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ADB:Lengnich, Gottfried

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Artikel „Lengnich, Gottfried“ von Franz Xaver von Wegele in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 18 (1883), S. 255–257, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Lengnich,_Gottfried&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 14:37 Uhr UTC)
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Lengnich: Gottfried L., Geschichtschreiber. Geboren am 14. Decbr. 1689 zu Danzig, † 1774, erhielt er zugleich mit Mascov auf dem Gymnasium seiner Vaterstadt seine grundlegende humanistische Bildung in vortrefflicher Weise und bezog 1710 die Universität Halle. Hier widmete er sich mit Vorliebe den rechtswissenschaftlichen und geschichtlichen Studien, in erster Linie von N. H. Gundling angezogen, der ihm wohlwollend entgegenkam und in die Reihen der Mitarbeiter der [256] von ihm redigirten „Hallischen Neuen Bibliothek“ aufnahm. Im J. 1713 mit dem juristischen Doctorgrade geschmückt, soll L. die Absicht gehegt haben, die akademische Laufbahn einzuschlagen, zog es aber aus verschiedenen Gründen am Ende doch vor, seine Zukunft seiner Vaterstadt, – die damals unter polnischer Schutzhoheit stand – anzuvertrauen. Hieher zurückgekehrt hielt er zuerst einigen strebsamen Schülern des Gymnasiums privatim Vorlesungen über Geschichte und Staatsrecht des Königreichs Polen, der preußischen Lande und der Republik Danzig, Gegenstände, die ihm wie keine anderen am Herzen lagen und deren wissenschaftliche Förderung ihn sein ganzes langes Leben hindurch beschäftigt hat. Schon im J. 1718 ließ er seine „Polnische Bibliothek“ in 2 Bänden erscheinen, die das Mangelhafte der vorhandenen Bearbeitungen der polnischen Geschichte vor Augen stellte. Im J. 1721 ertheilte ihm der Rath seiner Vaterstadt den Auftrag, die „Preußische Geschichte“ von Lucas David fortzusetzen, eröffnete ihm zu diesem Zwecke die Archive und verwilligte ihm das Jahr darauf einen eigenen Gehalt. L. hat in der That im Verlaufe eines Menschenalters (1722–1755) in unermüdlicher Arbeit diese Aufgabe („Geschichte der preußischen Lande polnischen Antheils“) in einer Reihe von Abtheilungen, die 9 Bände betragen und bis in die Zeit König August II.[WS 1] (1755) reichen, durchgeführt. Er hat sich dabei der deutschen Sprache bedient, während er von dem erwähnten deutsch geschriebenen Werk seines Vorgängers K. Schütz eine lateinische Ausgabe veranstaltete und zugleich die polnische Geschichte von ihren Anfängen wieder bis zum Tode K. August II. in einer eigenen Schrift und in überwiegend compendiöser Form zur Darstellung brachte. Als werthvolle Ergänzungen seines größeren Werkes sind aber eine Anzahl von Specialuntersuchungen über die Geschichte und das Staatsrecht der preußisch-polnischen Lande herbeizuziehen, deren einige mit Recht hoch geschätzt worden sind. L. hat sich auf diese Weise um die wissenschaftliche Behandlung der preußisch-polnischen Geschichte ein bleibendes Verdienst erworben und Alles, was der Art hinter ihm lag, weit überholt. Auf die staatsrechtliche und diplomatische Seite der Dinge legt er das Hauptgewicht, und sucht überall auf die erste Quelle zurückzugehen. Einseitigkeiten und Lücken seiner Darstellung begegnen uns am ehesten da, wo ihn sein Material im Stiche läßt. Seine Lebensstellung hatte in der Zwischenzeit früh eine Gestalt angenommen, wie sie seinen Fähigkeiten und Leistungen entsprach. Im J. 1729 hatte ihm der Rath von Danzig die Professur der Dichtkunst und Beredsamkeit am Gymnasium übertragen. Gottsched, bekanntlich ebenfalls ein Danziger Kind, war Mitbewerber um dieses Amt gewesen. An Anerkennung von außen hat es L. ebenfalls nicht gefehlt. Der russische und polnische Hof bedachten ihn mit Aufmerksamkeiten und es hing blos von seiner Zustimmung ab, ob er in den angenehmsten Bedingungen Danzig mit Dresden vertauschen wollte. Seine Vaterstadt hat jedoch niemals versäumt, ihn festzuhalten. Im J. 1749 wurde ihm das Inspectorat des Gymnasiums, mit welchem die Professur der Rechte und der Geschichte verbunden war, übertragen, und schon das Jahr darauf ist er zum Syndicus der Stadt erwählt worden, eine Stellung, zu welcher ihn seine Kenntnisse in besonders hohem Grade befähigten. Dieses Amt führte ihn noch im Jahre seiner Erwählung im Interesse der Republik Danzig in einer erfolgreichen Mission nach Warschau und 17 Jahre später, bereits in hohem Alter stehend, wurde er zu dem evangelischen Convent aus Groß- und Kleinpolen und dem Herzogthum Preußen nach Thorn entsendet: Danzig war ja nahezu eine ausschließlich dem protestantischen Bekenntnisse angehörige Stadt. Die Zeiten lagen für die Bewahrung der Interessen seiner Vaterstadt bekanntlich überhaupt schwierig, wenn auch der gefährlichste Moment vorüber war, als die Stellung Lengnich’s eine bedeutendere wurde. Die unter den gegebenen Verhältnissen kaum [257] zu entbehrende Geschmeidigkeit und geschäftliche Gewandtheit hat er offenbar besessen. Mit König Stanislaus August III. stand er auf bestem Fuße und erfreute sich dessen voller Gunst. Die erste Theilung Polens hat er noch erlebt. Zwei Jahre darauf, am 28. April 1774 ist er gestorben.

J. F. Jugler, Beiträge zur juristischen Biographie, 3. Bd. S. 283 ff., wo auch Lengnich’s zahlreiche Schriften angeführt sind. – Meusel, Lexikon der verstorbenen teutschen Schriftsteller, 8. Bd. S. 228 ff.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Hier ist unklar, ob Verf. mit August II. nicht vielmehr dessen Sohn Friedrich August II. = König August III. meint. Daß Stanislaus II. August Poniatowski als „Stanislaus August III.“ bezeichnet wird (am Ende des Artikels) deutet darauf hin.