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ADB:Lebrun, Karl August

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Artikel „Lebrun, Karl August“ von Joseph Kürschner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 18 (1883), S. 101–102, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Lebrun,_Karl_August&oldid=- (Version vom 21. Dezember 2024, 16:36 Uhr UTC)
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Lebrun: Karl August L., Schauspieler, Schauspieldirector und Dramatiker, geb. am 8. Oct. 1792 zu Halberstadt als der Sohn eines französisch reformirten Predigers zu Halberstadt, starb in der Nacht vom 24. zum 25. Juli 1842 in Hamburg. L., ein Pathe Tiedge’s, dem dieser die Epistel „An Karl“ widmete, kam aus Gesundheitsrücksichten schon mit dem dritten Lebensjahre nach Berlin, wohin ihm nach dem früh erfolgten Tod des Vaters auch Mutter und Geschwister folgten. Die gute Schulbildung, die er genoß, hätte ihn wohl zum akademischen Studium befähigt, wenn nicht den längst gefaßten Plan die beschränkte Lage der verwittweten Mutter vereitelt und diese dadurch gezwungen hätte, ihren Sohn zu seinem Onkel, einem Berliner Bijouteriefabrikanten in die Lehre zu thun. Vielleicht hätte L. sich auch selbst bei wissenschaftlichen Studien nicht wohl befunden, denn schon als Knabe erwachte in ihm die Neigung zur dramatischen Kunst, die durch die Vorstellungen des unter Iffland’s Leitung stehenden Hoftheaters noch genährt wurde. Auf Liebhaberbühnen erprobte er die junge Kraft und wie er dabei besonders Beschort als Vorbild nahm, so war es dann Labes, der ihm durch Fürsprache bei den Seinigen den Weg zu den wirklichen Brettern bahnte. 1809 ging L. nach Dessau zu seinem Onkel, einem Gymnasialprofessor und debütirte auf dem Hoftheater daselbst als Paul von Husch (Pagenstreiche). Währte auch das Engagement nur bis zum folgenden Jahre, so hatte er doch mit Hilfe des Regisseurs Mittel vieles für seinen Beruf gelernt und bethätigte dies in Memel, zu dessen Theatergesellschaft er 1810 gestoßen war und mit der er auch in Tilsit, Libau und Mitau spielte. Rasch fortschreitend, spielte L. während seines Würzburger (1812–15) und Mainzer Engagements (1815–17) bereits erste Rollen im Schau- und Lustspiel mit besonderem Erfolg und gastirte von Mainz aus, mit Beifall aufgenommen, in Frankfurt a. M., Köln, Düsseldorf und Aachen. 1817 erschien er zuerst in Hamburg in dem am 28. August eröffneten Apollotheater, das allerdings schon am 1. Dec. desselben Jahres bankrott wurde. L. spielte trotzdem mit den Mitgliedern auf Theilung weiter und trat am 1. Febr. 1818 ein Engagement am Stadttheater an, nachdem er mit Braunschweig eingegangene Verbindlichkeiten wieder gelöst hatte. Am 19. Febr. erschien er als „Felix Wahr“ (Der leichtsinnige Lügner) zuerst auf den Brettern des Stadttheaters, dem er nun bis 1837, seit dem 1. April 1827 als Mitdirector Friedr. Ludw. Schmidt’s, angehörte. Als Schauspieler war L. vorzüglich, namentlich in Charakterrollen und hier wieder besonders im Feinkomischen. Seine Darstellungen waren voll Wahrheit und Natürlichkeit, belebt von glücklicher Laune, nie gestört durch Uebertreibung, immer abgetönt durch Geist und Bildung, die nichts Anstößiges aufkommen ließen. In Rollen wie „Perrin“ (Donna Diana), „Mercutio“, „Zettel“ (Sommernachtstraum), „Schnifflinski“ (Kammerdiener), „Habakuk“ (Alpenkönig und Menschenfeind), „Till“ in den Raupach’schen Lustspielen etc. war er nahezu unübertrefflich. Rollen wie „Posa“ u. dgl., obgleich er sie auch gab, lagen ihm nicht, weil ihm die poetische Begeisterung fehlte. Leider läßt sich ihm als Director weniger Gutes denn als Schauspieler nachsagen, die Periode des Hamburger Stadttheaters, die seinen Namen mit an der Spitze trägt, zeigt ein Abwärts, wobei sogar oft Dinge erscheinen, die der Bühne Schröder’s höchst unwürdig sind. Bei allen guten Eigenschaften [102] gebrach es ihm doch an Charakter und durchgreifender Energie. Schlimmer war seine Trunksucht, die ihn so sehr beherrschte, daß er trotz aller Aergernisse, die er auf den Brettern erregte, doch immer wieder im trunkenen Zustande vor dem Publicum erschien. Als er einst als „Wallen“ (Stille Wasser sind tief) die Worte sagte: „Bis Alles geordnet ist, gehe ich und trinke ein Gläschen“, rief man ihm aus dem Parterre zu: „Nicht doch, Sie haben schon genug!“ Trotz alledem konnte ihn die Hamburger Bühne nicht entbehren und schon im folgenden Jahr nach seinem Rücktritt gastirte er auf ihr, wie außerdem in Dresden, Leipzig, Berlin, Oldenburg, Mainz, Wiesbaden und Karlsruhe. Bald darauf erkrankte er und starb schließlich an der Aufregung, in die ihn der Hamburger Brand versetzt hatte.

Was er als Dramatiker geleistet hat, besteht großentheils in sehr geschickten Uebertragungen französischer Stücke, andererseits in eigenen kleinen Stücken, von denen er die ersten bereits in Memel aufführen ließ. Kotzebue dürfte ihm als Vorbild vorgeschwebt haben. Diese ungemein zahlreichen, in Sammlungen und Einzelausgaben erschienenen eigenen und übertragenen Arbeiten finden sich bei Goedeke III. 913 und im Hamburger Schriftstellerlexikon. Eine bis 1817 reichende Geschichte des Hamburger Theaters, die er verfaßt, ist in dem von ihm herausgegebenen „Jahrbuch für Theater und Theaterfreunde“ (1841) gedruckt. Vermählt war L. seit dem 8. Juli 1820 mit Karoline Steiger, der am 28. April 1800 zu Hamburg gebornen Tochter des Regisseurs Anton Steiger (starb am 13. April 1809), die als „Infantin“ (Don Carlos) 1803 zuerst die Bühne betreten hatte. Dann spielte sie Rollen wie „Preciosa“ und ging um 1840 in das Fach der ersten Mütterrollen über. Erst 1850 zog sie sich von der Hamburger Bühne zurück, auf der sie u. A. die erste Darstellerin des „Bösen Geist“ (Goethe’s Faust) gewesen war. Ob Frau L. inzwischen etwa gestorben, konnte Verfasser nicht feststellen. Lebrun’s Töchter Louise (geb. am 2. Juni 1822 zu Hamburg, vermählt am 11. März 1849 mit dem Sänger und Schauspieler Friedrich Abiger) und Antonie (geb. am 27. Juli 1823, vermählt 1847 mit dem Baronet William Henry Don) debütirten am 5. Januar 1839 als „Nina“ und „Emmy“ (Welche ist die Braut?) auf dem Hamburger Stadttheater, dem sie, wie auch ihre jüngere Schwester Julinka, längere Zeit als gern gesehene Mitglieder angehörten. Antonie ist von 1845–1847 Mitglied des Dresdner Hoftheaters gewesen und hat sich dann von der Bühne zurückgezogen.

Vgl. Lebrun’s Nekrolog in Wolff’s Alm. f. Freunde d. Schauspielkunst a. d. J. 1842, S. 105–122 (enth. auch Prätzel’s Gedächtniß für den Entschlafenen); zur Charakteristik der Schmidt-Lebrun’schen Directionsepoche Schmidt’s „Denkwürdigkeiten“, herausgegeben von H. Uhde, II. 233–336 und Uhde’s „Stadttheater in Hamburg“, S. 10–93.