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ADB:Hirzel, Ludwig (Literaturhistoriker)

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Artikel „Hirzel, Ludwig“ von Wolfgang Golther in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 50 (1905), S. 376–377, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hirzel,_Ludwig_(Literaturhistoriker)&oldid=- (Version vom 21. Dezember 2024, 14:39 Uhr UTC)
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Hirzel: Ludwig H., Litterarhistoriker, entstammte einer Zürcher Gelehrtenfamilie. Sein Großvater, der Zürcher Chorherr Heinrich H. (1766 bis 1833) gab die Briefe Goethe’s an Lavater heraus. Sein Vater, Ludwig H., war Professor der Theologie am Zürcher Karolinum. Drei seiner Brüder, darunter Salomon, der Goethekenner und Verlagsbuchhändler, lebten in Leipzig. Ludwig H. wurde geboren am 23. Februar 1838 in Zürich. Nach des Gatten Tod 1841 zog seine Mutter nach Leipzig. Dort wurde der Knabe erzogen und erfuhr namentlich die Einwirkung seines Oheims Salomon. Nach Beendigung der Schulzeit studirte Ludwig in Zürich classische Philologie und Sprachwissenschaft. Mit Vischer, Köchly, G. Keller, Herwegh und Richard Wagner verkehrte er persönlich. Sein Lehrer war Schweizer-Sidler. Dann ging er nach Jena zu Schleicher, Göttling und Kuno Fischer; hierauf nach Berlin zu A. Kuhn. Er promovirte in Zürich mit der 1862 gedruckten Dissertation: „Zur Beurtheilung des äolischen Dialektes“. 1863 erschien noch eine sprachwissenschaftliche Arbeit in Kuhn’s Zeitschrift: „Zum Futurum im Indogermanischen“. Im October 1862 kam H. als Gymnasiallehrer nach Frauenfeld (Thurgau), 1866 nach Aarau an die Kantonsschule. Jetzt wandte er sich zu litterargeschichtlichen Arbeiten. 1866 erschien sein Aufsatz über den Schweizer Humanisten Dasypodius, 1871 der Vortrag über Goethe’s italienische Reise und das Programm: über Schiller’s Beziehungen zum Alterthume. 1874 erhielt H. einen Ruf an die Hochschule in Bern, wo er bis zu seinem Tode am 1. Juni 1897 wirkte.

[377] H. entfaltete als Lehrer und Gelehrter eine reiche Thätigkeit und that mit Aufbietung aller Kraft seine Pflicht, auch wenn Trauer und Krankheit über ihn kamen. 1876 schrieb er ein Buch über den Luzerner Karl Ruckstuhl, einen Bundesgenossen Goethe’s gegen romantische Deutschthümelei und Frömmelei. 1882 kam sein Hauptwerk heraus: die Ausgabe von Haller’s Gedichten mit einer biographischen Einleitung. 1883 folgten Haller’s Tagebücher, die von Hirzel neu erschlossenen Quellen; 1884 gab er Salomon Hirzel’s Verzeichniß einer Goethebibliothek mit musterhafter Ergänzung neu heraus. 1888 behandelte er im Zürcher Neujahrsblatt Goethe’s Beziehungen zu Zürich, wo Barbara Schultheß mit großer Liebe geschildert wird. Das Buch „Wieland und Martin und Regula Künzli“ 1891, ist für die ganze Zeitgeschichte wichtig, indem Wieland’s Schweizer Beziehungen trefflich beleuchtet werden. Wieland’s „Geschichte der Gelehrtheit“, die H. 1891 herausgab, zeigt des Dichters ernsthafte pädagogische Bemühungen. 1894 gab er eine sorgsame Schilderung von Zschokke, dem damals in Aarau ein Denkmal errichtet wurde. H. war ein Mann von ernstem, strengem Charakter, von lauterer Gesinnung, selbständig und unabhängig. Treu den Ueberlieferungen seines Hauses suchte er mit Vorliebe seine Aufgabe darin, die Beziehungen der großen deutschen Dichter zur Schweiz, überhaupt die geistigen Wechselwirkungen zwischen Deutschland und der Schweiz darzustellen.

Vgl. Daniel Jacoby, Goethejahrbuch 19, 320 ff. – Deutscher Nekrolog 2, 401 ff. – Ferd. Vetter, Euphorion 4, 830 ff. – v. Greyerz, Verhandlungen der Schweizer Gymnasiallehrer 28, 33 f.