ADB:Kehren, Josef
W. v. Schadow seiner theilnehmend an und verwandte ihn als Famulus bei Ausführung einiger Cartons und Studien. Bereits 1839 erschien sein erstes selbständiges Bild, „Die heilige Agnes“ (Altarbild in einer Schloßcapelle des Grafen Trips), dem 1841 ein „St. Hubertus“ (in Privatbesitz in Brüssel) und 1842 eine „Maria mit dem Christuskind“ folgten. Letzteres schenkte er der katholischen Kirche zu Wevelinghoven. Auch malte er viele Kirchenfahnen und half befreundeten Künstlern bei der Ausführung von Freskogemälden, so H. Stilke in der Burg Stolzenfels (1846), Andreas Müller in der St. Apollinariskirche bei Remagen, besonders aber Alfred Rethel bei dem Cyclus aus der Geschichte Karls des Großen im Rathhaussaal zu Aachen. Als dann nach einigen Jahren treuen Zusammenwirkens Rethel 1852 in unheilbaren Irrsinn verfiel, bezeichnete die öffentliche Meinung sowohl wie die gesammte Künstlerschaft K. als den Würdigsten, das Werk zu vollenden, worauf ihm dieser ebenso ehrenvolle wie schwierige Auftrag vom Kunstverein für Rheinland und Westfalen zu Theil wurde. Nach dem von Rethel selbst noch gezeichneten Carton malte er nun „Die Taufe Wittekinds“ und nach dessen kleineren Zeichnungen, Skizzen und Entwürfen die drei letzten Fresken: „Die Kaiserkrönung Karls des Großen durch Leo II.“, „Die Erbauung des Aachener Münsters“ und „Die Ernennung Ludwig des Frommen zum Nachfolger Karls“. In diesen Compositionen suchte sich K., soweit es die gegebenen Raumverhältnisse nur eben zuließen, möglichst eng an die Ideen Rethels zu halten. Er hat aber für seine Arbeiten wenig Dank geerntet. Die realistische Strömung, die damals in der Malerei zur Geltung kam, ließ die ernste und stylistische Farbengebung der Rethel’schen Bilder, selbst bei dessen wärmsten Verehrern, Anfangs nicht zur verdienten Würdigung gelangen, und sie beeinflußte auch K. in dem Maße, daß er die coloristische Wirkung in den von ihm ausgeführten Fresken mehr steigerte, als er ursprünglich beabsichtigte. Dies fand zuerst so großen Beifall, daß man ihn aufforderte, er möge die Rethel’schen Fresken durch Nachhülfe und Uebermalungen wirkungsvoller machen, was er aber aus Pietät gegen Rethel entschieden ablehnte. Der später erfolgte Umschwung in der Beurtheilung der großartigen Leistungen Rethel’s, führte dann zu einer höchst ungerechten Herabsetzung der Kehren’schen Wandbilder. Derselbe wurde nun zu Gunsten Rethel’s mit Tadel und Vorwürfen überschüttet und fand erst nach Jahren eine unparteiische Würdigung. Die Aachener Arbeiten waren 1862 vollendet und K. nahm seitdem wieder seinen dauernden Wohnsitz in Düsseldorf, wo er zunächst im Auftrag des Kultusministeriums ein großes Bild „Justitia“ nach einem kleinen Oelbilde Alfred Rethel’s für den Schwurgerichtssaal in Marienwerder malte. Bei dem Brande des Akademiegebäudes am 19. März 1872 wurde auch sein Atelier mit sämmtlichen darin enthaltenen Arbeiten, Studien und Skizzen von den Flammen zerstört. Doch half ihm über den ihm durch diesen unersetzlichen Verlust bereiteten Kummer ein großer Auftrag der preußischen Regierung hinweg, der ihn mit der Ausführung von Wandgemälden in der Aula des Lehrerseminars zu Mörs betraute. Dieselben stellen in einem [529] friesartigen Cyclus die Entwickelung der Weltgeschichte bis zur Kaiserproclamation in Versailles 1871 dar, wovon K. die Ereignisse bis zur Geburt Christi und von der Grablegung bis zu Karl dem Großen behandelte, während die Historienmaler Franz Commans das Wirken und Sterben Christi und Peter Janssen den Schluß auszuführen hatten. Von sonstigen Werken Kehren’s sind noch hervorzuheben zwei Altargemälde für die katholische Kirche zu Glottau in Preußen, eine „Loreley“ (1847), „Joseph und seine Brüder“ (1849), der mehrmals wiederholte „Gute Hirt“ (gestochen von Glaser), „Die schmerzhafte Mutter, auf die Marterwerkzeuge blickend“ (1872), „Christus am Kreuz mit Maria und Magdalena“ (gestochen von Barthelmeß), verschiedene Portraits, Cartonzeichnungen und Aquarelle. Aus allen spricht eine eigenartige Begabung, lebhafte Phantasie und geistvolle Auffassung. In dem Streben nach scharf individualisirter Charakteristik streifte er mitunter an das Herbe, Uebertriebene und Bizarre, namentlich in seinen letzten Jahren. Seine Farbe war kräftig, wirkungsvoll, und stets der Composition geschickt angepaßt. Er suchte oft nach eigenthümlichen Stimmungen und begnügte sich nie mit leicht erreichbaren Effecten. In seinen religiösen Darstellungen herrschte ein würdevoller Ernst, der des Eindrucks nicht verfehlte. Ohne zu einer Lehrerstellung verwandt zu werden, hat K. durch opferwilligen Rath und Beistand manchen Freund und jüngeren Künstler wesentlich gefördert, da er eine überaus glückliche Beurtheilungsgabe besaß. Bescheiden und anspruchslos, hat er nicht die volle Anerkennung gefunden, die sein vielseitiges Schaffen wohl beanspruchen durfte.
Kehren: Josef K., Historienmaler, geb. am 30. Mai 1817 in Hülchrath, † am 12. Mai 1880 zu Düsseldorf. Er war der Sohn eines armen Gärtners und verlebte seine Kindheit in Wevelinghoven in sehr beengten Verhältnissen. Sein Talent und Trieb zur Kunst zeigten sich frühe und veranlaßten ihn, aus der katholischen in die evangelische Schule überzutreten, weil in dieser Zeichenunterricht ertheilt wurde, der, so dürftig er auch war, ihn doch erfolgreich förderte. Als er dann als Gärtnerbursche bei seinem Vater arbeitete, benutzte er jede freie Minute zum Zeichnen, bis es ihm durch wohlwollende Gönner ermöglicht wurde, sich zum Künstler ausbilden zu können und im Herbst 1834 die Düsseldorfer Akademie zu beziehen. Hier nahm sich der Director- Wiegmann, Die königl. Kunstakademie zu Düsseldorf (Düsseldorf 1856). Wolfg. Müller von Königswinter, Düsseldorfer Künstler aus den letzten 25 Jahren (Leipzig 1854).