Zum Inhalt springen

ADB:Leopold (Großherzog von Baden)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Leopold, Großherzog von Baden“ von Friedrich von Weech in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 18 (1883), S. 370–376, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Leopold_(Gro%C3%9Fherzog_von_Baden)&oldid=- (Version vom 4. Dezember 2024, 22:05 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 18 (1883), S. 370–376 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Leopold (Baden) in der Wikipedia
Leopold in Wikidata
GND-Nummer 118965123
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|18|370|376|Leopold, Großherzog von Baden|Friedrich von Weech|ADB:Leopold (Großherzog von Baden)}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118965123}}    

Leopold, Großherzog von Baden, geb. zu Karlsruhe am 29. August 1790, gest. daselbst am 24. April 1852, war der älteste Sohn aus der zweiten Ehe des Großherzogs Karl Friedrich von Baden mit der Reichsgräfin von Hochberg (s. d. Art. Karl Friedrich, Großherzog von Baden). Bis in das reifere Jünglingsalter ohne Aussicht den Thron zu besteigen, genoß er eine sorgfältige Erziehung zunächst für den militärischen Beruf, zu dem ihn seine Neigung und der Wunsch seines Vaters bestimmte. Doch wurde daneben die Pflege allgemeiner wissenschaftlicher Bildung nicht vernachlässigt, insbesondere während eines im J. 1809 beginnenden Besuches der Universität Heidelberg den Staatswissenschaften eingehende Aufmerksamkeit zugewandt. Nachdem Graf Leopold von Hochberg auf ausgedehnten Reisen seinen Gesichtskreis erweitert hatte, übernahm er während des Krieges der Verbündeten gegen Napoleon ein Commando in dem badischen Truppencontingente und wohnte den Kämpfen von Bar und Arcis sur Aube sowie vor Paris bei: nach dem Einzug in die französische Hauptstadt ernannte ihn sein Neffe, Großherzog Karl, zum Generalmajor. Auf dem Wiener Congreß gehörte der Graf von Hochberg zu jenen Personen, mit denen sich der Freiherr vom Stein in Beziehung setzte, um sich über die badischen Verhältnisse zu unterrichten und mit einiger Aussicht auf Erfolg die Ertheilung einer Verfassung für das Großherzogthum Baden zu betreiben. Die Kränklichkeit des Großherzogs Karl, der Tod seiner beiden Söhne im zartesten Alter, sowie die Kinderlosigkeit der Agnaten des in Baden regierenden Hauses veranlaßten, daß – den bei seiner zweiten Vermählung von Karl Friedrich getroffenen hausgesetzlichen Bestimmungen gemäß – Graf Leopold von Hochberg und seine zwei jüngeren Brüder am 4. Oct. 1817 zu Prinzen und Markgrafen von Baden erklärt wurden. Diese Declaration erhielt demnächst die Zustimmung und Gewährleistung Seitens der europäischen Mächte. Am 25. Juli 1819 vermählte sich L. mit der Prinzessin Sophie, Tochter des vertriebenen Königs Gustav IV. [371] von Schweden und der Königin Friederike, einer geborenen badischen Prinzessin, Enkelin Karl Friedrichs. Während der Regierung des Großherzogs Ludwig, seines Halbbruders (1818–1830) lebte L. sehr zurückgezogen, mit Eifer und Erfolg der Beförderung der Landwirthschaft sich widmend, indem er an dem öffentlichen Leben keinen weiteren thätigen Antheil nahm als soweit seine verfassungsmäßige Mitgliedschaft der ersten Kammer es ihm vorschrieb. Als L. nach dem Tode des Großherzogs Ludwig (30. März 1830) die Regierung antrat, kam ihm die Liebe und das Zutrauen des badischen Volkes um so mehr entgegen, als es wohl bekannt war, daß er die Abneigung dieses Regenten gegen das constitutionelle System nicht theilte, vielmehr entschlossen war, nach Wort und Geist die Verfassung treu zu befolgen. Die erste Epoche seiner Regierung fiel mit den durch die Julirevolution verursachten Bewegungen, die alle europäischen Länder ergriffen, zusammen. Die Wahlen zum Landtag des J. 1831, nach dem ausdrücklichen Willen des Fürsten frei von jeglicher Beeinflussung Seitens der Regierung, ergaben eine fast ausnahmslos dem Liberalismus huldigende zweite Kammer und auch die erste Kammer entzog sich den Einwirkungen der allenthalben herrschenden Strömung nicht. L. entließ außer dem vertrauten und einflußreichen Rathgeber seines Vorgängers, dem Major und Flügeladjutanten v. Hennenhofer, auch die der liberalen Richtung im Staatsleben schroff entgegentretenden Minister v. Berstett und v. Berckheim und berief an die Seite des constitutionell gesinnten Finanzministers von Böckh liberal denkende Männer, wie Winter, v. Weiler, v. Türckheim in den Rath der Krone. Eine der ersten Vorlagen, die Großherzog L. dem Landtag zugehen ließ, war die Wiederherstellung der von seinem Vorgänger und dem dessen Tendenzen sich gefügig zeigenden Landtag von 1825 abgeänderten Bestimmungen der Verfassungsurkunde. Ihr folgte der Entwurf einer Gemeindeordnung, der auf so modernen Grundlagen aufgebaut war, daß die Principien dieses Gesetzes noch heute die Basis der einschlägigen badischen Gesetzgebung bilden, sodann eine bürgerliche Proceßordnung mit Oeffentlichkeit des Verfahrens, ein Gesetzentwurf betr. die Aufhebung der Staatsfrohnden. Aus der Initiative der zweiten Kammer, die verfassungsmäßig in sogenannten „Motionen“ zum Ausdruck kam, ging ein Preßgesetz hervor, welches die badische Presse von allen Schranken befreite, mit denen sie bisher durch Bundes- und Landesgesetze umgeben gewesen war. Die badische Regierung und Großherzog L. selbst verhehlten sich die mancherlei Bedenken nicht, welche gegen ein so radicales Vorgehen erhoben werden konnten, allein das Drängen der von Frankreich und der Schweiz aus lebhaft erregten öffentlichen Meinung des Landes, zu deren beredten Organen Männer wie v. Rotteck, Welcker, v. Itzstein gehörten, war so gewaltig, daß man durch Oeffnung dieses Ventils weitergehenden Forderungen des Liberalismus entgegentreten zu können vermeinte. Zunächst war es auch nicht etwa der Mißbrauch der also gewährten Freiheit, wodurch Schwierigkeiten entstanden, sondern das Einschreiten des Bundestags und der österreichischen Regierung. Wie ungern auch die badische Regierung sich dazu entschloß, ein eben erst mit ihren Kammern vereinbartes Gesetz wieder außer Wirksamkeit zu setzen, wie sehr sich auch der Großherzog L. persönlich gegen diese Zumuthung sträubte, deren Abwendung er sogar durch Entsendung eines Gesandten ad hoc an den Kaiser von Oesterreich (den Freiherrn v. Falkenstein) zu erreichen versuchte, dem Willen des Bundestags und des Fürsten Metternich mußte gehorcht werden. Am 28. Juli 1832 wurde das am 24. Decbr. 1831 erlassene Preßgesetz für unwirksam erklärt. Trotzdem bemühten sich die Führer der liberalen Partei eine möglichst freie Bewegung für die Presse zu erhalten und setzten eifrig und ziemlich rücksichtslos ihren Kampf gegen die Bundestagspolitik, namentlich gegen die Bundesbeschlüsse von 1832, welche sich im wesentlichen als eine Erneuerung [372] der Karlsbader Beschlüsse darstellten, fort. Die Regierung war nach Lage der Dinge genöthigt, gegen ein solches Auftreten ernste Maßregeln zu ergreifen. Die liberalen Preßorgane wurden confiscirt und unterdrückt, die Universität Freiburg wurde vorübergehend geschlossen, die wegen ihrer liberalen Agitation mißliebigen Professoren Rotteck und Welcker, welche zu dieser Verfügung den Anlaß gegeben hatten, wurden in den Ruhestand versetzt. Unter solchen Umständen fehlte dem im J. 1833 wieder zusammentretenden Landtag die Arbeitsfreudigkeit und Zuversicht seines Vorgängers. An die Stelle der Reden, in denen 1831 die neu anbrechende Aera begrüßt worden war, traten jetzt Rechtsverwahrungen und Klagen. An die bedeutenden gesetzgeberischen Pläne erinnerte nur noch das in seinen Folgen allerdings hochwichtige Zehntablösungsgesetz. Dem nächsten Landtage (1835) ließ Großherzog L. eine Vorlage über Badens Beitritt zu dem großen deutschen Zollverein zugehen. Sie wurde von den Liberalen mit Entschiedenheit bekämpft, weil sie von diesem Anschluß eine dem Liberalismus gefährliche Einwirkung Preußens auf die inneren Verhältnisse Badens fürchteten und mit verschwindenden Ausnahmen (zu denen der spätere Minister Mathy gehörte) für die große wirthschaftliche Bedeutung dieses Anschlusses schlechthin kein Verständniß hatten. Für den Großherzog L. selbst hatten die Verhandlungen über Badens Beitritt zum Zollverein noch weitere Wichtigkeit, weil bei denselben die Zwistigkeiten mit Baiern unter Preußens Vermittelung ihren endgiltigen Abschluß fanden. Aus alten Erbverträgen und aus einem Paragraphen des Friedensvertrages von Ried hatte Baiern Ansprüche auf badische Gebietstheile abgeleitet und sich außerdem der Successionsfähigkeit der Söhne aus Karl Friedrichs zweiter Ehe möglichst lange widersetzt. Erst die bei dem erwähnten Anlaß von dem Minister v. Böckh in Berlin geführten Unterhandlungen befreiten den Großherzog von der Sorge, welche ihm die unfriedliche Nachbarschaft Baierns verursachte, gegen dessen bedrohliche Haltung bei seinem Regierungsantritt sogar militärische Maßregeln hatten ergriffen werden müssen. Aber eine andere und nicht weniger schwere Sorge erwuchs dem Fürsten aus dem Gebahren der liberalen Partei seines Landes in und außerhalb der Kammer. Diese setzte sich sowohl bei Berathung der Regierungsvorlagen als auch bei der selbständigen Anregung von Anträgen, unter fortwährenden Beschwerden gegen den Bundestag und einzelne Bundesstaaten in eine schroffe Opposition zur Regierung, und der von ihr theils aufgenommene theils angesponnene Kampf wurde um so schärfer, je mehr er sich von dem Gebiet der unmittelbaren Landesangelegenheiten auf jenes der politischen Principienfragen hinüberspielte. Die Verhandlungen über Preßfreiheit, über den Schutz der hannoverschen Verfassung, über die Ausdehnung der Oeffentlichkeit der landständischen Debatten nahmen oft einen höchst leidenschaftlichen Charakter an, und den scharfen Worten, die auf der Tribüne fielen, wurden von dem Ministertisch nicht minder scharfe Antworten zu Theil. Insbesondere trug die streitbare Gesinnung des zum Minister der auswärtigen Angelegenheiten berufenen seitherigen Bundestagsgesandten Frhr. v. Blittersdorff zur Verschärfung der Gegensätze bei. Seine entschiedene Vertretung der am Bundestag und in der österreichischen Staatskanzlei herrschenden Grundsätze sowie seine offenkundige Feindschaft gegen den Liberalismus in allen seinen Schattirungen reizte die badischen Liberalen zu immer entschiedenerer Hervorkehrung ihrer oppositionellen Tendenzen. Blittersdorff stellte sich mit ganz klarem Bewußtsein seines Thuns, eine jede Verständigung vereitelnd, zwischen den wohlwollenden, friedliebenden Großherzog L. und sein im großen Ganzen damals noch durchaus treues und loyales Volk. Aus dieser Stellung des Ministers v. Blittersdorff erwuchs eine ernste Gefahr, als die letzte Schranke, welche seinem eigenmächtigen [373] Vorgehen gezogen war, mit dem Tode des Ministers Winter (26. März 1838) fiel. Dieser begabte und thatkräftige Staatsmann hatte in gleich hohem Grade das Vertrauen und die Zuneigung des Großherzogs L. wie die Hochachtung und Ergebenheit des badischen Volkes besessen. Seiner Erziehung und Gewöhnung nach ein Staatsbeamter der alten Schule, dem Regenten unbedingt ergeben, entschlossen die Staatsordnung gegen jeglichen Angriff zu schirmen, war er gleichzeitig ein streng constitutionell gesinnter und überzeugungstreuer Politiker. Ohne Sympathie für die liberalen Forderungen dachte er doch keinen Augenblick daran, ihnen anders als auf dem Boden der Verfassung entgegenzutreten. Mit seinem Tode begann eine Reihe verhängnißvoller Maßregeln der Regierung, zu deren Duldung Herr v. Blittersdorff den Großherzog L. zu überreden wußte. Es war eine eigenthümliche Fügung, daß den Minister Winter der plötzliche Tod (durch einen Schlagfluß) am Abend desselben Tages ereilte, an welchem der Landtag geschlossen wurde, der die erste Eisenbahn in Baden zu bauen beschlossen hatte. So starb der Vertreter des Regimes der guten alten Zeit, er selbst ein den besten Staatsmännern der Epoche Karl Friedrichs ebenbürtiger Erbe der patriarchalisch-absolutistischen Regierungsmethode, gewissermaßen typisch an der Schwelle einer neuen Periode des Staatslebens. Mit dem Minister Winter verloren in erster Reihe die Staatsbeamten ihren Schutz, welche, an ältere Traditionen anknüpfend, geglaubt hatten, daß die auf dem Boden des Gesetzes sich bewegende Bethätigung ihrer politischen Ueberzeugung mit ihrem Berufe nicht unvereinbar sei. Herr v. Blittersdorff bestritt dieses Recht, indem er in und außer dem Amt die volle Kraft des Beamten für die Politik der Regierung und für die Durchführung jeder Regierungsanschauung in Anspruch nahm. Von diesem Gesichtspunkte ausgehend, verweigerte er den liberalen Beamten bei Beginn des Landtags von 1844 den Urlaub zum Eintritt in die Kammer. Damit beschwor er nicht nur einen formalen Verfassungsconflikt herauf, sondern er beraubte auch die Regierung durch die dem gesammten einflußreichen Beamtenstand, welchen Gesinnung und Gewohnheit, wie Familienverbindungen mit dem besseren Bürgerstande in mannichfacher Weise auf das Engste verknüpften, zugedachte Herabsetzung seiner Stellung im öffentlichen Leben der festesten Stütze. Den Großherzog L. vermochte Blittersdorff durch seine ebenso geistreichen als sophistischen Deductionen dazu, die ungesetzliche und unzweckmäßige Maßregel durch ein persönliches Eintreten für dieselbe zu decken. Dies geschah durch ein von keinem Minister gegengezeichnetes Manifest, welches die Urlaubsverweigerung rechtfertigen sollte, die „Verirrung“ der zweiten Kammer und ihr „wohl nur auf mißverstandener Consequenz beruhendes Festhalten an einmal gefaßten Beschlüssen“ beklagte und schließlich alle Unterthanen, insbesondere die Staatsdiener aufforderte, in dieser Sache die Rechte des Regenten anzuerkennen. Damit war die Person des Landesherrn selbst unmittelbar in den Conflikt hereingezogen. Jede Niederlage, die in dessen weiterem Verlauf die Regierung erlitt, wurde damit zu einer persönlichen Niederlage des Großherzogs. Und daran sollte es nicht fehlen. Als die zweite Kammer das Manifest für verfassungswidrig erklärte, wurde sie aufgelöst, die Neuwahlen ergaben nicht nur eine erhebliche Verstärkung der liberalen Partei durch Wiederwahl ihrer seitherigen Mitglieder, sondern auch eine sehr bald fühlbare Verschiebung nach links durch den Hinzutritt einer Anzahl neuer Abgeordneten von entschieden radicaler Gesinnung. Dem schroffen Auftreten dieser Männer gegenüber wollte Blittersdorff die Stellung der Regierung dadurch festigen, daß den Kammern nur das Budget vorgelegt und jede auf andere Gegenstände bezügliche Discussion schlechthin vermieden werde. Käme es dann zu einem Bruch mit den Ständen, so gedachte er an den Bund zu appelliren und darauf hinzuarbeiten, die bestehende Verfassung als unvereinbar [374] mit dem monarchischen Princip und mit dem Bundesrecht hinzustellen und sie, mit Unterstützung des Bundes und der deutschen Großmächte durch ein abgeändertes, seinen Tendenzen entsprechendes Staatsgrundgesetz zu ersetzen. Hatte er dabei, wie er es ja, um seines Erfolges sicher zu sein, mußte, auf die Zustimmung des Großherzogs gezählt, so hatte er die nüchterne und gewissenhafte Denkungsart des Fürsten nicht in Rechnung gezogen. So wenig Großherzog L. die liberalen Forderungen sympathisch waren, so dachte er doch keinen Augenblick daran, die Verfassung anzutasten. Damit, daß, wie Blittersdorff’s Collegen im Ministerium, so auch Großherzog L. seine Projecte durchschaute und verwarf, war seine Stellung unhaltbar geworden, er kehrte als Gesandter an den Bundestag zurück und der bisherige Bundestagsgesandte v. Dusch nahm seine Stellung als Minister der auswärtigen Angelegenheiten ein. Aber die Saat, die er ausgestreut, wucherte unter dem Einfluß der Zeitströmung wie eitel Unkraut. Den Radicalen waren der Vorwände genug geboten, das Volk vor beabsichtigten Angriffen auf seine verbürgten Freiheiten und Rechte zu warnen, die gemäßigt Liberalen waren nach oben wie nach unten discreditirt, die Staatsbeamten waren verstimmt, unmuthig und mißtrauisch gemacht. Kurz, einer drohenden Zersetzung aller bestehenden Verhältnisse gegenüber fehlte es an dem Zusammenhalt und der Organisation der Elemente des Widerstandes. Das durch gemäßigt liberale Elemente, wie den mehrjährigen Kammerpräsidenten Bekk, einen der bedeutendsten Juristen des Landes (s. d. Art.) ergänzte streng constitutionell gesinnte Ministerium fühlte sich unsicher gegenüber den täglich mit neuer Kraft wiederholten Angriffen der Radicalen. Immerhin begann, als man sich erst von dem festen Willen des Landeshern und seiner Räthe überzeugt hatte, den Anforderungen der Zeit gegenüber sich nicht schlechthin ablehnend zu verhalten, eine günstigere Stimmung für die Regierung geltend zu machen. Nach stürmischen Landtagen, auf denen indeß doch eine Reihe wichtiger Gesetze, wie ein neues Strafgesetzbuch, Strafprozeß und Gerichtsorganisation zu Stande gekommen waren, eröffneten die Wahlen zum Landtag des Jahres 1847 die Aussicht auf einen ruhigen Fortgang der Arbeiten, als die urplötzlich hereinbrechende Bewegung des Jahres 1848 auf einmal Alles in Frage stellte. Aber gerade hier zeigte sich die wohlthätige Wirkung der vom Großherzog L. gegenüber den früheren Aspirationen Blitterdorff’s, die von einflußreichen Personen am Hofe unterstützt worden waren, eingenommenen Haltung. Der Sturm, der in fast allen andern deutschen Staaten im März 1848 die den Liberalen verhaßten Ministerien umstürzte, machte Halt vor dem Ministerium Bekk, und die aufgeregte Masse ließ sich durch die vom Großherzog L. den Märzunruhen gegenüber gemachten Zugeständnisse beruhigen, weil sie die Ueberzeugung gewann, daß sie aufrichtig gemeint waren. Dann freilich, als fast wider Erwarten dieser erste Sturm so glücklich abgewiesen war, hätte es gegolten, weiteren Anforderungen der radicalen Partei ein entschiedenes Nein entgegenzurufen und die Position der Regierung, wie sie nun einmal war, gegen jeden weiteren Angriff zu schützen. Da durfte die Regierung, wo es noth that, auch vor Gewaltmaßregeln nicht zurückschrecken, und wo es sich um die Existenz des Thrones handelte, nicht erst in gleichsam akademischer Weise jedes Vorgehen auf seine Gesetzlichkeit prüfen. Solcher Art mußte der Radicalismus immer mehr Fortschritte machen und wie die noch auf dem Boden der Reform stehende Bewegung von 1848 vor der Ehrlichkeit der Regierung Halt gemacht hatte, schritt die Revolution des Jahres 1849 über die Schwäche derselben Regierung zu ernsterem und nachhaltigem Widerstand, zum Umsturz aller bestehenden Ordnung fort. Das ganze Land war mit einem Netz radicaler Vereine überzogen, die Jugend war vollständig für die radicalen Ideen gewonnen und mit jedem in die Armee eingestellten neuen Rekruten wurde dieser ein weiteres Element der Zersetzung zugeführt. Der Anfang [375] vom Ende war der Ausbruch einer Militärmeuterei in Rastatt, die sich in ihren Wirkungen alsbald auch in den übrigen Garnisonen fühlbar machte. Am 13. Mai 1849 sah sich Großherzog L. genöthigt, mit seiner Familie die Residenz zu verlassen und unter Bedeckung einer Abtheilung Dragoner und Artillerie nach Germersheim zu flüchten, von wo er sich hierauf zuerst nach Mainz, dann nach Frankfurt begab. Mit entschiedener Gutheißung der nationalen Ziele der Bewegung von 1848, hatte Großherzog L. die Reichsverfassung wie sie aus den Beschlüssen des Frankfurter Parlamentes hervorgegangen war, anerkannt. Nun ward eben diese Reichsverfassung das Panier, das für jeden weiteren Fortschritt der Anarchie im badischen Lande den Vorwand bot. Unter dem Vorgeben, daß es gelte die Reichsverfassung durchzuführen, constituirte sich eine republikanisch gesinnte Landesversammlung und ein an die Stelle der Regierung des Großherzogs tretender Landesausschuß. Bei der Auflösung aller geordneten Gewalten blieb dem Großherzog L. nichts übrig, als die Hülfe des Königs von Preußen anzurufen und durch dessen Truppen die Ordnung in seinem Lande wiederherstellen zu lassen. Unter dem Oberbefehl des Prinzen von Preußen warfen die preußischen Truppen die Aufständischen aus allen ihren Positionen, zuletzt auch aus der mit vieler Energie vertheidigten Festung Rastatt. Am 18. August 1849 konnte Großherzog L. wieder in sein Land zurückkehren, von dem größten Theil seiner Unterthanen, die über die Befreiung von dem Terrorismus der Revolution jubelten, freudig begrüßt. Die Bestrafung der während des Aufstandes der Strafjustiz verfallenen Unterthanen überließ Großherzog L. der preußischen Armee. – Nunmehr galt es, die Ordnung im Lande wiederherzustellen. Nachdem der Großherzog schon in Mainz sein Ministerium entlassen hatte, berief er nun Männer von entschieden conservativer Gesinnung (Klüber, Regenauer, v. Stengel, v. Roggenbach, v. Marschall) in den Rath der Krone, deren Thätigkeit, undankbar scheinend soweit der Augenblick in Betracht kam und doch von tief eingreifender Bedeutung für die Zukunft des Landes, sich nun darauf zu richten hatte, die vielen Schäden wieder gut zu machen, welche die revolutionäre Episode angerichtet hatte. Daß dies in wohlwollender, wenn auch entschieden eingreifender Weise und ohne jede Aenderung an den Bestimmungen der Verfassungsurkunde geschah, entsprach dem bestimmt ausgesprochenen Willen des Großherzogs. Besonders wichtig war die Wiederaufstellung des Armeecorps, welches, während preußische Truppen das Land besetzt hielten, in preußische Garnisonen verlegt wurde. Die rasche Erledigung dieser bedeutenden Aufgabe war das Verdienst des Kriegsministers von Roggenbach. Die für das Verbleiben der badischen Regimenter in Preußen bestimmte Zeit wurde durch die politischen Verhältnisse erheblich abgekürzt. Nachdem die Union, der auch Baden beigetreten war, aufgegeben worden und über die weitere Gestaltung der deutschen Verhältnisse ein offener Conflict zwischen Preußen und Oesterreich ausgebrochen war, wurden angesichts eines drohenden Krieges, die preußischen Truppen aus Baden zurückberufen, worauf auch die badischen Truppen in die Heimath zurückkehrten. Als bald darauf nach Beendigung der in Dresden stattgefundenen Ministerconferenzen die Wiederherstellung des Bundestags stattfand, hatte die Regierung des Großherzogs L. einen harten Kampf zu bestehen, um gegenüber den Bestrebungen einiger Bundesregierungen, Baden in eine untergeordnetere Stellung im Bunde herabzudrücken, diesem Lande seine frühere Stellung zu sichern. – Die Aufregungen der Revolutionszeit und der Kummer über die betrübenden Erfahrungen, die ihm damals zu machen beschieden war, hatten die Gesundheit des Großherzogs L. untergraben. Im December 1851 erkrankt, schien er sich wieder zu erholen, bald aber trat ein Rückfall ein, dem er am [376] 24. April 1852 erlag, nachdem er am 21. Februar die stellvertretende Sorge für die Regierung seinem zweiten Sohne, dem jetzigen Großherzog Friedrich übertragen hatte, da der älteste seiner vier Söhne durch unheilbares Siechthum an der Uebernahme der Regierung gehindert war. – Unter der Regierung des Großherzogs L. ist Baden erst thatsächlich unter die constitutionellen Staaten eingetreten und hat in rascher Entwickelung bedeutende politische Wandelungen erlebt. Vortrefflich verwaltet, bei musterhafter Ordnung der Finanzen, war Baden unter Leopolds Regierung nicht minder als durch verständnißvolle Pflege der materiellen Interessen (Anschluß an den Zollverein, Bau von Eisenbahnen und Kunststraßen, Pflege der Gewerbe, insbesondere im Schwarzwald, und der Landwirthschaft) auch durch die Sorge für die Entfaltung regen Geisteslebens (Universitäten, Gründung des Polytechnikums, Bau der Gemäldegallerie und des Hoftheaters in Karlsruhe) ausgezeichnet. Aus seiner Ehe mit der Großherzogin Sophie, welche ihrem Gemahl am 6. Juli 1865 im Tode folgte, hatte Großherzog L. Kinder: 1) Großherzog Ludwig II., der ihm nominell in der Regierung folgte, wegen unheilbarer Krankheit aber durch seinen Bruder als Regent vertreten wurde († am 22. Januar 1858); 2) den jetzigen Großherzog Friedrich; 3) Prinz Wilhelm; 4) Prinz Karl; 5) Prinzessin Alexandrine, vermählt mit dem Herzog Ernst von Sachsen-Koburg-Gotha; 6) Prinzessin Marie, vermählt mit dem Fürsten Ernst zu Leiningen; 7) Prinzessin Cäcilie (Olga), vermählt mit dem Großfürsten Michael von Rußland.

Schöchlin, Geschichte des Großherzogthums Baden unter der Regierung des Großherzogs Leopold, Karlsruhe 1855.