ADB:Kock, Reimar
*). Im J. 1524 trat er in das angesehene Franciscanerkloster zu St. Katharinen, dasselbe, in welchem schon 140 Jahre früher der Lesemeister Detmar (Bd. V S. 82) als Chronist sich hervorgethan und den Sinn für die Geschichte und den Ruhm des Oberhauptes der Hansa geweckt hatte. – Bei Einführung der Reformation wurde auch dieses Kloster aufgehoben, und in den Räumen desselben 1531 die noch heute bestehende gelehrte Schule (das Katharineum) durch Bugenhagen eingeweiht. Ob der noch jugendliche K. etwa zu denjenigen Mönchen gehörte, die vorläufig noch in demselben weitläufigen Klostergebäude, zusammen mit den evangelisch-lutherischen Lehrern, wohnen blieben, oder ob er außerhalb desselben von der Wahrheit des überall verkündigten und bezeugten lauteren Evangeliums ergriffen wurde, darüber besitzen wir keine Kunde. Daß er wissenschaftlichen Interessen zugewandt war, möchte man daraus schließen, daß er, seinem eigenen Berichte zufolge, in demselben Jahre 1531 Vorlesungen kirchenrechtlichen Inhalts bei einem in Lübeck verweilenden ehemaligen Rathe des Bischof zu Mainz, Dr. Otto Pock, gehört hat.[1] Unstreitig hat er nicht lange nachher sich zum lutherischen Glauben bekannt: denn vielleicht schon in den Dreißigern (nach Schröder), spätestens im Anfang der Vierziger dieses Jahrhunderts wurde er an einer der Kirchen Lübecks, der St. Petrikirche, als erster lutherischer Prediger (Vicar) angestellt. Im J. 1553 rückte er an derselben zum Amte des Pastors, d. h. Primarius, auf. Als solcher ist er den 16. Juni 1569 in Lübeck gestorben. Von seiner Thätigkeit ist uns nur ein litterarisches Zeugniß, und zwar ein sehr werthvolles, geblieben, nämlich seine mit größter Mühe und Sorgfalt gearbeitete Chronik, welche er im J. 1549 dem Senate überreichte. Dieses Exemplar ist verloren gegangen; von dem Autographon ist nur ein Theil erhalten, mit vielen Nachträgen und Verbesserungen von Kock’s fleißiger Hand, während das übrige frühzeitig in Kopenhagen, als Bestandtheil der Bibliothek des Bischofs Chr. Worm, bei einer Feuersbrunst zu Grunde gegangen ist. Das ganze Werk, von welchem ziemlich viele Abschriften noch existiren, trägt den Titel: „Cronica der fürnemsten Geschichten unnd Handelen der kayserliken Stadt Lubeck unnd erer vorwandten, [416] dorch Reimarum Kock, Predigern tho S. Peter darsülvest up das vlitigeste tho hope gebracht. Anno 1549“ (ms. Fol. 3 Bde). Der erste Theil des (sämmtliche Küstenländer der Ostsee mehr oder weniger mit umfassenden) Werkes geht von A. 980–1438, der andere bis A. 1499, der dritte bis 1549. Bei der Ausarbeitung hat K. eine Reihe von ihm namhaft gemachter älterer, auch nicht-lübeckischer Chroniken, darunter Weltchroniken, benutzt. In seinem ersten Theile enthält das Werk viele interessante Ergänzungen zu der (eifrigst von ihm studirten und mit Randglossen versehenen) Detmarschen Chronik, oft aber auch nur eine weitschweifigere Wiedergabe des dort wie anderswo in größerer Einfalt Erzählten. „Derselbe Folioband auf der lübeckischen Stadtbibliothek, in welchem vor einigen Jahren die längst vermißte Abschrift der Detmarschen Chronik wiedergefunden wurde, enthält auch eine bis dahin unbekannte Fortsetzung des Kock’schen Werkes vom J. 1550 bis 1565, offenbar noch von K. selbst verfaßt und wahrscheinlich auch, oder es müßten alle Anzeichen trügen, von Kock’s eigener Hand geschrieben“ (So Grautoff im J. 1829). Von dieser Fortsetzung hat Bürgermeister Godthardt von Hövel (Bd. XIII S. 213) als „vierten Theil“, eine Abschrift angefertigt oder anfertigen lassen, mit Kock’s zerstreuten Aufzeichnungen vermehrt und nach persönlichen Erlebnissen bis 1600 weiter geführt. Die „Historische Commission der königl. baierischen Akademie d. Wissensch.“, läßt uns eine dereinstige vollständige Herausgabe der Kock’schen Chronik (durch Prof. Koppmann) erhoffen, nachdem schon ungenügende Auszüge von Grautoff in seiner „Chronik des Franciscaner Lesemeisters Detmar“, zu Bd. I und II, geliefert sind. In Auffassung und Darstellung zeigt K. öfter einen weiteren historischen Blick, als die meisten Chronisten, und eine größere Gewandtheit der Sprache, welche übrigens die frühere Schlichtheit schon sehr vermissen läßt. Seine Schreibweise ist in Betreff der Orthographie äußerst schwankend zwischen dem Alten und Neuen. Außer seiner Chronik hat K. auch ein „Calendarium historicum“ hinterlassen, in welchem er bei jedem Tage des Jahres irgend eine merkwürdige Begebenheit der Vorzeit hinzufügt. Ms. 4°. Es gibt nicht allein mehrere hochdeutsche Uebersetzungen der Kock’schen Chronik, z. B. eine von Ao. 1643, sondern auch verschiedene Nacharbeitungen.
Kock: Reimar K., ein hervorragender lübeckischer Chronist, im Anfange des 16. Jahrhunderts (das Jahr unbekannt), in Wismar geboren, war der Sohn eines Paternoster- und Rosenkranzmachers daselbst, Heinrich K. Er verlor seinen Vater im J. 1518, ist aber wahrscheinlich schon früher von dessen Bruder, Reimar K. (vermuthlich seinem Taufpathen), einem aus Wismar gebürtigen Bürger und Hausbesitzer zu Lübeck, in väterliche Pflege genommen und in Unterricht, vielleicht eines der dortigen Minoriten, gegeben- C. H. Starckens Lübeck. Kirchen-Historie (Thl. III), S. 257 f.; Dan. Springinsguth[WS 1], Wismarische Prediger-Historie, fortgesetzt von Dieter.[WS 2] Schröder, 1734, in 4°., S. 39 f.; Grautoff, Chronik des Francisc. Lesemeisters Detmar, Hamburg 1829 u. 30 (Vorbericht zum 1. u. 2. Thl.); E. Deecke, Beitr. zur lübeckischen Geschichtskunde. Erstes Heft. Lübeck 1835, S. 27 ff.
[415] *) In einer Wismar’schen Urkunde (s. Schröder, Wismarische Prediger-Historie S. 40) wird er als Klerikus, anscheinend aus Lübeck, bei einer „Erbschichtinge“, neben seinem Oheim, dem Lübecker Reim. Kock, aufgeführt.
[Zusätze und Berichtigungen]
- ↑ S. 415. Z. 15 v. u.: Nach G. Waitz war R. K. auch der Verfasser des von Petersen herausgegebenen „Berichts“ von der Einführung der Reformation in Lübeck und muß als Prediger auf der Lübecker Flotte 1532 vor Kopenhagen und in Norwegen, 1533 vor Kopenhagen und in England unter Marcus Meyer, auch 1534 mit in Kopenhagen und Malmö gewesen sein. Waitz, Lübeck unter Jürgen Wullenweber II, 409 ff. [Bd. 18, S. 795]