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ADB:Morgenstern, Karl Simon

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Artikel „Morgenstern, Karl Simon“ von Eduard Thraemer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 22 (1885), S. 231–233, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Morgenstern,_Karl_Simon&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 15:42 Uhr UTC)
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Morgenstern: Karl Simon M., geb. am 28. August 1770 zu Magdeburg als Sohn des Stadtphysikus Dr. Simon M. Früh verlor er seinen Vater, fand aber während seiner Schuljahre (1783–88) an Bened. Funk, dem tüchtigen Leiter der Magdeburger Domschule. einen väterlichen Freund, der den sehr strebsamen, aber zu Ueberschwänglichkeit und religiöser Schwärmerei neigenden Jüngling nach Möglichkeit in Schranken zu halten suchte. Einen Einblick in Morgenstern’s damalige Geistesrichtung gibt ein noch während der Magdeburger Zeit verfaßter philosophischer Aufsatz „Ueber die Menge des Lebens im Weltall“ (erschien später in Eberhard’s philos. Magazin III, 1791). Dem Horizont der Schule bereits in mehrfacher Hinsicht entwachsen, bezog M. 1788 die Universität Halle, um sich dort ebenso sehr philosophischen wie philologischen Studien zu widmen. In ersteren schloß er sich besonders an Eberhard an, in letzteren an Fr. A. Wolf. Ein eifriges Mitglied von Wolf’s philologischem Seminar, verdankte er demselben besonders die Einführung in das Studium des Plato. 1794 zum Doctor promovirt, habilitirte er sich alsbald in Halle als Privatdocent. Die beiden dadurch veranlaßten Dissertationen veröffentlichte er später, vermehrt um eine dritte, unter dem Titel „Commentationes tres de Platonis republica“, Halle 1794 u. 95. Mit dieser umfangreichen Arbeit, welche von Heyne in den Göttinger gelehrten Anzeigen von 1794 und 1795 eine sehr günstige Beurtheilung erfuhr, erwarb sich M. das Bürgerrecht in der gelehrten Welt, doch ist dies seine bedeutendste wissenschaftliche Leistung geblieben, zu welcher in der Folgezeit nur kleinere, wenn auch zahlreiche Abhandlungen gekommen sind. Morgenstern’s erste akademische Thätigkeit war eine sehr erfolgreiche: obschon er mit einem Wolf und Eberhard zu concurriren hatte, fanden seine Vorlesungen über Cicero’s Bücher De natura deorum und über die Geschichte der Philosophie oft ein Auditorium von mehr als 200 Zuhörern. 1797 wurde er zum prof. extraordinarius ernannt und 1798 an das Athenäum zu Danzig berufen. Bis zum Ende des Jahrhunderts war M. neben seiner Lehrthätigkeit zugleich eifriger Mitarbeiter an Eberhard’s philosophischem Archiv, an Eggers’ deutschem Magazin, an Wieland’s Merkur etc. Aus seiner Danziger Stellung verdienen daneben hervorgehoben zu werden die beiden Lectionsprogramme „De fide historica Velleji Paterculi“, 1798, und „De satirae atque epistolae Horatianae discrimine“, 1799. Nach vierjähriger Lehrthätigkeit in Danzig erhielt M. 1802 einen Ruf an die neugegründete Universität Dorpat, als Professor der altclassischen Philologie und Aesthetik und leistete diesem Rufe Folge. In Dorpat machte er sich zunächst, im Bunde mit Parrot, Krause, Jäsche und Müthel, um die Ausgestaltung der jungen Hochschule wohlverdient. Das erste Statut derselben wurde von ihm redigirt, auch war er ein Glied der Universitätsschulcommission und erstreckte als solches seine Thätigkeit bis Finnland (Rede bei der Gründung der Wiborger Töchterschule: „Von den Grenzen weiblicher Bildung“, Leipzig 1808). Speciell Morgenstern’s Bemühungen hat Dorpat es zu danken, daß die verschiedenen mit der Universität verbundenen wissenschaftlichen Institute nicht in der Unterstadt, wie der ursprüngliche Plan der Regierung gewesen, sondern auf der ausgedehnten Höhe des Domberges angelegt und letzterer zugleich in einen Park umgeschaffen wurde, der heute einen herrlichen Schmuck der baltischen Universitätsstadt bildet. Vor Allem war es die [232] Morgenstern’s Verwaltung anvertraute Bibliothek, welcher hier aus den Ruinen des bischöflichen Domes eine mächtige, in ihrer Art einzig dastehende Heimstätte erstand. Durch ein frühzeitig geübtes Sammlertalent ausgezeichnet war M. der rechte Mann für die Aufgabe der Neugründung einer Bibliothek. Mehrere Reisen in das Ausland unternahm er in erster Linie in bibliothekarischem Interesse und hat es während einer 37jährigen Verwaltung möglich gemacht die Universitätsbibliothek aus ihren ersten Anfängen auf 65 000 Bände zu bringen und zugleich mit einer Anzahl seltener und kostbarer Werke auszustatten. Das gleiche Organisationstalent bewies M. in der Anlegung des Kunstmuseums, dessen archäologischer Apparat durch ihn seinen Grundstock erhielt, dessen Sammlung antiker Münzen von ihm in den Lectionsprogrammen von 1817, 1818, 1820 und 1834 beschrieben worden ist. – Morgenstern’s Lehrthätigkeit an der Universität gipfelte in seiner Stellung als Director des allgemeinen Lehrerinstitus und des seit 1821 an die Stelle desselben getretenen philologischen Seminars. Dabei ruhte auf seinen Schultern bis 1817 die ganze Wucht der philologischen Disciplin, ja zu derselben gesellten sich gelegentlich auch noch aushülfsweise Vorlesungen über allgemeine Litteraturgeschichte und Universalgeschichte. Erst in Veranlassung eines 1817 an M. ergangenen, aber von ihm abgelehnten Rufes nach Königsberg ward eine zweite philologische Professur gegründet. Aber die Zersplitterung in alle möglichen Verpflichtungen, zugleich wol auch eine angeborene Neigung zu einem mehr schöngeistigen Betreiben der humaniora – hatten M. bereits von dem Boden einer strengen und nachhaltigen wissenschaftlichen Thätigkeit zu sehr abgelenkt, als daß die mit dem Jahre 1817 eintretende Erleichterung seiner amtlichen Stellung ihn in die mit seinen platonischen Commentationen beschrittene Bahn hätte zurückrufen sollen. So sind denn aus Morgenstern’s langjähriger Thätigkeit in Dorpat nur eine Reihe kleinerer, lateinisch geschriebener Abhandlungen in den Lectionsprogrammen der Universität (23 Titel finden sich bei Mercklin aufgezählt, vgl. unten), sowie zahlreiche, die verschiedensten Themata behandelnde Gelegenheitsreden zu nennen. Unter letzteren sind die Gedächtnißreden am zahlreichsten vertreten, so auf J. Winckelmann (1805), Joh. Müller (1808), Klopstock (1814), Goethe (1833), Jäsche (1843) u. A. Hervorzuheben ist die „Rede über Raphael Sanzios’ Verklärung“, eine tüchtige Leistung. – In das litterarische Schaffen der Ostseeprovinzen griff M. anregend ein durch die von ihm herausgegebenen und großentheils aus eigenen Aufsätzen bestehenden „Dörptschen Beiträge für Freunde der Philosophie, Litteratur und Kunst“ (1814–1816), durch Mitarbeiterschaft am „Innland“, an Merkel’s Zeitung f. Lit. u. Kunst etc. – Schließlich sei noch eines umfangreicheren, aber unvollendet gebliebenen litterarischen Unternehmens gedacht: Im J. 1808 hatte M. mit 11/2jährigem Urlaub eine Reise angetreten, welche ihn durch Deutschland, Frankreich und die Schweiz seinem Ziele – Italien zuführte. Eine Darstellung dieses Aufenthalts auf classischem Boden beschloß M. zu veröffentlichen, hat indeß nur den ersten Band (Oberitalien, Florenz, Neapel) erscheinen lassen unter dem Titel „Auszüge aus den Tagebüchern und Papieren eines Reisenden“, Dorp. u. Leipz. 1811–1813 (vgl. Jenaer Allg. Lit.-Ztg. 1813, S. 133 ff.). – Eine Aufzählung der zahlreichen gelehrten Gesellschaften. welchen M. angehörte, findet sich in der von Morgenstern’s eigener Hand stammenden Lebensskizze im baltischen Schriftstellerlexicon; hier mag nur hervorgehoben werden, daß die Petersburger Akademie der Wissenschaften ihn im J. 1826 zu ihrem Ehrenmitgliede ernannte, in welcher Eigenschaft er unter Anderem für die Mémoires des savants étrang. eine Abhandlung „Ueber das Studium der byzantinischen Geschichtschreiber“ lieferte (Bd. IV S. 169 ff.), sowie eine Biographie K. Ernst Köhler’s im Recueil des Actes etc. v. 1838, S. 71–140. – 1833 wurde M. emeritirt, hielt aber noch bis 1836 stellvertretend [233] Vorlesungen; 1839 legte er seine Stellung als Bibliothekar nieder; nachdem es ihm noch beschieden war 1844 zu Dorpat sein 50jähriges Doctorjubiläum zu feiern, starb er daselbst am 3. September 1852. – Morgenstern’s gute und achtungswerthe Eigenschaften, seine wirklich gemeinnützigen Bestrebungen fanden ein nicht erfreuliches Gegengewicht in einer stark hervortretenden Eitelkeit. Sehr vernehmlich redet dieselbe aus seinem „Vortrag an der Festtafel eines 50jährigen Doctorjubiläums“ (Dorp. 1844), daß sie aber von früh auf ihm anhaftete, zeigen die bezüglichen Bemerkungen Schiller’s (Briefwechsel zwischen Schiller und Goethe 3 II. 467) und Fr. Aug. Wolf’s (an Joh. v. Müller – bei Maurer Constant, Supplem. zu Müller’s sämmtl. Werk. IV, p. 386). Für die idealen Güter des Lebens ist M. stets mit Feuer eingetreten und wenn er durch lange Jahre den Grenzboden deutscher Gesittung mit den geistigen Bewegungen des Mutterlandes in lebendiger Beziehung zu halten suchte, so gebührt ihm dafür der Dank seiner zweiten Heimath. Ein dauerndes Anrecht auf denselben hat er sich auch durch das Vermächtniß seiner werthvollen Sammlungen an die Dorpater Universität gesichert.

Vgl. Recke-Napiersky, Allgem. Schriftstellerlex. der balt. Prov. III, 247 bis 266 u. dazu Nachträge II, S. 50–54; L. Mercklin, Karl Morgenstern, eine Gedächtnißrede. Dorp. 1853 (gibt ein vollständ. Verzeichniß von M.’s Schriften); F. Sintenis, Briefe von Goethe etc. an Morgenst. Dorp. 1875, S. 40.