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ADB:Lasaulx, Ernst von

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Artikel „Lasaulx, Ernst von“ von Carl von Prantl in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 17 (1883), S. 728–729, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Lasaulx,_Ernst_von&oldid=- (Version vom 15. November 2024, 08:24 Uhr UTC)
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Lasaulx: Peter Ernst v. L., geb. am 16. März 1805 zu Koblenz, † in München am 9. Mai 1861, Sohn eines Architekten, besuchte seit 1817 das Gymnasium seiner Vaterstadt und bezog zu Ostern 1824 die Universität Bonn, wo er bei A. W. Schlegel, Niebuhr, Brandis und Welcker hörte, worauf er seine Studien in München unter Franz v. Baader, Görres und Schelling fortsetzte. Angezogen von den christlichen Mystikern durchsuchte er im J. 1830 um der Schriften Eckhart’s willen die Bibliotheken in St. Florian, Kremsmünster, Mölk und Kloster-Neuburg, hielt sich dann in Wien auf, wo er mit Günther, Veith und Pabst verkehrte, und reiste im Sommer 1831 über Steiermark, Kärnthen und Venedig nach Rom, wo er sich mit den Kirchenvätern und Scholastikern beschäftigte und durch näheren Umgang mit Bunsen, Platner, Cornelius, Koch, Overbeck und Letellier vielfache Anregung empfing; im J. 1833 begab er sich über Neapel und Sicilien nach Griechenland, Konstantinopel, Smyrna, dann über Rhodus und Cypern nach Palästina (später erzählte er gerne seinen Bekannten, daß er auf der Seefahrt in der Nähe der Cykladen einmal Abends wirklich die Harmonie der Sphären gehört habe). Ueber Rom nach München zurückgekehrt, promovirte er daselbst 1835 mit einer Abhandlung „De mortis dominatu in veteres“, worauf er noch im gleichen Jahre zum außerordentlichen Professor in Würzburg ernannt wurde, wo er sich mit einer Tochter Franz v. Baader’s vermählte und 1837 zum Ordinarius befördert wurde. Ein Ergebniß seiner Reise war die Schrift „Jerusalem und die Hüter des heiligen Grabes“ (1838 in den Historisch-politischen Blättern) und als glühender Katholik veröffentlichte er bezüglich der sogenannten Kölner Wirren „Kritische Bemerkungen über die Kölner Sache“ (1838); dann folgten: „Das pelasgische Orakel des Zeus zu Dodona“ (1840); „Der Sinn der Oedipus-Sage“ (1841); „Die Sühnopfer der Griechen und Römer und ihr Verhältniß zu dem Einen auf Golgatha“ (1841); „Die Gebete der Griechen und Römer“ (1842); „Die Linosklage“ (1842); „Der Fluch bei Griechen und Römern“ (1843); „Die Prometheus-Sage und ihr Sinn“ (1843); „Der Eid bei den Griechen und den Römern“ (1844). Im J. 1844 kam L. als ordentlicher Professor der Philologie (an Hocheder’s Stelle) an die Universität zu München, wo er auch alsbald als Mitglied [729] in die Akademie gewählt wurde; da er aber im Februar 1847 im Senate der Universität den Antrag stellte, an das abgetretene Ministerium Abel (s. Allg. d. Biogr. Bd. I S. 15) eine Dankadresse zu richten, wurde er in Ruhestand versetzt. In das Frankfurter Parlament gewählt kämpfte er auf der äußersten Rechten heftig und bitter sowol gegen die demokratische als auch gegen die kleindeutsche Partei. Im März 1849 wieder in seine Lehrstelle eingesetzt, wurde er auch in die Abgeordnetenkammer gewählt, wo er durch seine eigenthümlichen Anschauungen den Widerspruch förmlich herausforderte und in der kurhessischen Frage (1851) eine schwere Niederlage erlitt. Seit der Umsiedlung nach München, von wo er 1852 eine zweite kürzere Reise nach Griechenland machte, erschienen: „Ueber das Studium der griechischen und römischen Alterthümer“ (1846); „Ueber den Entwicklungsgang des griechischen und römischen und den gegenwärtigen Zustand des deutschen Lebens“ (1847); „Ueber die Bücher des Königs Numa“ (1848); „Die Geologie der Griechen und Römer“ (1851); „Zur Geschichte und Philosophie der Ehe bei den Griechen“ (1852); „Joseph v. Görres“ (1853 in den Hist.-polit. Blättern); „Der Untergang des Hellenismus“ (1854); „Neuer Versuch einer Philosophie der Geschichte“ (1856); „Ueber die theologische Grundlage aller Systeme“ (1856); „Des Sokrates Leben und Lehre und Tod“ (1857); „Ueber die prophetische Kraft der menschlichen Seele in Denkern und Dichtern“ (1858); „Die Philosophie der schönen Künste“ (1860); „Zur Philosophie der römischen Geschichte“ (1861). L. war ein feurig überzeugungstreuer, sittlich reiner, ritterlicher Charakter, und auch wer von ihm als Gegner geschieden war, mußte seiner energischen Offenheit Achtung zollen; durch seine Persönlichkeit übte er auch als Lehrer mittelst seiner sittlichen Wärme und phantasievollen Redegabe eine bedeutende Anziehungskraft auf die Studirenden aus, welchen er allerdings keine Anleitung zu wissenschaftlicher Methode zu geben vermochte, da es ihm selbst an jeder methodischen Schulung gebrach, daher er auch nicht in Heranbildung jüngerer Philologen sich bethätigte. Seine Schriften, deren mehrere er theils in „Antiquarische Abhandlungen“ (1844), theils in „Studien des classischen Alterthums“ (1854) gesammelt herausgab, haben weniger eine wissenschaftliche als eine persönliche Bedeutung, insoferne sie dazu dienen können, einen Romantiker der classischen Philologie kennen zu lernen, welcher auf dem Standpunkte Baader’scher Theosophie stehend eine große Belesenheit im Dienste der Ansicht verwerthete, daß alle christlichen Wahrheiten bereits substantiell in der vorchristlichen Welt sich finden und das Heidenthum nur eine Verzerrung der Offenbarung sei, daher er z. B. in der Linosklage den Sündenfall, im Prometheus einen Typus des Erlösers erblickte, Sokrates und Jesus in eine mystische Parallele brachte, oder z. B. in der Worttändelei mit ρώμη, Roma, Amor eine tiefsinnige Wahrheit nachweisen wollte.

Allg. Zeitung, 1861, Nr. 139 Beil. Fr. Seitz, Rectoratsrede v. 26. Juni 1861. H. Holland, Erinnerungen an E. v. Lasaulx. 1861.