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ADB:Moll, Karl Ehrenbert Freiherr von

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Artikel „Moll, Karl Marie Ehrenbert Freiherr v.“ von Wilhelm von Gümbel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 22 (1885), S. 111–115, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Moll,_Karl_Ehrenbert_Freiherr_von&oldid=- (Version vom 23. Dezember 2024, 08:58 Uhr UTC)
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Moll: Karl Marie Ehrenbert Freiherr v. M., Geheimer Rath und Secretär der mathematisch-physikalischen Classe der baierischen Akademie der Wissenschaften in München, ein ausgezeichneter, praktischer Verwaltungsbeamter, Staatsmann und zugleich umfassender Naturforscher, namentlich auf mineralogisch-montanistischem Gebiete, war geboren am 21. December 1760 im Dorfe Thalgau im Salzburgischen, wo sein Vater die Stelle eines fürstl. salzburgischen Pflegers versah. Nachdem M. in seinem Elternhause den Grund zu einer tüchtigen Bildung gelegt hatte, setzte er in seinem 13. Lebensjahre auf der Ritterakademie zu Kremsmünster seine Studien fort und bezog schließlich die Universität Salzburg (1780), wo er sich vorzugsweise der Rechtswissenschaft widmete. 1782 erhielt er eine erste Anstellung als Accessist in Zell im Zillerthale und stieg nun rasch in dem Verwaltungsdienste, in dem er sich durch rastlose Thätigkeit, practischen Sinn und energisches Handeln hervorthat, von Stufe zu Stufe empor, so daß M., erst 30 Jahre alt, bereits 1790 als Director der Hofkammer in Salzburg an die Spitze der Finanzbehörde des Landes gestellt war. Mit diesem [112] Dienste vereinigte er im folgenden Jahre noch die Direction des Salz-, Münz- und Bergwesens. Während dieser mit staatsmännischer Klugheit und Umsicht geführten, von Freisinnigkeit, Offenheit und Wohlwollen geleiteten Vorstandschaft wurden auf seine Veranlassung und unter seiner unmittelbaren Ueberwachung die großartigsten Unternehmungen zur Verbesserung des Landes, zur Hebung der Land- und Forstwirthschaft, sowie des Berg- und Hüttenwesens ins Leben gerufen und segensreich durchgeführt. Dahin gehören die Entwässerungen des Gasteiner Thals, die Entsumpfungsarbeiten im Pinzgau, die Regulirung der Salzach, die Cultivirung zahlreicher versumpfter und vertorfter Gegenden, wodurch für die Landwirthschaft große Strecken nutzbar gemacht wurden, sowie der Bau guter Wege und Straßen und viele Vorkehrungen, welche den Handel und Wandel des salzburgischen Landes belebten und förderten. Mit besonderer Vorliebe, welche aus seiner angeborenen Neigung zur Naturwissenschaft entsproßte, wendete M. seine Aufmerksamkeit der Förderung und Verbesserung im Berg- und Hüttenwesen zu und führte selbst vielfache Einrichtungen ein, die wesentlich zum Aufblühen der Montanindustrie beitrugen. Für die zahlreichen Montanarbeiter sorgte er mit väterlicher Liebe durch Errichtung und zweckmäßige Einrichtung der sogenannten Bruderladen (Knappschaftsvereine) zum Zwecke der Unterstützung in Krankheitsfällen und der Erziehung. Trotz dieser vielfachen und umfassenden Thätigkeit eines verantwortungsvollen ersten Verwaltungsbeamten des Landes fand M. bei seiner eminenten Begabung noch Zeit genug, um auch der wissenschaftlichen Beschäftigung und der Pflege der Musik, die er sehr liebte, einen guten Theil seiner Kräfte zu widmen. Er unterhielt nicht nur mit den bedeutendsten Gelehrten einen lebhaften Briefwechsel, sammelte auf seinen vielfachen Reisen im Lande mit größtem Eifer, seltenem Verständnisse und mit dem scharfen Auge eines Naturforschers und Culturhistorikers die mannigfachsten Naturgegenstände, besonders Mineralien, Käfer und Pflanzen, dann Bücher, Manuscripte, Bilder, Kupferstiche und culturhistorische Sachen, sondern trat auch schon frühzeitig als Schriftsteller auf. Bereits 1783 erschien anonym von ihm verfaßt ein Brief: „So macht ichs mit den Mönchen“, worin er mit gerechter Entrüstung und großem Freimuth gegen die Volksverdummung aus Veranlassung des durch die Kapuziner von Tamsweg geübten Verkaufs von Mitteln gegen die Hexerei eiferte. Eine Abhandlung Linné’s über die Schädlichkeit der Insecten übersetzte er aus dem Lateinischen (2 Bde. Salzburg 1783), um den Inhalt einem größeren Kreise zugänglich zu machen. Schon 1784 folgte ein in sehr heftigem Ton geschriebener Brief in Josephinischem Sinn, in welchem er einen Hirtenbrief seines von ihm hochgeehrten Erzbischofs Hieronymus Colloredo gegen die Angriffe von sogenannten Contravertisten vertheidigte. Von ganz besonderes hervorragender Bedeutung und Wichtigkeit für die Landeskunde sind seine: „Naturhistorischen Briefe über Oesterreich, Salzburg, Passau und Berchtesgaden“, welche er in Gemeinschaft mit dem ihm nahe befreundeten Paula Schrank in zwei Bänden 1785 publicirte, und in welchen er eine Fülle alle Wissenszweige umfassender Bemerkungen über den bezeichneten Landstrich mittheilte. In gleichem Geiste schrieb er in Verbindung mit anderen Gelehrten 1787: „Oberdeutsche Beiträge zur Naturlehre und Oeconomie für das Jahr 1787“. Ferner besorgte er die Veröffentlichung des Werks: „Canestrini historia de utero duplici etc.“ und 1796 die Fortsetzung von Müllenkampf’s Sammlung der Forstordnungen verschiedener Länder (neun Waldordnungen von Salzburg, drei des österreichischen Landes). Mit den „Nebenstunden des Berg- und Hüttenmannes“ legte er 1797 den Grund zu einer fortlaufenden Reihe von Publicationen über Gegenstände der Montanwissenschaft, der Mineralogie und Geognosie, welche eine würdige, höchst schätzenswerthe Vorläuferin der später von [113] Leonhard und Bronn herausgegebenen Jahrbücher für Mineralogie, Geognosie und Paläontologie bilden. Diese periodischen Schriften erschienen 1797–1801 zuerst unter dem Titel: „Jahrbuch der Berg- und Hüttenkunde“ in 5 Bänden, dann von 1801–1805 als „Annalen der Berg- und Hüttenkunde“, ferner 1805–1809 als „Ephemeriden der Berg- und Hüttenkunde“ in 5 Bänden und endlich seit 1809–1826 als „Neue Jahrbücher der Berg- und Hüttenkunde“ in 6 Bänden. Diese Jahrbücher enthalten sehr werthvolle Originalaufsätze und Abhandlungen verschiedener Gelehrten, Referate, bio- und bibliographische Notizen, statistische Angaben und Litteraturverzeichnisse, welche sie zu dem wichtigsten Quellenwerk der mineralogischen Wissenschaften jener Zeit machen. M. selbst lieferte darin sehr inhaltsreiche Aufsätze namentlich über die Montanverhältnisse Salzburgs, während er in anderen naturwissenschaftlichen Fächern vielfache Publicationen in den entsprechenden Fachzeitschriften zur Veröffentlichung brachte, wie z. B. in Füßly’s Magazin für Entomologie ein Verzeichniß der salzburgischen Coleopteren, in den Schriften der naturforschenden Freunde in Berlin: „Entomologische Nebenstunden etc.“. Auch mit Sprachforschungen beschäftigte sich M. eingehend und verfaßte für Hübner’s Beschreibung Salzburgs ein salzburgischeis Idiotikon. Der ihm gewogene Fürst-Erzbischof zollte ihm 1800 seine volle Anerkennung durch Erhebung zum Geheimen Rath. Mit der Wende des Jahrhunderts trat auch für M. eine großartige Umgestaltung der Lebensverhältnisse ein. Nach der unglücklichen Schlacht von Hohenlinden bemächtigten sich die Franzosen des Landes und setzten nach der Flucht des Erzbischofs eine Statthalterschaft aus fünf Mitgliedern ein, zu welcher auch M. gehörte. Als dann nach dem Friedensschlusse von Luneville das Erzstift säcularistrt wurde, trat M. als Mitglied in die Regierungsconferenz über, welche der neue Fürst, Erzherzog Ferdinand, errichtete. Auch in diesen schwierigen Stellungen bewährte sich M. als ächter und rechter Patriot. 1803 wurde er von seinem neuen Landesherrn erst zum Director, dann (28. November 1803) zum Regierungspräsidenten erhoben. In diesen hohen Stellungen wirkte der rastlose Mann mit nie ermüdendem Eifer segensreich für das Wohl seines engeren Vaterlandes. Doch war ihm bereits sein Wirkungskreis zu enge geworden. Um diese Zeit suchte Erzherzog Johann, mit dem M. schon lange in wissenschaftlichem Verkehr stand, ihn für die Uebernahme der erledigten Stelle eines Directors des Hof-Naturaliencabinets in Wien zu gewinnen. Diese Verhandlungen aber zerschlugen sich an Moll’s Forderung einer Censur- und Portofreiheit für seine Person. Glücklicher verlief die Unterhandlung, ihn für die Förderung der wissenschaftlichen Bestrebungen in Baiern nach München zu ziehen. Als ihm 1804 ein Sitz in der Akademie der Wissenschaften zugesichert wurde, entschloß sich M., wol in der feurigen Hoffnung, in Baiern unter der Aegide des freisinnigen, kühn fortschreitenden Grafen Montgelas einen raschen und weitgreifenden Aufschwung in der Wissenschaft ins Leben rufen zu können, zum Uebertritt in den kurbaierischen Dienst (7. December 1804). Erst Mitglied, dann seit 1807 Secretär der mathematisch-physikalischen Klasse der Akademie, versuchte M., in seinen früheren Stellungen an strammen Dienst gewöhnt, auch in der Akademie in freiem und liberalem Sinne reformatorisch vorzugehen, stieß aber auf ungehoffte Schwierigkeiten, die sein redliches Streben beengten. Dieser Umstand ließ ihn anfangs seinen Uebertritt nach Baiern bereuen. Trotzdem setzte er aber nach allen Richtungen seine Arbeiten fort und brachte seine Sammlung, für welche er in dem aufgehobenen Kloster Fürstenfeldbruck zur Aufstellung große Räume pachtweise erhalten hatte, zu einer erstaunlichen Größe. Seine Bibliothek wuchs bis auf 80 000 Bände, seine Mineraliensammlung enthielt 5000 vorzüglicher Exemplare, [114] sein Herbarium 2000 Pflanzenarten meist der Alpenflora. Dazu kamen reiche Sammlungen von Insecten, Conchylien, Fischen und höheren Thieren, zahlreiche culturhistorische Gegenstände, eine Porträtsammlung in 62 Bänden, Kupferstiche (269 Blätter vorzüglicher Meister), Städteansichten, Schlachtenbilder und Manuscripte. Ein großer Theil dieser Sammlungen ging in den Besitz der baierischen Akademie und der Staatsbibliothek über, ein anderer Theil der Bibliothek kam an das britische Museum und die Bibliotheken in Moskau, Würzburg und Erlangen. Vieles, namentlich die Kunstgegenstände, verblieb in dem Besitz eines Zweigs seiner Familie, da M. nicht verheirathet war, und befindet sich auf einer Villa bei Roveredo aufbewahrt. Während M. in der ersten Periode seines Lebens hauptsächlich im Verwaltungsdienste unvergängliche Verdienste sich erwarb und nur nebensächlich den wissenschaftlicher Arbeiten sich widmen konnte, war in der zweiten Periode nach dem Uebertritt an die Akademie in München sein eifrigstes Bestreben, sich ganz dem Dienste der Wissenschaft und ihrer Förderung zu widmen. Als Berather im Directorium und als Führer der Klasse der Akademie suchte er hier, unterstützt von einem ihm innig befreundeten Kreis von Gelehrten, wie Schlichtegroll, Generalsecretär der Akademie, dem Director der Staatsbibliothek J. Scherer, dem berühmten Anatomen Sömmering, dem Historiker Westenrieder und dem Botaniker Martius die Thätigkeit der Akademie bestimmteren Zielen zuzuführen und zu steigern. Da er nicht durchzudringen vermochte, wendete er sich später mehr und mehr der Verfolgung seiner persönlichen Studien, namentlich dem mineralogisch-geognostischen Zweige zu, wie die Fortsetzung der schon erwähnten Jahrbücher für Berg- und Hüttenwesen beweist. Am klarsten gestattet der von ihm unter dem Titel „Des Freiherrn K. E. v. Moll Mittheilungen aus seinem Briefwechsel als Prodromus seiner Selbstbiographie“ in vier Bänden 1829–1835 publicirte Briefwechsel, der sich durch einen kernigen Stil, scharfe Zeichnung, gerechte Kritik, oft herbe sarkastische Schärfe und eigenthümliche Schreibweise kennzeichnet, einen tieferen Einblick in das Innere dieses großen Geistes. Er zeigt sich hier als ein hervorragender Vertreter der freisinnigen Litteraturbestrebungen im Sinne und Geiste der Josephinischen Zeit mit einem seltenen Reichthum von Wissen auf den verschiedensten Gebieten, als ein entschiedener Freund der Aufklärung, der Befreiung von Vorurtheilen, freiheitlicher Entwickelung der Wissenschaft für das Leben, uneingeengt von dem Zwang philosophischer Schulen. Er schloß sich daher, persönlich zwischen F. H. Jacobi und Schelling gestellt, keiner Doctrin dieser Philosophen enger an, noch weniger aber befreundete er sich mit den theosophischen Anschauungen seines Collegen Franz v. Baader. Moll’s auf das Reale und Praktische gerichteter, nüchterner und klarer Geist neigte sich mehr der Natur- als Glaubensphilosophie zu und fand an sich eine innere Beruhigung über die letzten Dinge ohne irgend eine doctrinäre Vermittelung. In allen seinen Handlungen äußerte sich eine Rechtschaffenheit und ein zielbewußtes Vorgehen, eine Geradheit der Gesinnung und eine Reinheit der Mittel, die er zur Verfolgung seiner Zwecke in Anwendung brachte. „Das Rechte ist das Nothwendige“, äußerte er, „darum wird es am Ende siegen, gleichwie das Licht über die Dunkelheit“. Große Weltkenntniß und umfassende Erfahrungen hatten ihm die rechten Wege einzuschlagen gelehrt; er bekämpfte zwar entgegengesetzte Meinungen energisch und oft mit Schärfe, aber stets offen aus voller Ueberzeugung und ohne Rückhalt. In politischen Dingen urtheilte M. als ein Mann besonnener Aufklärung in freiheitlicher Richtung ohne Ueberstürzung; besonders huldigte er dem großen Geist eines Kaisers Joseph II. und Königs Friedrich II. Dagegen konnte er in seinem offenen, alpinen, schlichten Wesen sich mit dem sonst ihm geistesverwandten Grafen Montgelas wegen dessen französischer Art nicht inniger befreunden und darin mag z. Th. die Erklärung zu [115] finden sein, daß M. sich nach und nach von seinem Wirkungskreise zurückzog. Dazu kam, daß ihn in dem letzten Lebensabschnitte ein Augenleiden heimsuchte. Gleichwol ließ er sich nicht abhalten, seine in letzter Zeit besonders eifrig betriebenen, vergleichenden, linguistischen Studien zu verfolgen und auf etwa 20 verschiedene Sprachen auszudehnen. In den letzten Jahren seines Lebens, besonders nach seinem Rücktritt von der Stelle eines Klassensecretärs der Akademie (1832), lebte M. im Sommer auf seinem Landsitze Mollsheim bei Dachau, im Winter in Augsburg, wo er auch am 1. Februar 1838 starb, nach einem inhaltsvollen, thatenreichen Leben, hoch geehrt durch Verleihungen vieler Orden und Ernennungen zum Mitgliede von 22 Akademien und zahlreichen gelehrten Gesellschaften. Mehrere Arten von Thieren und Pflanzen sind auf den Namen Moll’s eingeschrieben.

v. Martius, Akad. Denkreden, 95. v. Wurzbach, Biogr. Lexicon, 19.