Zum Inhalt springen

ADB:Liezen-Mayer, Alexander von

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Liezen-Mayer, Alexander von“ von Hyacinth Holland in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 51 (1906), S. 709–715, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Liezen-Mayer,_Alexander_von&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 12:03 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Liebrecht, Felix
Nächster>>>
Lilie, Dietrich
Band 51 (1906), S. 709–715 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Alexander von Liezen-Mayer in der Wikipedia
Alexander von Liezen-Mayer in Wikidata
GND-Nummer 117004375
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|51|709|715|Liezen-Mayer, Alexander von|Hyacinth Holland|ADB:Liezen-Mayer, Alexander von}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=117004375}}    

Liezen-Mayer: Alexander von L.-M., Historienmaler, geboren am 24. Januar 1839 zu Raab in Ungarn, † am 19. Februar 1898 in München, zeigte früh ein lebendiges Interesse für Pferde, Soldaten und Waffen, ohne jedoch bis zu seinem elften Jahre eine merkliche Vorliebe für das Zeichnen zu äußern. Erst das Zusammentreffen mit einem Zimmer- und Decorationsmaler [710] weckte den schlummernden Farbensinn, worauf ein Oheim des Knaben rechtzeitig eingriff und denselben 1855 nach Wien und auf die Akademie brachte, wo C. Meier, der vielseitige Karl v. Blaas (1815–94) und der gewandte J. N. Peter Geiger (1805–80) als die ersten Lehrer den Sinn zum historischen Gebiete weckten und nährten. Nach anderthalbjähriger Schulung wagte sich L. nach München, wo der Unterricht erst recht systematisch begann. Da wurde bei J. G. Hiltensperger (1806–90) feierlich nach der Antike gezeichnet und bei Herm. Anschütz (1802–80, s. A. D. B. XL, 16) ein paar Jährchen langsam gemalt, bis schließlich Karl v. Piloty’s (1826–86) coloristischer Zauber den strebsamen Scholaren in das rechte Fahrwasser bugsirte. Piloty’s virtuose Begabung, jedes Thema als Farbenproject zu denken und dann in möglichst dramatisch-wirksamen Effect zu bringen, machte sich L. schnell zu eigen und damit die ganze Licht- und Schattenseite dieser zu theatralischem Pathos neigenden Schule. L. wählte seine Stoffe klüglich aus der Geschichte seines Vaterlandes, wobei edle und schöne Frauengestalten eine besondere Rolle spielen. Sein erstes Bild schilderte die verdrängte Königin Maria von Ungarn, welche mit ihrer Mutter Elisabeth in der Grabcapelle ihres Vaters Ludwig d. G. († am 31. Dec. 1385) gezwungen der Krönung des Usurpators Karl Durazzo im Dome zu Stuhlweißenburg zuschaut; während die Tochter mit ihren Thränen den Sarkophag bethaut, blickt die Königin-Mutter empört und rachesinnend in das sich im hohen Chor abspielende Prunkfest. Der Maler hatte mit kluger Berechnung das für seine Zwecke Brauchbare aus der sehr unsympathischen Historie losgelöst und zurechtgelegt, nur hielt er sich in der Kostümfrage zu ängstlich an die den Pilotyanern überhaupt geläufige unhistorische Willkür, so daß die Scene ebensowol um drei Jahrhunderte später gespielt haben könnte, wie denn mit diesen, gewiß nicht unberechtigten Factoren die ganze Schule ihrem gar nicht rigorosen Meister folgte, als wenn ein Kostümforscher à la Hefner von Alteneck gar nicht existirt hätte. Das von Graf Karoly erworbene Bild machte in Ungarn geradezu auch in der Presse Furore (vgl. Wurzbach’s Lexikon 1866, XV, 299) und begründete den Namen des Malers. Die darauf folgende „Heiligsprechung der Landgräfin Elisabeth von Thüringen“ (angekauft von W. H. Maxwels Blews in Birmingham) – veranlaßt durch eine akademische Concurrenz, wobei L. die erste silberne Medaille erhielt – laborirte an derselben Opernhaftigkeit, noch mehr die späteren Scenen zu Scheffel’s „Ekkehard“, wobei der ärgerliche Lapsus nur um so fühlbarer hervortrat. Doch bewies L. mit den gleichzeitigen Alexander Wagner und H. Makart, daß sie jenes offenkundige Geheimniß von Piloty’s Palette völlig erfaßten. Dasselbe bewährte sich mit hinreißender Liebenswürdigkeit in koketten Porträts und genrehaften schönen Mädchenköpfen, z. B. in dem süßen Zauber von „Demaskirt“. Den glücklichsten Wurf that L. mit dem großen Genrestück, wie die „Kaiserin Maria Theresia im Garten zu Schönbrunn“, dem Kind einer armen Bettlerin Nahrung reicht. Ihre mütterliche Theilnahme entflammte nicht allein den österreichischen Patriotismus, sondern elektrisirte geradezu die weitesten Kreise. Der Maler zeigt die in ganzer Jugendschöne im Garten zu Schönbrunn lustwandelnde kaiserliche Frau, welche im Gefühl des Mutterglücks – die gravitätisch nachfolgende Bonne trägt den kleinen, wickelkindmäßig eingebundenen Kronprinzen Joseph – plötzlich eine arme Frau gewahrt, die, vor Schmerz, Gram und Elend zusammengebrochen, den Hunger ihres wimmernden Kindes nicht zu stillen vermag. Der herzzerreißende Anblick läßt die Kaiserin, die selbst ein Kind gleichen Alters und für dasselbe so reichliche Nahrung besitzt, keinen Augenblick zaudern; sie legt den armen Wurm an ihre eigene Brust und schaut mit lebhafter Befriedigung [711] auf das sichtlich erquickte kleine Wesen. Dazu die herrliche, hohe Frau in einer Robe von Silberbrokat und blauer Seide, blitzende Diamanten und Perlenschnüre im gepuderten Haar, in dem lieblich kühlen, still lauschigen Raume. Das allgemein Menschliche, welches gerade in oder trotz solcher hoheitsvollen Erscheinung doppelmächtig ans Herz greift und hier in virtuoser Technik verherrlicht an den Tag tritt, schlug siegreich durch. Von Albrecht Schultheiß (geboren am 7. Februar 1823 in Nürnberg) trefflich gestochen (vgl. Lützow’s Zeitschr. 1867, S. 97; als Holzschnitt im „Daheim“ 1868, S. 237) und photographisch vervielfältigt, trug dieses Bild den Namen Liezen-Mayer’s in die weite Welt. Der dadurch gewonnene Ruhm glänzte natürlich auch auf seinen Lehrer zurück, dessen Schule L. 1867 verließ, um in echter, dankbarer Freundschaft dem Meister eingedenk zu bleiben. Vor seinem Abgang aus der Akademie malte L. mehrere Bildnisse, darunter das seiner Mutter, dann des damals schon hohe Achtung genießenden gleichstrebenden treuen Freundes und Landsmannes Alexander Wagner (geboren am 16. April 1838 zu Pesth, seit 1866 Akademieprofessor in München) und des Bischofs Simor von Raab, nachmals Cardinal und Fürstprimas von Ungarn, der immerdar die Maler mäcenirte. Kurz vorher schuf L. eine große, flott behandelte, die „Heimkehr von der Jagd“ darstellende Wanddecoration für den Speisesaal eines russischen Fürsten (mit Beihülfe von Alex. Wagner, welcher die Partie mit dem erlegten Edelwild übernahm) und den phantastischen Vorhang für das neue „Volkstheater am Gärtnerplatz“, eine umfangreiche Leistung, wobei abermals A. Wagner assistirte.

Hatte sich L. als Maler glänzend bethätigt, so ließ er nun seiner Phantasie die Zügel schießen mit einer stattlichen Reihe von Illustrationen zu Schiller, Goethe und Shakespeare, welche in Stich, Photographie und Holzschnitt erschienen. Diese Projecte wurden jedoch theilweise verzögert durch einen Ruf nach Wien, um von seinem Landesherrn, dem Kaiser, ein Bildniß zu entwerfen; daran schlossen sich viele andere ähnliche Bestellungen, welche den Künstler fast zwei Jahre in Oesterreich-Ungarn in Anspruch nahmen. Dann aber heirathete er zu München 1872 eine kleine, niedliche Amerikanerin, eine wahre „fairylike Lady“; getragen von Glück und Ruhm nahm seine künstlerische Thätigkeit neuen Aufschwung: zahlreiche Schüler und Schülerinnen fanden sich ein, L. wurde der verehrte und umschwärmte Mittelpunkt einer kleinen, höchst originellen und gewählten Malerakademie, deren nicht selten den höchsten Lebensstellungen angehörige Mitglieder mit der größten Begeisterung an ihrem Lehrer hingen und im edlen Wetteifer alles daransetzten, ihrem Meister Ehre zu bereiten. Sein eigenes Schaffen litt darunter nicht, seine Arbeitskraft schien nur noch höher zu steigen. So entstand, gleichsam als Programm für den folgenden „Faust-Cyklus“ ein aus der Kirche kommendes „Gretchen“ (Stich von Cottin), ein Mädchen in sogenannter altdeutscher Tracht „Auf dem Friedhof“, die beiden Capitalbilder „Imogen und Jachimo“ zu Shakespeare’s „Cymbeline“ und die das Todesurtheil der Maria Stuart unterzeichnende „Königin Elisabeth“. Ersteres gehört zu der bei Grote in Berlin edirten Shakespeare-Galerie (als Holzschnitt in Nr. 1540 d. Illustr. Zeitung, Leipzig, 60. Bd., 1873); L. wählte die Scene, wo der wie ein Geist der seinem Versteck entsteigende Jachimo die Armspange der schlafenden Imogen zu entwenden trachtet. In wirksamster Weise gelang dem Künstler das Unheimliche der ganzen Situation „durch das Helldunkel der nächtlichen Beleuchtung und das Vampyrartige im Auftreten Jachimo’s, daß in einem gräßlich schönen Gegensatz zu der des Frevels unbewußten, im süßen Schlafe ruhenden Unschuld, in einem durch effectvolle Beleuchtung abgeschlossenen Ganzen [712] darzustellen“. Die „Königin Elisabeth“ (ein lebensgroßes Oelbild) war in jenem, dem Unterschreiben des Todesurtheils ihrer Rivalin vorangehenden inneren Kampf und Erwägen aufgefaßt; in unheimlichem Brüten greift sie nach dem entscheidenden, lebenvernichtenden Kiel. Die hastende Angst in dem scharfgeschnittenen, in Wahrheit damals schon hageren und scharfen, hier aber etwas zu jugendlichem Gesicht, war energisch wiedergegeben. Alles Beiwerk, der Tisch mit dem Teppich, der Leuchter mit den abgeträuften Kerzen und die officielle Pergamentrolle, an einem Finger der Linken der sogar plastisch herausknallende Ringstein, Schmuck und Kostüm, die Schleppe daran – Alles war bis ins kleinste Detail raffinirt wiedergegeben – aber im herkömmlich modernen Theaterstil, welcher von den doch einzig maßgebenden hochofficiellen Charakterbildern eines Lucas de Meere oder Federigo Zucchero nicht eine blaßeste Ahnung hatte.

Inzwischen saß L. schon lange über dem „Faust“. Es gehörte die Kühnheit und Energie der Jugend dazu, ein solches Beginnen zu wagen, den Wettkampf mit allen Vorgängern aufzunehmen, zumal in der Zuversicht, fortwährend neu und originell zu bleiben! Und das Unglaubliche gelang. Die grandiosen Compositionen von Peter Cornelius, Engelbert Seibertz’ (geb. am 21. April 1813, † am 2. Oct. 1905; sein Werk erschien 1848–52 bei Cotta) und August v. Kreling’s (s. A. D. B. XVII, 115) anheimelnde Illustrationen drangen nicht in das Volk und wurden nicht so zum Gemeingut wie die Dichtung selbst. L. kleidete das Ganze in jene, dem Publicum durch Gounod’s melodische Opernhaftigkeit näher gerückte kostümirte Bühnensprache, welche vorübergehend sogar eine Goethe’s großes Drama überflügelnde Wirkung übte. L. trat in abgerundeter Geschlossenheit überraschend hervor; zwei Cabinette der Münchener Kunst- und Industrieausstellung 1876 füllten die in langer Arbeit gereiften neuen Erzeugnisse seiner Muse: fünfzig große, durchgebildete Sepiacartons hingen, nur zu nahe zusammengedrückt, an den Wänden. Die Kritik (Fr. Pecht) spendete damals uneingeschränktes Lob. L. gewann an Theodor Ströfer einen muthigen, einsichtigen und betriebsamen, eigens von New-York nach München übersiedelnden Verleger, der keine Kosten scheute, das Werk in prachtvoller Weise zeitgemäß auszustatten: Künstler ersten Ranges, wie E. Forberg, Fr. Ludy, Goldberg, Bankel und J. F. Deininger lieferten die Stiche, indeß die von dem vielseitigen Rudolf Seitz, einem Freunde Liezen-Mayer’s, gezeichneten Arabesken, Ornamente und Initialen in W. Hecht’s xylographischem Atelier meisterhaft geschnitten wurden. Die Ausgabe in Lieferungen begann 1876, bald darauf auch mit französischer, englischer und holländischer Uebersetzung und war, gut vorbereitet, in verhältnißmäßig kurzer Frist vollendet, die Aufnahme aber eine so lebhafte, daß der Verleger nicht nur bald darauf an eine neue, wohlfeile und handsamere Quartausgabe gehen konnte, sondern auch die gleichmäßig ausgestattete Illustrirung des zweiten Theils der großen Tragödie wagte, ein vorher noch unerhörtes Beginnen, welches dem damals noch wenig bekannten Max Klinger anvertraut wurde. L. ging, wie A. Rosenberg sehr richtig betont, „allen Schwierigkeiten aus dem Wege, welche der philosophische Kern der Dichtung seinen artistischen Interpreten bietet; er war kein Gedankenmaler, sondern blieb an der realistischen Schale kleben. Als echter Pilotyaner verwerthete er mit Erfolg die kostümliche Folie und gestaltete manche Scene durch ein reiches Aufgebot von Figuren (so z. B. die herzige Schilderung Gretchen’s von ihrer kleinen Pflegebefohlenen zu einer gerade nicht delikat an Stricken angereihten Wäscheausstellung und Trockenanstalt) zu einem lebhaft bewegten Genrebilde“. Auch war mit der Menge der Bilder auch eine gewisse Manier eingeschlichen: „Alles gleich glatt, elegant [713] und correct, überall mehr die Oberfläche, als das Wesen der Erscheinungen gestreift“ (A. Rosenberg).

Während L. bald mit Scheffel’s „Ekkehard“ – wobei der Maler dem ganzen Habitus des zehnten Jahrhunderts noch weniger gerecht wurde als dem Zeitalter der Königin Elisabeth – oder mit Gustav Freytag’s „Ingo und Ingraban“ (Nr. 1800 Illustr. Zeitung, 29. Dec. 1877, S. 533) ausschließend beschäftigt schien und zwischendurch Porträts malte, wie z. B. jenes geistvolle Bildniß des als Zeichner, Dichter und Musikcomponisten bekannten Franz Grafen v. Pocci (s. A. D. B. XXVI, 331 ff.), entstand schon wieder ein neues Werk: ein Cyklus von zweiunddreißig Bildern zu Schiller’s „Lied von der Glocke“, welche Grau in Grau gemalt, zwei Cabinette füllend, auf der Münchener Internationalen Kunstausstellung 1879 erschienen. Eine Quartausgabe davon, in 13 Stahlstichen und 9 Radirungen von Deininger, Forberg und Fr. Ludy und mit 85 Holzschnitten von W. Hecht und ornamentalen Zeichnungen nach Rudolf Seitz hatte Theodor Ströfer schon seit 1878 vorbereitet. Beide Künstler, L. und Seitz, kleideten das Gedicht in ein heiteres Rococo, wie selbes am Schluß des vorvorigen Säculums florirte. Die ganze Situation entsprach sicherlich der Zeit und dem Vorstellungsvermögen des Dichters, welcher andere Formen für sein unsterbliches „Lied“ schwerlich wünschen mochte. Für L. bot die „Glocke“ eine Reihe von erzählenden, leicht realistisch darstellbaren Motiven, wie die Vorbereitungen zum Guß, die verschiedenen Arbeitsstadien und die Wechselfälle von der Wiege bis zum Grabe. „Während der Dichter den Unterschied der zwei durch die ganze Dichtung so sinnig spielenden Gedankenreihen auch im wechselnden Metrum hervorhob, durch ein schnelleres Trochäenmaß in den Meisterversen und durch eine getragene, bald feierliche, bald stürmisch fortschreitende Jambenmelodie in den Betrachtungen über den Lauf des Menschenlebens, hat sich der Künstler diese feine Unterscheidung selten zu nutze gemacht.“ Er begnügte sich mit der Ausführung von Nebensächlichem, wenn ihm die wenigen Worte „Das Volk der Schnitter fliegt zum Tanz“ Anlaß geben zu dem Genrebilde eines bäuerlichen Reigens, oder wenn er den Vater die „Häupter seiner Lieben“ buchstäblich zählen läßt. Nach Gretchen’s Kinderwaschausstellung wäre wol auch eine Parade der freiwilligen Feuerwehr möglich gewesen. Dergleichen kleine Züge zu bildlichen gerade nicht zwingend nothwendigen Darstellungen zu erweitern, ist jedenfalls eher statthaft als das nüchterne Scholastiziren der die geringsten Nebensächlichkeiten breittretenden Exegeten – eine gelahrte phraseologische Plattköpfigkeit, wozu auch Düntzer, Carriere und Bernays Beispiele lieferten. Dieses unerträgliche Hineingeheimnissen à la Johannes Scherr hat E. L. Rochholz als „Bruder Jonathan“ geistreich persiflirt mit der fingirten, aber glänzend durchgeführten Entdeckung: das „Mädchen aus der Fremde“ sei eine unendlich zarte Huldigung Schiller’s auf – Josephine Beauharnais (die geniale, satirische Farce in E. L. Rochholz’ nicht nach Gebühr beachtetem Buche „Der deutsche Aufsatz“, Wien 1860, S. 287–97).

Natürlich gaben auch einzelne Motive aus anderen Dichtungen Anlaß zu weiteren Bildern, darunter die nicht weiter zu berührende Scene mit der Begegnung der „beiden Königinnen“ zu Schiller’s „Maria Stuart“, ein „Gretchen am Spinnrocken“. Die „Märchen“ (München 1879 bei Ackermann) mit Dornröslein, Rothkäppchen u. s. w. boten nichts Neues.

Mit verschiedenen Reisen nach dem deutschen Norden, nach Paris und Italien hatte L. die Isarstadt kaum auf längere Zeit verlassen, obwol es nicht an verlockenden Einladungen fehlte, welche diese productive, höchst schätzenswerthe Kraft vielfach anderswohin zu ziehen und zu fesseln bezweckten. Er [714] schien für eine außer seiner Berufsthätigkeit liegende Stellung keine Passion zu hegen, ja nicht einmal für Titel und Würden absonderliches Begehren zu empfinden, da er sich mit der Ernennung zum Ehren-Professor an verschiedenen Akademien begnügte. Als aber im Sommer 1880 ein Ruf aus Stuttgart an ihn erging, welcher dem Maler einen gehörigen Wirkungskreis an der dortigen höchsten Kunstanstalt als B. v. Neher’s Nachfolger anbot mit dem dringlichen Begehren, die Verhältnisse vorerst nur in Augenschein zu ziehen, bequemte er sich zu einer kurzen Orientirungsfahrt, von welcher er nicht als Professor, sondern als Director der nach seinen Vorschlägen zu reorganisirenden Akademie zurückkehrte. Seine Bedingungen, Vorschläge und Wünsche hatten ohne Widerstand volle Annahme gefunden. L. vollendete noch drei größere Bilder und übersiedelte auf Umwegen nach Stuttgart, indem er die Anschläge seiner Freunde und Verehrer, welche ihm ein großes Abschiedsfest bereiten wollten, durch eine Reise nach Venedig und Oberitalien vereitelte, von wo er in aller Stille nach seinem neuen Bestimmungsort entwischte: so blieb ihnen nichts übrig, als demselben eine prachtvolle, im reichen Renaissanceschmuck verkapselte, in heiterer, herzlicher Sprechweise abgefaßte Adresse zu bleibender Erinnerung nachzusenden. In Stuttgart malte L. die Bildnisse der kleinen Prinzessinnen Elsa und Olga (Töchter der Wittwe des Herzogs Eugen von Württemberg); ein Porträt der „Philippine Welser“ (als Geschenk König Karl’s an seine Gemahlin) und das große Oelbild der ihren Hermelinmantel an eine arme Wöchnerin verschenkenden „Landgräfin Elisabeth“ (1882 für das Nat.-Museum in Pesth), worin der ganze Aplomb der Schule wieder zum Ausdruck kam. Obwol er sich in seinem Wirkungskreis wohlig acclimatisirte, so folgte L. doch, als Gabriel Max 1883 seine Professur an der Akademie zurückgab, einer Berufung nach München, wozu ihm in der Folge (1893) nach dem Rücktritt von Andreas Müller auch noch die Stelle eines Professors für religiöse Malerei übertragen ward. Im bunten Wechsel von Historie, Bildniß und Genre entstanden allerlei Kinderscenen: „Die erste Liebe“ (Mädchen mit einem Kätzchen, gestochen von Joh. Lindner) und „Erste Freundschaft“ (Knabe mit Hund, in Stahlstich von G. Goldberg), ein zärtlich frugales „Blumenorakel“ und „Aus der ersten Liebe goldener Zeit“ (ein schwebender Friedensgenius besegnet ein holdes Paar); eine Scene „Bei der Toilette“, eine bäuerliche Familie aus dem altbairischen Gebirge, ein „Plauderstündchen“, „Mädchen aus der Fremde“, eine „Flucht aus Aegypten“ (1887), wobei die Stimmung der Landschaft und die Doppelwirkung von Licht und Luft in meisterlicher Wirkung gelang. Daran schloß sich (1889) ein großes, in seinem Effect wohl durchdachtes Bild mit dem Fußfall der „Philippine Welser vor Kaiser Ferdinand“. Die Folge davon war der dankbare Auftrag zu einer umfang- und figurenreichen „Erhebung des Mathias Corvinus“; eine durch ihre wohlberechnete Vollendung auf der VII. Internationalen Ausstellung und mehr noch auf der Pesther Exposition mit emphatischer Anerkennung begrüßte Leistung, welche vom ungarischen Ministerium mit einer Berufung als Pulski’s Nachfolger in Budapest (1896) belohnt wurde. Trotzdem, daß L. letztere Ehrung ablehnend beantwortete, kamen neue Aufträge in Sicht, zugleich mit der überraschenden Bestellung von Kaiser Wilhelm II. zu einem Theater-Vorhang für Hannover (1897). In freudiger Begeisterung wählte L. den im Kreise der Musen strahlenden Apoll, mit den allegorischen Gestalten von Tragödie und Lustspiel, von Krieg und Frieden nebst dem gehörigen Beiwerk von blumenstreuenden Amoretten und Genien – wozu der Raum von 9 Meter Höhe und 12 Meter Breite den erwünschtesten Spielraum gewährte. Während der Ausführung des umfangreichen Werkes belästigten den Künstler schon die ersten Vorboten eines entsetzlichen, [715] aller ärztlichen Kunst trotzenden Leidens (Leberkrebs), welches rasch überhandnahm, so daß eine besonders ehrende kaiserliche Decoration den Maler nur wenige Zeit vor seiner Erlösung noch erreichte.

In der Geschichte der Piloty-Schule entstanden ziemlich entschiedene Parteigruppen, sogar in feindlichen Stellungen zu dem Meister. L. harrte, so zu sagen, auf dem äußersten rechten Flügel in ergebener Treue aus – die dem jüngeren Nachwuchs wenig behagte, sogar als Existenzgefährdung gelten konnte. Nicht allein die Bücher und ihre Autoren, auch die Maler und deren Werke haben ihre „fata“.

Liezen-Mayer’s Freunde und zahlreichen Schüler achteten ebenso seine Kunst wie den neidlosen, edlen, liebenswürdigen Charakter ihres Lehrers. Liezen-Mayer’s interessantes, den echten Magyaren kennzeichnendes Porträt hat Krauskopf in eleganter Manier radirt und Fülöp Laszlo in Oel gemalt.

Vgl. Wurzbach, Biographisches Lexikon XV, 299. Wien 1866. – Schorer’s Familienblatt 1881, Nr. 16. – Berggruen, Die Graphischen Künste, 1886. IX, 37 ff. – A. Rosenberg, Die Münchener Malerschule seit 1871. Leipzig 1887, S. 37 ff. und dessen Geschichte der modernen Kunst III, 80 ff. 1889 u. 1894. – Pecht, Geschichte d. Münchener Kunst. 1888, S. 253. – Fr. v. Bötticher, 1895. I, 873. – Nekrolog in Nr. 51 der Allgem. Zeitung v. 21. Febr. 1898. – Ludwig Fränkel in A. Sauer’s „Euphorion“. Leipzig und Wien 1898. V. Bd., 3. Heft, S. 656 f. – „Kunst für Alle“, April 1898. – „Kunst unserer Zeit“, IX. Jahrg. 4. Heft, S. 95 und ebendas. etc. X. Jahrg. 3. Heft, S. 33–56 (von G. H. Horst) mit Porträt und 15 Reproductionen. – Bettelheim, Jahrbuch 1899. III, 84.