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ADB:Neefe, Christian Gottlob

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Artikel „Neefe, Christian Gottlob“ von Moritz Fürstenau in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 23 (1886), S. 359–362, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Neefe,_Christian_Gottlob&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 07:30 Uhr UTC)
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Neefe: Christian Gottlob N. wurde als Sohn eines armen Schneiders am 5. Februar 1748 in Chemnitz geboren. Ueber den trefflichen Musiker, der doppeltes Interesse dadurch erweckt, daß er einer der Lehrer Beethoven’s in [360] Bonn war, hat A. W. Thayer in seinem ausgezeichneten Buche „Ludwig van Beethoven’s Leben“ (Berlin 1866) ausführlich berichtet; er theilt in der Hauptsache folgendes mit. N. ist eins der vielen Beispiele in der Musikgeschichte, bei welchem die Laufbahn des Mannes bestimmt wird durch die Schönheit der Stimme in der Kindheit. In sehr frühem Alter wurde er Chorsänger in der Hauptkirche zu Chemnitz, welche Stellung ihm die beste Schule und musikalische Ausbildung gab, welche die kleine Stadt gewähren konnte. Er benutzte die Vortheile so gut, daß seine Fortschritte ihn bald befähigten, in früher Jugend sich seinen Unterhalt durch Unterricht zu verdienen. Im Alter von 21 Jahren begab er sich mit 20 Thalern in der Tasche und einem Stipendium von 30 Thalern vom Magistrat zu Chemnitz nach Leipzig, um dort die Vorlesungen an der Universität zu hören, und bestand daselbst nach Ablauf der gehörigen Zeit sein Examen als Jurist. Bei dieser Gelegenheit disputirte er über die Frage: „Hat ein Vater das Recht, einen Sohn zu enterben, weil er sich der Bühne widmet?“ und zwar verneinte er dieselbe. In Chemnitz waren Neefe’s Lehrer in der Musik Männer von geringem Talente und sehr beschränkten Fähigkeiten gewesen, und sogar in Leipzig verdankte er seinem beharrlichen Studium der theoretischen Werke Marpurg’s und K. P. E. Bach’s mehr als einem regelmäßigen Lehrer. Doch hatte er dort den großen Vortheil, eine genaue Bekanntschaft mit Johann Adam Hiller zu schließen und Gegenstand seines besonderen Interesses zu werden. Hiller gewährte ihm jegliche Ermunterung in seiner musikalischen Laufbahn, die in seiner Macht stand; er eröffnete ihm die Spalten seiner musikalischen „Wöchentlichen Nachrichten“ für seine Compositionen und Aufsätze; er nahm Neefe’s Beistand in seinen Operncompositionen in Anspruch, theilte ihm die Resultate seiner langen Erfahrungen in freundschaftlichen Rathschlägen mit, beurtheilte seine Compositionen und übergab ihm endlich 1777 seine eigene Stellung als Musikdirector bei Seyler’s Theatergesellschaft, welche damals im Linke’schen Bad zu Dresden spielte. Bei Abreise dieser Truppe nach Frankfurt a. M. wurde N. veranlaßt, bei derselben in gleicher Eigenschaft zu bleiben. Dort wurde er mit Fräulein Zinck bekannt, vormals Hofsängerin in Gotha, damals aber für Seyler’s Oper engagirt; aus dieser Bekanntschaft entwickelte sich eine gegenseitige Neigung, und nicht lange nachher vermählte er sich mit ihr. – Es ist kein geringes Zeichen für den großen Ruf, den er genoß, daß bei Gelegenheit von Seyler’s Flucht aus Frankfurt a. M. (1779) Bondini, dessen Erfolge jenen Nebenbuhler in der Direction aus Dresden vertrieben hatten, mit N. in Correspondenz trat und ihm Vorschläge machte, auf seine Stellung unter Seyler zu verzichten gegen eine ähnliche, oder bessere in seinem Dienste. Während das Resultat dieser Unterhandlungen noch schwebte, schloß sich N., nachdem er sich, wie vorher angegeben, vermählt hatte, den Bonner Theaterunternehmern Großmann und Hellmuth in gleicher Eigenschaft an. Diese, welche den Werth seiner Leistungen aus ihrer früheren Erfahrung als Mitglieder der Seyler’schen Truppe kannten, bezahlten seinen Talenten und seinem persönlichen Charakter einen hohen, freilich unfreiwilligen Tribut, und bewogen durch so unedle Mittel den Musiker, in Bonn zu bleiben, bis Bondini gezwungen war, seine Vacanz durch einen anderen Candidaten auszufüllen. – Nachdem sie ihn einmal erlangt hatten, war Großmann entschlossen, ihn festzuhalten, und es gelang ihm. N. kam nach Bonn im October 1779, erhielt zugleich das Decret zur „Anwartschaft auf die Hoforganistenstelle“ am 15. Februar 1781, und war so dauernd auch für den kurfürstlichen Dienst engagirt. So lange die Großmann’sche Gesellschaft ungetheilt beisammen blieb, begleitete sie N. bei ihren jährlichen Besuchen in Münster und anderwärts. So trägt seine Lebensskizze, welche 16 Jahre später im ersten Bande der Allgem. Musikzeitung gedruckt wurde, das Datum Frankfurt [361] a. M., den 30. September 1782. Doch scheint er seit diesem Jahre, ausgenommen vielleicht eine kurze Zeit im Jahre 1783, Bonn überhaupt nicht verlassen zu haben. Es ist jetzt schwer, von dem vergessenen N. zu begreifen, daß er einstmals hochgeehrt dastand in der Reihe der ersten norddeutschen Componisten. Dies war aber in der That der Fall. N. brachte nach Bonn einen bedeutenden Ruf, namentlich als Componist von Singspielen, mit; sein Talent, sein Eifer und seine Bildung, musikalische wie litterarische, machten ihn für die Theaterdirectoren unschätzbar, wenn neue französische und italienische Opern für die deutsche Bühne vorbereitet werden sollten. Dazu kam seine große Leichtigkeit, eine Arie, ein Gesangstück, einen Zwischenact, überhaupt Alles zu liefern, was der Augenblick erforderte; ein unermüdlicher Fleiß, außerdem eine Liebhaberei, zu schreiben, welche von höchstem Werthe ist für den, der die Geschichte der Musik in Bonn zu seiner Zeit studirt; in jeder Hinsicht brachte er ein neues Element in das musikalische Leben daselbst. Dies Element mag etwas förmlich und pedantisch erschienen sein, aber es war solid, denn es beruhte auf der Schule Händel’s und Bach’s. Von Neefe’s veröffentlichten Compositionen waren damals, außer den kurzen Gesang- und Clavierstücken in Hiller’s Zeitschrift, bereits erschienen: die Operetten „Die Apotheke“ (1772), „Amor’s Guckkasten“ (1772), „Die Einsprüche“ (1773), und „Heinrich und Lyda“ (1777), sämmtlich im Clavierauszuge, außerdem Arien, componirt für Hiller’s „Dorfbarbier“ und eine aus seiner eigenen, nicht veröffentlichten Oper „Zemire und Azor“; zwölf Oden von Klopstock (scharf kritisirt von Forkel in seiner Musikalisch-Kritischen Bibliothek, was der zweiten Ausgabe derselben sehr zum Vortheil gereichte) und eine ziemlich lange Reihe von Gesängen. Von Instrumentalmusik hatte er drucken lassen 24 Sonaten für Clavier, allein oder mit Violine, außerdem können aus Breitkopf u. Härtel’s Katalogen von 1772–74 noch folgende Werke hinzugefügt werden, die weder in seiner eigenen Liste noch der von Gerber aufgeführt sind: eine Partita für Streichquartett, zwei Hörner, zwei Oboen, zwei Flöten, zwei Fagotts eine andere für dieselben Instrumente ohne Flöten und Fagotts; eine dritte für Streichquartett, und zwei Oboen allein, und zwei Symphonien für Streichquartett, zwei Hörner, zwei Oboen und zwei Flöten. Die Musik zu Sophonisbe (Monodrama von Meißner) war ebenfalls beendet und wurde noch zwanzig Jahre später, nachdem Mozart neue Muster für die Beurtheilung aufgestellt hatte, in der Leipziger allgemeinen musik. Zeitung mit Wärme belobt. In seinem Briefe an Cramer, vom 2. März 1788, hatte er seinen veröffentlichten Werken noch hinzugefügt: „Sechs Sonaten am Clavier zu singen“, „Vademecum für Liebhaber des Gesangs und Claviers“; ein Concert für Clavier und Orchester (Mannheim, Götz). Um 1782 ward N., der Nachfolger des Hoforganisten van den Eeden, auch als Beethoven’s Musiklehrer. Wann dieser Unterricht begann und endete, und ob es wahr ist, daß der Kurfürst ihn engagirte und für seine Dienste in dieser Thätigkeit bezahlte, wie verschiedene Schriftsteller versichern, auch darüber fehlt die volle Sicherheit. Dr. Wegeler sagt in seinen „Biographischen Notizen über Beethoven“: N. hatte wenig Einfluß auf den Unterricht unseres Ludwig; Letzterer klagte sogar über Neefe’s zu harte Kritik seiner ersten Versuche in der Composition.“ Die erste dieser Behauptungen ist offenbar ein großer Irrthum; im J. 1793 dachte jedenfalls Beethoven selbst anders darüber. „Ich danke Ihnen“, schreibt er seinem alten Lehrer, „für Ihren Rath, den Sie mir sehr oft bei dem Weiterkommen in meiner göttlichen Kunst ertheilten. Werde ich einst ein großer Mann, so haben auch Sie Theil daran; das wird Sie um so mehr freuen“ u. s. w. – Weitere Mittheilungen über diesen Unterricht bringt Thayer (a. a. O. I. S. 117 flg.). Von 1784 an dirigirte N. im Behinderungsfalle des Capellmeisters Luchesi die [362] Kirchenmusiken und Hofconcerte. Nach dem Tode des Kurfürsten Max Friedrich wurde das Theater geschlossen und die Hoftheatergesellschaft aufgelöst, wodurch N. und Gattin einen bedeutenden Theil ihres Einkommens verloren. Der neue Kurfürst Max Franz gründete 1788 aus den Resten der Klos’schen Gesellschaft ein neues Hoftheater, an dem N. wieder Musikdirector wurde. Die Kriegsverhältnisse brachten auch für N. schwere Sorgen und Noth. Der Sommer 1794 kam und die Katastrophe rückte immer näher. Anfang September 1794 mußte Kurfürst Maximilian von Neuem den Wanderstab ergreifen. Am 7. October rückte Pichegru in Bonn ein. Im Frühling dieses Jahres war der arme N. gezwungen worden, von seiner Tochter Louise zu scheiden; er hatte sie nach Amsterdam gebracht, wo sie, nach einer befriedigenden Darstellung der Constanze in Mozart’s Entführung ein Engagement vom Theaterunternehmer Hunnius erhielt. Letzterer wurde im Laufe des Sommers in Folge des Einrückens der Franzosen aus Amsterdam vertrieben und kam mit einem Theile seiner Gesellschaft nach Düsseldorf, mit Louise als Primadonna. Gedrückt von Sorge und Armuth flehte N. den Kurfürsten, ehe er abreiste, an, daß er ein Anerbieten von Hunnius, ihn zum Musikdirector zu machen, annehmen dürfe; doch es wurde abgeschlagen und ihm befohlen, in Bonn zu bleiben und die Orgel in der Capelle zu spielen, so lange die Franzosen erlauben würden, daß Gottesdienst gehalten werde. Er erhielt jedoch, gleich allen Anderen in Maximilian’s Diensten, ein Gehaltquartal im Voraus ausbezahlt. Frau N. gibt (Allgem. Musik-Zeit. I, 362) ein trauriges Bild von der Armuth, in welcher sie in den nächsten zwei Jahren lebten, bis N. 1796 ein Engagement als Musikdirector beim Theaterunternehmer Bossang in Dessau annahm, wo seine Tochter bereits als Sängerin Anstellung gefunden hatte. Auf dem Wege nach Dessau kam N. gegen Ende des Jahres 1796 mit Kurfürst Maximilian in Leipzig zusammen und suchte in seiner Noth um die Rückstände seines Gehaltes nach. Man erfährt mit Betrübniß, daß die einzige Antwort des Kurfürsten die formelle Entlassung aus seinem Dienste war. N. starb in Dessau, nachdem er noch viele Sorgen durch schwere Erkrankung seiner treuen Gattin erlitten hatte, am 26. Januar 1798. Die Redaction der allgemeinen musikalischen Zeitung charakterisirt N. im ersten Jahrgange des Blattes in einer Vorbemerkung zu der schon erwähnten Selbstbiographie folgendermaßen: „Seine Compositionen, wenn sie auch ohne die Gewalt und den Glanz des höchsten Genius sind, und folglich keine Revolution in der Kunst selbst und im Gange des Geschmackes bewirkt haben, zeugen doch uuwidersprechlich von Talent, Kenntniß, Gefühl und Geschmack. Sein Charakter hatte Redlichkeit, Gefälligkeit, Offenherzigkeit und Freundschaftlichkeit zu Grundzügen; keiner seiner näheren Bekannten und Freunde hat ihn noch jetzt vergessen.“

Außer den bereits erwähnten Compositionen des Meisters sind zunächst noch folgende Opern oder Singspiele zu nennen: „Adelheit von Veltheim“ (Bonn 1781); „Der neue Gutsherr“ (Leipzig 1783 und 84); „Der dumme Gärtner, oder die beiden Antone“ (Bonn, Clavierauszug). Der Clavierauszug des Monodrams „Sophonisbe“ erschien 1782 in Leipzig. Für die Kirche componirte N. unter Anderm ein lateinisches „Vaterunser“ und eine Ode von Klopstock. An Kammermusik lieferte er viele Lieder und Gesänge, Fantasien für Pianoforte u. s. w. Außerdem hat er eine Menge Opern von Gretry, Dalayrac, Desaides, Paisiello, Mozart u. s. w. für das Clavier eingerichtet und auch übersetzt. Von seinen theoretischen und journalistischen Aufsätzen sind folgende zu erwähnen: „Ueber die musikalische Wiederholung“ (Deutsches Museum 1776) und: „Ueber die Beschaffenheit der Musik und ihrer Ausüber“ (Magazin von Cramer 1783).

Vgl. Gerber, Altes und neues Lexicon der Tonkünstler.