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ADB:Otterstedt, Friedrich Freiherr von

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Artikel „Otterstedt, Friedrich Freiherr von“ von Hermann von Petersdorff in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 52 (1906), S. 731–733, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Otterstedt,_Friedrich_Freiherr_von&oldid=- (Version vom 23. Dezember 2024, 08:18 Uhr UTC)
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Otterstedt: Georg Ulrich Ludwig Joachim Friedrich Freiherr von O., preußischer Diplomat, wurde am 11. December 1769 geboren und starb zu Baden-Baden am 27. März 1850. Er gehörte einem alten märkischen Adelsgeschlecht an, das besonders im Teltower Kreise angesessen war. Sein Vater Joachim Ernst v. O. auf Dahlwitz starb 1787. Seine Mutter war eine geborene v. Kleist. Seine Laufbahn begann er im Heere, indem er im November 1783, noch nicht vierzehnjährig, als Gefreiter-Corporal in das in Berlin stehende Infanterieregiment Alt-Woldeck Nr. 26, das später Alt-Larisch hieß, eintrat. Am 1. August 1786 wurde er Fähnrich, am 3. April 1788 Secondlieutenant, am 6. October 1797 Premierlieutenant. Am 2. Juli 1801 erhielt er auf sein Ansuchen den Abschied mit dem Charakter als Capitän. Er befreundete sich in dieser Berliner Zeit eng mit der anderthalb Jahre jüngeren Rahel Levin, der späteren Frau Varnhagen v. Ense’s, und scheint auf sehr vertrautem Fuße mit dem geistreichen Mädchen gestanden zu haben, das sich noch lange nachher als seine „olle Rihle“ unterschrieb, ihn „Loschonkaudesch“ nannte, ihm in fröhlicher Laune das Mauscheln beibrachte und in einfachen Verhältnissen Freud und Leid mit ihm theilte. Dieser Verkehr macht Varnhagen’s Angaben glaubwürdig, daß der junge Officier sich republikanischen Anschauungen zuwandte, infolgedessen um seinen Abschied einkam und nach Paris ging. Dort suchte er den mit ihm nahe verwandten philanthropischen Sonderling Graf Gustav Schlabrendorf (s. A. D. B. XXXI, 320 bis 323) auf. Durch ihn wurde er mit Personen und Verhältnissen in Frankreich bekannt. Wenn man Varnhagen Glauben schenken darf, widmete er sich in Paris der Bandfabrikation. Trifft das zu, so geschah es offenbar, um sich einen Lebensunterhalt zu verschaffen. Der Aufenthalt in Frankreich und der Umgang mit seinem Verwandten hat augenscheinlich abkühlend auf seine jakobinischen Ansichten eingewirkt. Denn in der Zeit der Befreiungskriege hatte er sich längst wieder zur deutschen Sache zurückgefunden. Er gewann das Vertrauen des Freiherrn vom Stein, der ihn zu Anfang des Jahres 1814 dem neuernannten Generalgouverneur des Mittelrheins Justus Gruner zur Verwendung empfahl. Gruner unterstellte O. die Verwaltung des Donnersberg-Departements in Worms, die dieser mit großem Eifer in die Hand nahm. [732] Von Worms unternahm er noch im J. 1814 eine Reise zu politischen Zwecken nach Wien. Er wußte sich mit großer Gewandtheit fürstlichen und sonstigen hochgestellten Personen zu nähern, was den ihm auch schnell nahe getretenen Varnhagen eifersüchtig machte und schon im J. 1815 mit Mißtrauen gegen ihn erfüllte, so daß es bei ihm Wurzel faßte, als Jemand behauptete, O. spreche jedem nach dem Munde. Besonders gelang es ihm, die Gunst König Friedrich’s von Württemberg und dessen Sohnes, des nachmaligen König Wilhelm’s I. zu gewinnen. Nach dem Kriege erhielt O. das Eiserne Kreuz am weißen Bande. Im Sommer 1815 finden wir ihn als preußischen Geschäftsträger in Frankfurt a. M. und in Verkehr mit Goethe und Willemer. Mit Varnhagen bemühte er sich damals um die Wette, dauernd in der Diplomatie verwendet zu werden. Seine Jugendfreundschaft mit Rahel wurde hier aufgefrischt. Die von seinem Einfluß und seinen Verbindungen Vortheile erhoffende kluge Jüdin fand, daß er sehr verschieden von ihrem Gatten sei, meinte aber, daß man diese Verschiedenheit mit Einsicht ausgleichen könne. Sie urtheilt über ihren alten Courmacher: „Wenn wir allenthalben solche entschlossenen, thätigen und nachdrücklichen Geschäftsleute hätten, würden wir geliebt und kräftig in Deutschland dastehen“. Als sie erfuhr, daß O. sich um den Posten in Darmstadt und Nassau bemühe, redete sie ihrem Gatten zu, ihn dabei zu unterstützen, und in der That hat sich Varnhagen seiner bei seinem Freunde Staegemann, dem einflußreichen Berather des Staatskanzlers Hardenberg, angenommen. Durch einige Dreistigkeit, wie er selbst von sich sagte, kam O. auch zum Ziele, indem er 1816 zum preußischen Gesandten in Darmstadt und Wiesbaden ernannt wurde. Diesen Posten hat er über ein Vierteljahrhundert innegehabt. Es kam später noch die Vertretung Preußens in der Schweiz und seit dem Herbste 1823 auch die in Baden hinzu, die er auch zwei Jahrzehnte behielt. Die ersten Jahre hatte er seinen Hauptaufenthalt in Darmstadt, später in Karlsruhe. Durch seine lange Thätigkeit an diesen Höfen, seine Vielgeschäftigkeit und auch wol durch Gewandtheit und Geschäftskenntnisse wurde er in den süddeutschen Dingen sehr wohlbewandert und der preußischen Regierung recht nützlich. Freilich machte man sich viel über ihn lustig, über sein aufgeregtes Wesen, eine gewisse billige Wichtigthuerei und Geheimnißkrämerei, seinen weinerlichen Ton. Unaufhörlich reiste er zwischen den Höfen, bei denen er beglaubigt war, hin und her. Dazwischen weilte er lange Wochen in Berlin und mußte wol zuweilen bedeutet werden, sich nicht zu lange von seinem Posten zu entfernen. Notre ami aux mille affaires hieß er in der diplomatischen Welt. Sein langjähriger Vorgesetzter, Graf Bernstorff, scheint wenig Wohlwollen für ihn besessen zu haben und benutzte gelegentlich, sicher nicht ohne Absicht, die Feder des mit O. etwa seit 1819 verfeindeten Varnhagen zu Noten an O. Um so mehr hatte O. sich bei dem Vertrauten des Königs, dem Kriegsminister v. Witzleben, und wol auch bei dem Fürsten Wittgenstein in Gunst zu setzen gewußt. König Friedrich Wilhelm III. bezeugte ihm sehr oft durch Orden und Gehaltszuwendungen sein Vertrauen. Wie es in der Natur der Sache lag, hatte O. viel mit Zollvereinsverhandlungen, Verfassungsfragen, der Neugestaltung des Bundesheeres und der Ausführung der Karlsbader Beschlüsse zu thun. Den Köthener Herzog nannte er ohne Umschweife im Gespräch mit Varnhagen einen Contrebandier, was später Treitschke bestätigen durfte. Unter denen, die er in unseligem Eifer verfolgte, spielte der treffliche Klüber eine gewisse Rolle. O. hat augenscheinlich zu Klüber’s Verabschiedung beigetragen. Desgleichen stellte er Untersuchungen wegen der Schrift des damals schon dem Siechthum verfallenden Kammergerichtsraths E. T. A. Hoffmann „Meister Floh“ an. Auch [733] dem Demagogen Kombst saß er hart auf den Fersen. Den „wahrhaft teuflischen Geist“ der hessischen Demagogen schilderte er in den dunkelsten Farben. Dieses Demagogenaufspüren hat ihm Varnhagen natürlich sehr verdacht. Auch sonst stützte er sichtlich die conservativen Tendenzen, aber außerdem, mit Erfolg, das preußenfreundliche Ministerium Du Thil in Darmstadt. Der Prinz Emil von Hessen-Darmstadt, lange Jahre eine Säule der hochconservativen Partei in Süddeutschland, beehrte O. mit seinem besonderen Vertrauen. Am 14. April 1833 sandte O. dem Könige eine Denkschrift ein: „Meine Wahrnehmungen von dem Wartburgfeste bis zum heutigen Tage“, in der er den verständigen Vorschlag der Begründung einer volksthümlichen conservativen Presse machte, ohne allerdings damit Erfolg zu haben. Gelegentlich beging er auch einen Mißgriff, so als er im Herbst 1822 in Darmstadt gegen den Willen seiner Regierung in die Verfassungssache hineinredete. Damals wurde er streng zurück gewiesen, und es scheint eine Zeitlang seine Abberufung in Frage gestanden zu haben. Varnhagen sah sie schon triumphirend vollzogen, wie denn dieser ehemalige Freund Otterstedt’s sich nicht genug thun konnte, in seinen Papieren O. in der giftigsten Weise zu verleumden, zu beschimpfen und abfällig zu kritisiren. Die ganze Widerwärtigkeit des Varnhagen’schen Charakters enthüllt sich dabei. Mit unverhohlenem Neide buchte er jede Auszeichnung, jeden vermeintlichen Vortheil, der O. zufiel, und über jeden Besuch, den dieser bei bekannteren Personen machte, mußte er hämische Vermuthungen aufstellen. O. stattete auch ihm nichtsahnend hin und wieder Besuche ab und ließ sich von ihm aushorchen. Dabei kannte er Varnhagen nur zu wohl. Bei der Nachricht von Kotzebue’s Ermordung in Mannheim prophezeite er gleich lebhaft, wie Varnhagen, der damals am badischen Hofe beglaubigt war, dies Ereigniß ausbeuten würde. „Was wird der für Berichte machen!“ rief er aus. Im Sommer 1835 wurde er zum Wirklichen Geheimen Rath ernannt. Öfter mag er nach einem höheren Posten getrachtet haben. Aber man urtheilte in Berlin wol ganz richtig, daß er für größere Verhältnisse nicht paßte. Schon im Juni 1838 wußten gut Unterrichtete davon zu melden, daß Josef v. Radowitz sich um den Posten des mittlerweile bejahrten O. bemühe. Einige Zeit nach der Thronbesteigung Friedrich Wilhelm’s IV., im Mai 1842, wurde O. in der That durch diesen Vertrauten des neuen Königs ersetzt. Er zog sich seitdem auf ein kleines Gut, Hof Seebach, bei Baden-Baden zurück. Bald danach erlebte er den Verdruß, daß sein Freiherrntitel, den er sich augenscheinlich selbst beigelegt hatte, vom Heroldsamte angefochten wurde. Am 13. Mai 1844 gestattete ihm indeß der König die Führung dieses Prädicats für seine Person. Am 8. Juli 1845 verlor er seine Frau, eine geborene v. Zepelin. Während er mit der Vorbereitung zur Hochzeit seiner zweiten Tochter beschäftigt war, starb er in Baden-Baden im 81. Lebensjahre. Er hinterließ zwei Töchter, von denen die eine mit dem Hofmaler Steinbach zu Karlsruhe verheirathet war und die andere den badischen Oberamtsrichter Karl v. Vincenti ehelichte, sowie vier Söhne, von denen der 1810 geborene Friedrich gleichfalls die diplomatische Laufbahn einschlug, zwei Officiere wurden und einer die Bewirtschaftung des väterlichen Gutes übernahm.

Varnhagen, Geschichtsblätter und Tagebücher, Briefe an Staegemann, Denkwürdigkeiten des eigenen Lebens , Rahels Briefwechsel (besonders ihr Brief an Otterstedt vom 6. VIII. 1815). – Treitschke, Deutsche Geschichte, Bd. 3, 4 u. 5. – Acten der Geh. Kriegskanzlei zu Berlin. – Kreuzzeitung vom 10. April 1850. – Briefe Nagler’s an einen Staatsbeamten. Lpz. 1869. – Taschenbuch der freiherrlichen Häuser.