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ADB:Kauffmann, Hermann

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Artikel „Kauffmann, Hermann“ von Emil Benezé in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 51 (1906), S. 73–75, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Kauffmann,_Hermann&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 15:50 Uhr UTC)
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Kauffmann: Hermann K., Maler, geboren am 7. November 1808 in Hamburg, war der Sohn eines aus Frankfurt a. M. mit seiner Frau eingewanderten Kaufmanns. Mit 15 Jahren durfte er schon die Schule verlassen und sich unter Gerdt Hardorff’s Leitung auf den Malerberuf vorbereiten. Die Kunst kräftiger Auffassung und Wiedergabe der Wirklichkeit war ihm schon früh eigen. Davon legt eine Bleistiftzeichnung, die er etwa als Siebzehnjähriger geschaffen haben muß, treffliches Zeugniß ab. Die einzelnen Stellungen [74] und Bewegungen einer Anzahl von Fischern bei ihrer schwierigen Arbeit zur Winterszeit, ein für jene Zeit auffallend unromantischer, anspruchsloser Gegenstand, sind da auffallend scharf beobachtet. Zwei frühere Radierungen, die Themata aus dem bäuerlichen Leben behandeln, sind, wie es scheint, unter dem Einfluß von Blättern Klein’s und Erhard’s entstanden.

In Dresden, wohin er sich 1827 begab, gefiel ihm die damals noch sehr rückständige Unterrichtsweise der Akademie sehr wenig, sodaß er sich nach siebenwöchentlichem Studium der dortigen Kunstschätze weiter begab. Zu Fuße zog er durch die Sächsische Schweiz und bis nach Nürnberg, wo er Klein’s persönliche Bekanntschaft machte und, wiewohl nichts weniger als Romantiker, die Werke der Gothik und Renaissance doch eingehend betrachtete und gebührend bewunderte. Ueber Regensburg, dessen Dom ihn entzückte, ging er dann nach München, wo er bis 1833 blieb. Hier war für ihn der rechte Boden. Die von König Ludwig I. geförderte Monumentalkunst des Cornelius mit ihrer Gedankenblässe mußte ihn allerdings kalt lassen. Aber neben ihr fand ein gesunder Realismus bei Malern wie H. Bürkel, W. J. Wagenbauer, P. v. Heß, u. a. fröhliche Pflege. Fr. Pecht hat in seiner „Geschichte der Münchener Kunst im 19. Jahrhundert“ gezeigt, wie diese Richtung von naturalistischen Darstellungen aus dem napoleonischen Kriegsleben ihren Ausgang genommen und sich an Wouvermann’s Reiterbilder aus dem 17. Jahrh. angelehnt hat. Man fing damals an, sich sehr für das Leben der Bauern zu interessiren; davon legt u. a. die lange vergessene Dorfpoesie Melchior Meyr’s Zeugniß ab, der von 1829 ab mehrere Jahre in München studirte und schriftstellerte. K. fand sich von dem Pfälzer Hnr. Bürkel (geb. Pirmasens 1802, † München 1869) besonders angeregt. Er malte wie jener sein Lebtag gern Scenen aus der Heuernte, und noch lange munteres Treiben vor einer Schmiede; auch für seine Schneebilder, in denen er später so Tüchtiges leistete, fand er schon bei jenem Muster. Doch war bequeme Nachahmung nicht seine Sache. Zahlreiche in Zell am Ziller, Feldafing, Tölz, am Tegernsee, in Scharnitz und an anderen Orten Oberbaierns aufgenommene Skizzen zeigen seinen außergewöhnlichen Fleiß, sein ehrliches Streben nach Selbständigkeit. Alte und junge Bauern und Jäger begegnen uns da trefflich charakterisirt in den verschiedensten Stellungen und Haltungen. Von bis ins kleinste gehender Gewissenhaftigkeit legen viele Details, einzelne Arme, Hände, Gewandtheile und Geräthe, sowie sorgsame Baum-, Felsen-, Abhang- und Gewölkstudien Zeugniß ab, zuweilen hält er auch in Oelfarben das Bild einer im Hintergrund durch dunkles Gehölz und bläuliche Gebirge abgeschlossenen, sanft gewellten Ebene am Ammerfluß und ähnliches fest. Eine Sandgrube vorn an der Seite bringt dann wohl eine ganz persönliche Note hinein, kündigt die einsamen, zerfahrenen, stimmungsvollen Sandwege auf späteren Kauffmann’schen Gemälden an.

1833 mußte er infolge der Erkrankung des Vaters seine zweite Heimath, zu der ihm München geworden, verlassen und nach Hause zurückkehren. Gegen seine ursprüngliche Absicht blieb er dort; 1839 heirathete er Marianne Spengel. Ein Mann von so unbeirrbarer Selbständigkeit im Schauen und Fühlen mochte und konnte natürlich in Norddeutschland nicht einfach mit dem wuchern, was er im Süden in sich aufgenommen. Allerdings zeigten die Gemälde, die die Frucht einer 1843 auf Veranlassung des Fürsten Colloredo unternommenen norwegischen Reise waren, noch viel von der Art, die er Bürkel und anderen Münchnern abgelernt. Ein fröhlicher Hochzeitszug oder ein durchgehendes Pferd geben die Veranlassung zu höchst lebendigem Treiben auf einer Dorfstraße, in welche vielzackige Bergriesen hineinschauen. Sehr oberbairisch, munter und figurenreich ist auch noch die „Heimkehr von der Alm“ aus dem Jahre 1848. Inzwischen aber hatte er sich auf häufigen Wanderungen durch Hamburgs Umgebung [75] und bei Gelegenheit wiederholten Aufenthalts in Ostholstein längst wieder ganz in die Art von Land und Volk daheim eingelebt. Dem Meer und der Küste blieb er dabei als Maler fern. Nur unmittelbar nach seiner Rückkehr führt er einmal in seiner „Heimkehr der Fischer“ an die Ostsee. Die 1839 nach der Wirklichkeit gegebene, wohlgelungene Darstellung aufgethürmter Eismassen mit eingekeilten Schiffen auf der Elbe erinnert daran, daß er Strom-, Hafen- und Canalmotive so gut wie nie behandelt hat. Die Gebiete, denen sein Interesse fast ausschließlich galt, werden bezeichnet durch Gemäldetitel wie: „Heuernte“, „Landleute bei der Ernte Mittagsruhe haltend“, „Postwagen im Schneesturm“, „Holzfuhren im Schnee“, „Artillerie im Schnee“, „Winterlandschaft mit Kirchhof“, „Vor der Schmiede“, „Norddeutsche Heide“ u. s. w. Idyllisch, genrehaft-anekdotisch und humoristisch sind fast nur seine liebenswürdigen Lithographien, die er, durch L. Richter angeregt, 1845 herausgegeben hat. Seine Gemälde und Federzeichnungen dagegen athmen die stille Größe der niederdeutschen Ebene. Die Menschen und die von ihm so geliebten Thiere, hauptsächlich Pferde, sind geschildert, wie sie mit ruhiger Selbstverständlichkeit und Anspruchslosigkeit einförmige Arbeit verrichten oder nachdenklich auf neue harren, in Wind und Wetter, in Regen und Schneesturm, in Mittagsschwüle und Abendfrieden. Bei der Furth, die eben passirt wird, bei der Pferdeschwemme, vor dem Wirthshaus, bei dem angespannt und gefüttert wird, vor der Schmiede ergiebt sich Gelegenheit zum Geplauder, Austausch wohl von Wetterbetrachtungen und dergleichen. Nirgends aber begegnet uns ein Gegenstand oder Vorgang, der durch seine Besonderheit das Interesse auf sich ziehen wollte, jedes Bild zeigt vielmehr nur das typische Beispiel einer immerwiederkehrenden Erscheinung des Menschenlebens. Auf dem Boden urgesunder, durch unermüdliche und scharfäugige Naturbeobachtung gewonnener Realistik ist hier eine Kunst erwachsen, die die Vorgänge des Bauernlebens und der Landstraße, die schlichtesten Dinge von der Welt, ganz eigenartig zu adeln vermag und zwar unabhängig von Millet. Der ruhige Vortrag wird nur durch ganz leise, aber hinreichende Gegensätze und discrete, Stimmung machende Mittel belebt. Da sehen wir neben dem einen ruhig weitertrottenden und vor sich niederblickenden Zugthier das andere mit erhobenem oder etwas umgewandten Kopf; da schlafen unter einer Buche müde Schnitter und steht daneben ein Alter und schaut über die Felder; da verfolgt ein Fuhrmann, während seine Thiere ziehen, am Wege stehend, einen Reiter mit den Augen. Ebenso wie hier zeigt er sich in seinen Porträts kräftig und von jeglicher Pose frei. Seinem unermüdlichen Ringen hatte er es zu verdanken, daß er von der Farbenbuntheit seiner Zeit allmählich zu immer feiner abgestimmten Farbenharmonien gelangte. Seine Kartons und Studien, Kunstwerke hohen Ranges, befinden sich, wie seine Gemälde zu einem guten Theil in der Hamb. Kunsthalle. Er starb am 24. Mai 1889.

Alfred Lichtwark, Hermann Kauffmann und die Kunst in Hamburg um 1800–1850. München 1893.