden, noch an die von ihm übernommene Darstellung der neueren Preußischen Geschichte (als Fortsetzung von Stenzel’s Buch) Hand zu legen. Schwere Schicksalsschläge hatten ihn im Kreis seiner Familie betroffen: der Verlust der Gattin, mit der er in der glücklichsten, aber kinderlosen Ehe lebte, eben da er ihrer Entbindung entgegensah, der Tod der Mutter durch Mörderhand und eines Bruders im kräftigsten Alter. In gesteigerter Thätigkeit suchte er den Schmerz zu verwinden. Aber auf einer Reise in Paris von einer heftigen Krankheit (Halsbräune) befallen, ward er am 11. September 1860 hier durch den Tod der Wissenschaft entrissen. Sein litterarischer Nachlaß kam in die Hände Ranke’s, und es gelang mit Hülfe jüngerer Gelehrten, der nun auch schon verstorbenen Usinger und Pabst und des Professor Breßlau, das Werk seines Lebens, die Jahrbücher des Deutschen Reichs unter Heinrich II. in einer seiner würdigen Weise zu veröffentlichen und zu ergänzen (3 Bde. 1862–75). H. hat durch umfassende Gelehrsamkeit, kritisches Studium und das Streben nach geistiger Durchdringung des Stoffs und [470] warmer Darstellung sich hier ein Denkmal gesetzt, das ihm ein dauerndes Andenken unter den Forschern deutscher Geschichte sichert. Seinen Freunden bleibt die Erinnerung eines überzeugungsvollen, nach den höchsten Zielen strebenden, den Lehrern und Genossen auf der wissenschaftlichen Laufbahn auch bei abweichenden Gesinnungen in treuer Anhänglichkeit verbundenen Mannes.

Lateinische Vita in der Dissertation. N. Preuß. Zeitung vom Sept. 1860.